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French Open

Federer vs. Nadal—das war einmal

Tennis—so wie jede andere Sportart—lebt von Rivalitäten. Doch die aktuelle Nummer eins der Welt, Novak Djokovic, zieht (zu) einsam seine Kreise.
Photo by Presse Sports-USA TODAY Sports

Wenn es um unseren Lieblingssport geht, hat ein jeder von uns ein ganz privates Sammelsurium von Eindrücken und Erinnerungen, die er mit bestimmten Matches verbindet und die er zwischendurch gerne mal abstaubt und mit leicht nostalgischem Blick vor dem geistigen Auge Revue passieren lässt. Bei mir ist es ohne Frage das Wimbledonfinale aus dem Jahr 2008, in dem Rafael Nadal in dem wohl besten Tennismatch aller Zeiten Roger Federer besiegen konnte und damit eine der spannendsten Rivalitäten der Sportgeschichte ins Leben rief.

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Und genau diese Rivalität versank letzte Woche in die Bedeutungslosigkeit. Denn das ewige Duell „Roger Federer gegen Rafael Nadal" spielt (vorerst?) keine Rolle mehr. Und das sind furchtbare Nachrichten für den Sport.

War es das, Rafa?

Passiert ist es, als Novak Djokovic Nadal im Viertelfinale der French Open glatt in drei Sätzen aus dem Turnier warf—ein Turnier, das er über Jahre hinweg auf unnachahmliche Weise dominiert hatte. Nur einen Tag vorher hatte Stan Wawrinka seinen Landsmann Federer geschlagen. Man kann sich sicher sein, dass es nicht nur zwei gewöhnliche „verdammt ärgerliche Pleiten" waren. Nein: Denn das war es für die beiden. Die Zukunft, die neue Ära gehört einzig und allein Djokovic—einem großartigen Athleten, dem man gerne beim Spielen zuschaut.

Es gibt bei der Sache nur einen Haken, und der ist leider gewaltig. Djokovic allein wird dem Sport nicht ausreichen, mit Djokovic allein wird sich Tennis nicht gut verkaufen können. Ohne echten Rivalen ist er nicht Federer oder Nadal, sondern Federer und Nadal. Und genau das ist der große Haken.

Novak Djokovic ist der beste Tennisspieler der Welt, aber er braucht unbedingt einen echten Rivalen. Foto: Susan Mullane—USA TODAY Sports

Tennis ist ein Sport, der von Rivalitäten lebt. Djokovic hat aber keinen wirklichen Rivalen (und nein, auch wenn er im Finale der French Open gegen Wawrinka den Kürzeren zog, der Schweizer ist schon 30 und damit auch keiner für die Zukunft), außer du zählst Andy Murray mit. Aber ich sag' wie's ist (und glaubt mir, ich bin ein echter Tennisliebhaber): Wenn Djokovic und Murray spielen, kann man das Match komplett in die Tonne kloppen. Langweiliger geht's nämlich nicht.

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Warum das so ist? Die Antwort darauf greift erneut das Thema der Rivalitäten auf. Und die gibt es nur, wenn es zwischen zwei Spielern knirscht und knackt, wenn starke Gegensätze vorherrschen. Denn hier kommt noch eine knallharte Wahrheit: Bevor Nadal Federer in Wimbledon schlagen konnte, war der Schweizer wohl der am meisten ignorierte Superstar der Sportgeschichte.

Es musste erst Nadal auf die große Tennisbühne treten, damit es wieder spannend wurde. Es brauchte erst das Duell des Linkshänders in Piratenshorts (erinnert ihr euch noch?) gegen den ultimativen Gentleman mit dem perfekt sitzenden Haar, der Bilderbuch-Körperhaltung und dem eleganten, fast schwebenden Laufstil. Rafa und Roger waren die perfekten Gegensätze und damit wie gemacht für einander. Das machte ihre Duelle und damit auch den Tennissport ihrer Zeit so unfassbar spannend. Sie polarisierten die Zuschauer aus aller Welt und ließen keinen kalt.

So wie schon bei Pete Sampras und Andre Agassi. Der eine war ruhig und gesonnen, der andere eher laut und impulsiv. Oder wie bei John McEnroe und Björn Borg (Linkshänder und Schreihals gegen Rechtshänder und Pokerface). Die Liste ließe sich spielend fortsetzen.

Ich habe mir vor einiger Zeit mal ein Showmatch für einen guten Zweck in Indian Wells angeschaut. Auf dem Platz standen sich Sampras/Federer und Agassi/Nadal gegenüber. Während des Spiels hat dann Agassi Sampras solange über sein Mikrofon geärgert und genervt, bis Nadal irgendwann seinen eigenen Teamkollegen angeschnauzt hat, er möge doch endlich die Fresse halten. Auf der anderen Seite hat sich Sampras über Agassis Watschelgang lustig gemacht und einen Aufschlag in Richtung des Kopfes von Agassi abgefeuert.

