FYI.

This story is over 5 years old.

geplatzter traum

„ Wenn es nach 25 Minuten 0:6 steht, dann ist das kein Genuss mehr"—Auszüge eines geplatzten Pokaltraums

In der ersten Runde des DFB-Pokals treten wieder Amateure gegen Bundesligisten an. Doch was passiert, wenn du im Spiel deines Lebens nach der ersten Halbzeit 7:0 hinten liegst? Ein Amateurkicker hat uns von seinem geplatzten Pokaltraum erzählt.
Foto: Imago

An diesem Wochenende wird die erste Runde des DFB-Pokals ausgespielt. Und die Amateur-Spieler vom FC Nöttingen (Gegner: Bayern München) oder vom HSV Barmbek-Uhlenhorst (Gegner: SC Freiburg) werden wohl das größte Spiel ihres Lebens erleben. Natürlich werden sie von der Sensation träumen oder zumindest davon, sich vor einem Millionenpublikum nicht zu blamieren. So erging es nämlich dem Vfb Fichte Bielefeld 2008 gegen Borussia Mönchengladbach. Der Landesligist qualifizierte sich über den Westfalenpokal für den DFB-Pokal und trat an, um den Bundesligisten zu ärgern. Blöderweise stand es schon nach 24 Minuten 0:6. Dagegen war der Endstand mit 1:8 recht versöhnlich. Ein Spieler von Fichte hat uns erzählt, wie er den Pokaltraum erlebt hat.

Anzeige

Der VfB Fichte ist ein Verein mit einer recht großen Tradition in Bielefeld. Er war jahrelang der zweitgrößte Fußballverein der Stadt. Anfang der 2000er war Fichte sogar kurz davor, in die Regionalliga aufzusteigen. 2008 waren wir Landesligist und haben uns durch den Westfalenpokal für den DFB-Pokal qualifiziert. Als wir den Oberligisten SC Delbrück im Elfmeterschießen geschlagen haben, sind die Zuschauer auf den Platz gelaufen. Es hat sich angefühlt, als ob man einen Aufstieg gefeiert hätte. Die Euphorie hat sich dann bis zum Pokalspiel getragen.

Ich war dummerweise in der Vorbereitung zwei Wochen auf Ibiza. Ich dachte mir: Wenn du zurück kommst, hast du noch drei Wochen. Das wird schon reichen, um dich wieder reinzuspielen. Es sollte nicht reichen. (lacht)

Wir sind damals auf die Alm ausgewichen, weil angekündigt wurde, dass so 10.000 Leute kommen werden. Wenn du dann einläufst, egal ob in der Startformation oder auf der Bank, dann bekommst du einfach Gänsehaut, wenn 5.000 Gladbacher ausrasten. Sowas erlebst du in der Landesliga einfach nicht. Viele Spieler aus unserer Mannschaft haben das Spiel schon als Plattform gesehen, um sich zu zeigen.

Bei ein, zwei Spielern lagen die Hoffnungen der Familie auf ihren Schultern. Einer hat in der Kabine einen Brief seiner Familie rausgeholt, wo drauf stand: Heute wird ein großer Tag für dich, wir haben immer auf dich gebaut, heute wirst du es schaffen. Der Spieler hatte dann im Spiel keine zehn Ballkontakte. Noch witziger war es allerdings, was sein bester Freund aus der Mannschaft abgezogen hat: Er kam mit mir aus der Jugend und sollte auch nicht spielen, aber als er vor dem Spiel zum Team kam, hatte er einen Anzug an. Als wir ihn gefragt hatten, warum er den Anzug trägt, meinte er: „Nach dem Spiel Spielerberater." Er wollte sich nach dem Spiel als Spielerberater für seinen Kumpel ausgeben.

Dass er auch nicht so viel auf die Reihe bekommen hat, lag auch daran, dass Gladbach einfach unfassbar stark gespielt hat. Von der taktischen Vorgabe sind wir sicherlich nicht so klug ins Spiel gegangen, den Gegner hoch anzulaufen. Die waren einfach so ballsicher, von der Präzision und dem Tempo liegen einfach Welten dazwischen. Gladbach hat den Ball so geschickt laufen lassen, dass wir phasenweise minutenlang nicht rangekommen sind. Die Raumaufteilung war bei denen auch viel besser, wir waren in vielen Spielsituationen in Unterzahl oder wurden gedoppelt. Ein riesiger Unterschied ist auch die Athletik. Wir hatten zu dem Zeitpunkt eine richtig gute Vorbereitung gespielt, aber die waren einfach viel athletischer. Wenn wir den Ball hatten, standen wir permanent unter Stress, weil wir nur 1, 2 Sekunden hatten, um den Ball weiterzuspielen.

Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass die Gladbacher unkonzentriert waren. Die sind damals wieder in die erste Liga aufgestiegen und für sie war es auch das erste Pflichtspiel. Viele Spieler wollten sich da zeigen. Bitter war einfach, dass Marko Marin den Freistoß schon nach sieben Minuten in die Torwartecke knallt. Dann ist dein Konzept schon mal in die Hose gegangen. Und dann bekommst du ein Ding nach dem anderen rein. Klar wird dann gesagt „Genieß das Erlebnis". Aber du bist ja auch Wettkampfsportler. Wenn es nach 25 Minuten 0:6 steht, dann ist das kein Genuss mehr. Dann kommt einfach Schamgefühl hoch. Zum Glück haben wir noch ein Tor geschossen und 1:8 war dann noch halbwegs versöhnlich. Wobei ich denke, dass wenn man kompakt steht und lange das 0:0 hält, kann man jede Mannschaft ärgern kann. Die Taktik würde ich jedem Underdog ans Herz legen.

Ganz witzig war, dass nach dem Pokal ein Spieler bei uns zu so etwas wie einem Local Hero wurde. Er hatte 3, 4 gute Aktionen, unter anderem hat er einen Spieler getunnelt und an der Mittellinie einen anlaufenden Gladbacher überlupft. Die Bühne hat er also für sich genutzt. Später haben die Leute ihm gratuliert: „Hast die Profis gebumst!"