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Deutschland

„Die Mannschaft“ ist 90 Minuten Selbstbefriedigung basierend auf einem Fake

Der Film über den WM-Sieg ist kein neues Sommermärchen, eher ein PR-Protokoll der schönen Momente. Mehr war wohl nicht drin.

Inmitten von Salafisten-Lysterie (ja, das ist ein Wort: zusammengesetzt aus Lynchen und Hysterie) und generellem Scheißwetter erreichte uns der Trailer zu der WM-DokuDie Mannschaft. Man könnte meinen, dass das Land eine nostalgische Rückfahrt an diesen magischen Sommer, der so ewig weit weg scheint, gebrauchen könnte. So einen kleinen WM-Trip als Ego-Push. Doch irgendwie schien niemand daran Interesse zu haben. Ein großes Schulterklopfen ob der Tatsache, dass man sich jetzt Weltmeister nennen darf, gab und gibt es nicht. Ich finde das faszinierend zu beobachten. In meinem Heimatland definiert man sich leider eher über die Fifa-Weltrangliste als über das Brutto-Inlandsprodukt.

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Worauf sich aber alle einigen wollten, war der Lobgesang auf das Team.Spieler wie Lahm, Schweinsteiger und Mertesacker waren zuvor immer wieder knapp gescheitert und haben sich nun als Kollektiv belohnt. „Ein „Ergebnis guter Arbeit" wird der Deutsche Fußballbund diesen WM-Titel vermutlich nennen. Und tatsächlich ist es eine unglaubliche Leistung, die der DFB nach den Rumpeljahren um die Jahrtausendwende vollbracht hat. Ein Dank der Fans hierzulande wäre hier mal tatsächlich angebracht.

Ganz konkret kann dieser an der Kinokasse ausgesprochen werden. Denn seit gestern läuft die Dokumentation Die Mannschaftin den Kinos an. Kein neues Sommermärchen, dafür aber ein Film exklusiv vom DFB produziert mit Bildern, die es vorher noch nie zu sehen gab.

Als ich an der Kinokasse stand, wusste ich, dass ich zum ersten Mal neun Euro für einen PR-Film blechen würde. Trotzdem dachte ich, dass es sich lohnen würde. Nicht zuletzt der Trailer und dieses Zitat hatten mich überzeugt:

Verdammt! Wenn schon Stevie G—seines Zeichens englisches Fußballidol—bereit ist, dieses Team in herrlich roher Sportfilm-Rhetorik zu adeln, dann musste ich da verdammt noch mal rein. Leider stammte der Spruch gar nicht von Gerrard. Sondern von @iSteven8Gerrard, einem Fan-Profil auf Twitter.

Brazil have Neymar. Argentina have Messi. Portugal have Ronaldo. Germany have a team!
— Steven Gerrard (@iSteven8Gerrard) 8. Juli 2014

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Peinlich ist das schon. Auch für die Medien, die nach dem 7:1 gegen Brasilien im allgemeinen WM-Delirium die Bedeutung der blauen Haken bei Twitter vergaßen. Sei's drum, die Kernaussage bleibt die Gleiche: Deutschland hat eine tolle Mannschaft.

Ich wollte also sehen, wie „meine „Weltmeistergeneration" so tickt. Wie die Fußballer-Millionäre außerhalb von Mixed Zone und Instagram wirklich drauf sind. Freuden, Tränen, Schweiß, Lachen, all das, was man ehrlich zulässt, wenn man die Kamera vergisst. Ein kleiner Einblick, um besser einordnen und sich mit den Jungs freuen zu können. Viel verlangt war das nicht, fand ich.

Und es gibt auch durchaus was zu sehen: Müller als Kellnerin im Dirndl, Kramers Ronan-Keating-Ständchen oder die kindhafte Freude der Spieler, als der Stolperfreistoßtrick im Training klappt. Menschlichkeit eben, das wollte ich sehen, und es half mir, dieses Team besser zu verstehen. Nur gibt der Film sich nicht mal die Mühe, solche Szenen in irgendeinem Kontext zu setzen. Die restlichen 90 Minuten erstrecken sich in einer chronologische Aneinanderreihung von zeigbaren Bildern. Wie ein Protokoll schöner Momente: Das reibungslose Trainingslager in Südtirol, die wunderbare Heimstätte Campo Bahia und die perfekten Umsetzungen der Vorgaben Löws durch die Mannschaft. All das flutschte zur logischen Konsequenz Weltmeister-Fanmeile-Andreas Bourani zusammen. Bilder, die wir größtenteils schon gesehen haben und die aus einem Mörtel von banalen Super-Slow-Motions zusammengehalten wurden. Ich kann nicht aufzählen, wie viel dieser Film verschenkt.

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„„Brasilien hat Neymar. Argentinien hat Messi. Portugal hat Ronaldo. Deutschland hat eine Mannschaft." Aber was zu Hölle heißt das jetzt? Zu keinem Zeitpunkt werde ich daraus schlau, warum es dieses Mal mit dem Titel geklappt hat, was es dieses Mal ausgemacht hat. Statt zu zeigen, wie der Trainer das Team tatsächlich formt, bekommen wir die Extended-Version der Löw'schen Joggingeinheiten am Strand vorgesetzt. Dieses Mal auch von Löw irgendwie hökscht uninderessand kommentiert irgendwie.

Wenn dann mal unangenehmere Themen auftauchen, werden sie gekonnt ignoriert oder umgedeutet. Da übernimmt Teammanager Oliver Bierhoff die Wortführung und stellt sich vor die Mannschaft. Der Unfall im Trainingslager bei einer PR-Aktion mit Hauptsponsor Mercedes Benz? Hat die Mannschaft gut ausgeblendet. Die ewigen Reisestrapazen durch das abgelegene Campo Bahia? Hat die Mannschaft gut weggesteckt. Der Ausfall von Marco Reus? … Oh, Entschuldigung, Reus wird mit keinem Wort im Film erwähnt. „Sorry, Marco, der DFB hat entschieden, dass du leider nicht in „Die Mannschaft" gehörst.

Ich schätze, was mich so sehr an dem Film ärgert, sind die vergebenen Möglichkeiten. Die Filmemacher haben sich nicht ein Mal die Mühe gegeben, die Geschichte dieser Mannschaft aufzuarbeiten. Warum haben Kroos, Khedira oder Neuer ein so bosshaftes Turnier gespielt? Wie haben sich die Spieler und Trainer persönlich aber auch als Truppe weiterentwickelt? Warum ist die Mannschaft verdammt noch mal Weltmeister geworden??? All das hätten die Filmemacher in der Nachbearbeitung und in den Interviews zusammen puzzeln können und so zu einem wertvollen Film zusammenschneiden können. Ob man das nicht plante, nicht konnte oder nicht wollte, kann ich nicht einschätzen. Wahrscheinlich ist es von allem etwas. So sind ausDie Mannschaft 90 Minuten Fußballonanie geworden, die auf einer gefälschten Aussage basieren. Mehr war wohl nicht drin.

Folgt Toni auf Twitter: @sopranovic

Dieser Artikel ist ursprünglich bei VICE Deutschland erschienen.