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Und das etliche Jahre nach deren Rückzug aus dem Profisport. In einem Match, bei dem der einzig mögliche Gewinner der gute Zweck war.

Djokovic und Murray spielen fast dasselbe Tennis. Kontrollierte Aufschläge, super Returns, gute Beinarbeit. Nur, dass Djokovic am Ende fast immer gewinnt, weil er das, was Murray macht, einfach noch zwei Prozent besser macht.

Ähnliches lässt sich auch zum Frauentennis sagen. Denn treffen Serena Williams und Maria Scharapowa aufeinander, kann man sich zwar sicher sein, dass wir tolle Ballwechsel sehen werden, doch am Ende siegt dann eh wieder die bullige Amerikanerin. Vorsprung durch Kraft.

Doch es ist nicht nur, dass dem Tennis eine wichtige Rivalität abhanden gekommen ist. Letzte Woche wurde zudem deutlich, dass dem Sport eine Larry-Holmes-Ära droht.

Vor vielen Jahren, als sich die Ära Muhammad Alis dem Ende zuneigte, bekam die Boxwelt mit Larry Holmes einen neuen Champion. Das Problem war nur, dass Ali eine so große Ausstrahlung hatte, dass Holmes von vornherein nie wirklich eine Chance hatte, dessen Fußstapfen zu füllen. Und so geschah es, dass der Boxsport einen schleichenden Niedergang erlebte. Dabei lag es nicht an ihm. Niemand konnte so wie Ali sein. Holmes hatte zwar einen echt guten Jab, aber leider keine besonders ansteckende Persönlichkeit. Und von allen möglichen Schlägen ist der Jab auch nicht unbedingt der, der die Zuschauer von den Sitzen reißen lässt.

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Auch Basketball hatte seine Larry-Holmes-Ära, nachdem Michael Jordan in Rente ging. Am Ende ging es aber gut aus, nachdem aus Kobe Bryant mehr wurde als nur der, der „nicht Michael Jordan ist". Mittlerweile hat LeBron James das Zepter an sich gerissen und schickt sich an, in die riesigen Fußstapfen von Jordan zu treten (auch wenn ich weiterhin glaube, dass die ihm eine Nummer zu groß sind).

Der Vorteil, den Djokovic gegenüber den genannten Athleten hat, besteht darin, dass er Nadal und Federer schlagen konnte, als diese noch (fast) auf dem Zenit ihrer Karriere waren. Das bringt ihm auf alle Fälle eine Menge Auctoritas und macht ihn zu einem legitimen Nachfolger. Doch es wird trotzdem nicht ausreichen.

Nadals Niederlage gegen Djokovic war ein echter Schock für jeden Tennisfan und eine Demütigung für den Spanier. Klar, in letzter Zeit hatte sich Nadal auf seinem Lieblingsbelag als durchaus verwundbar gezeigt, doch mit neun (!) Titeln bei den French Open musste man förmlich Nadal mit auf dem Zettel haben.

Doch schon nach dem zweiten Satz war zu merken, dass Nadal—der nie aufhört zu kämpfen—plötzlich aufhörte zu kämpfen. Er hatte im Laufe seiner Karriere schon so viele Verletzungen (die er oft nicht ausreichend ausheilen ließ) und steht für ein so physisches Spiel, dass es wohl nur eine Frage der Zeit war, bis sein Körper nicht mehr mitspielen würde. Und anscheinend ist jetzt auch noch sein altes Kämpferherz betroffen. Klar, Nadal ist (erst?) 29, was bedeutet, dass er bestimmt noch ein, zwei Major-Turniere gewinnen kann. Doch eine Sache steht fest: Den Tennissport (mit)dominieren wird er nicht mehr.

Niemand konnte Jordan jemals so demütigen, als er noch voll im Saft stand. Er holte sich seinen sechsten Ring ab und beendete seine Karriere (sein Comeback mit einigen Pfund mehr auf den Rippen wollen wir hier mal nicht beachten). Ali hat zwar gegen Holmes verloren, doch das war schon so lange nach seiner Blütezeit, dass es nicht wirklich gezählt hat, sondern einfach nur traurig war anzuschauen.

Was Federer betrifft: Der Schweizer ist mittlerweile 33. Es würde schon an ein kleines Wunder grenzen, wenn er noch mal ein Major-Turnier gewinnen könnte. Was für tolle Duelle er sich mit Nadal geliefert hat, bis der ihn immer besser durchschaut hat.

In Zukunft müssen wir uns also mit Djokovic gegen Murray begnügen. Gute Nachrichten sehen anders aus.