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„Überfordert und desinteressiert"–ein Eintracht-Fan über das katastrophale Sicherheitskonzept in Leipzig

In Leipzig erlebten die Fans von Eintracht Frankfurt nicht nur eine 0:3-Niederlage, sondern auch einen Höllentrip. Gedränge auf Glatteis, Pfefferspray und desinteressierte Order—ein Eintracht-Fan berichtet, wie es mittendrin war.
Foto: privat

Das Spiel zwischen RB Leipzig und Eintracht Frankfurt (3:0) am Samstagabend wurde schon lange im Vorfeld als Risikospiel eingestuft—und entwickelte sich auch für einige der über 5.000 Eintracht-Fans zu diesem. Zwar blieben die von der Polizei befürchteten Krawalle („größter Polizeieinsatz der Saison") aus, doch es kam abermals vor den Eingangstoren eines Bundesliga-Stadions zu verspätetem Einlass, Pfeffersprayeinsätzen und gefährlichem Gedränge für die Auswärtsfans. Unser Autor* schildert die chaotischen Zustände vor der Leipziger Arena:

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„In Leipzig reißen wir was—auf dem Feld und in der Kurve", dachte ich mir. Am Ende war es eine der beschissensten Auswärtsfahrten, die ich wohl hatte. Und das lag nicht an der ärgerlichen Niederlage, die scheinbar schon nach zwei Minuten besiegelt war, sondern an der unprofessionellen Vorbereitung von RB. Aber der Reihe nach. Ich reiste mit dem Bus nach Leipzig und kam etwas verspätet am Mittag auf dem Marktplatz an. Da warteten schon tausende Frankfurter, sangen sich warm und machten sich gerade auf zum Marsch in Richtung Stadion. Auf dem Weg durch die Innenstadt blieb alles ziemlich friedlich, wenn man von den üblichen Scharmützeln absieht: Es flogen einige Böller und die eine oder andere umherstehende Person wurde in harschem Ton gebeten, ihre Kamera auszumachen. Trotz der Minustemperaturen und der vielen Polizisten, die uns den ganzen Weg begleiteten, war die Stimmung gut und ausgelassen. Das änderte sich, als wir etwa einen Kilometer vor dem Stadion am Tennisclub „TC Leipzig" vorbei gelenkt wurden.

Foto: privat

Der Weg verengte sich, wir rückten dadurch zusammen und Gedränge entstand. Da der Weg vom Winterdienst überhaupt nicht geräumt war, war der Boden glatt und vereist. Wenn man alleine auf solch vereistem Untergrund entlang geht, dann passt man auf, aber durch die zusammengepferchte Menschenmasse konnten wir nicht mehr auf den Boden schauen und zahlreiche Leute rutschten aus. Wenig später kam mir jedoch schon der erste Mann entgegen, dem ein Kollege die Augen waschen musste, da er Pfefferspray ins Gesicht gesprüht bekommen hatte. Ich habe den Einsatz nicht gesehen, doch später wurde mir erzählt, dass ein Polizist beim Rückwärtslaufen über einen liegenden Müllsack gestolpert ist, die Polizei anschließend einige Fans nach hinten schubste und diese zurückschubsten. Dann wurde Pfeffer in die Menge geschossen. Ob die Entstehungsgeschichte am Ende auch so war, kann ich nicht bestätigen, doch den Pfefferspray-Einsatz hat man gesehen und gerochen.

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Im Vorfeld: Eintracht-Fanszene vergleicht RB-Boykottierer mit McDonald's-Besuchern

Dann kam der vordere Teil des Pulks gegen 17.15 Uhr an den Eingang. Die Allerersten kamen um kurz vor 17 Uhr, also anderthalb Stunden vor Anpfiff, an. Ich hatte schon da ein schlechtes Gefühl, da RB Leipzig die Stadiontore auch erst um 17 Uhr öffnete. Uns erwarteten dort Drehschlösser wie im Knast. Da konntest du auch nicht rübersteigen, weil sie dir bis über den Kopf gingen. Ich hab zwölf Drehschlösser gezählt, für alleine 4.500 Eintracht-Fans im Gästebereich ziemlich wenig. Andere Fans meinten zu mir, dass auch einige der Drehkreuze kaputt gewesen seien. Dazu kam noch, dass die Drehkreuze so eingestellt waren, dass sie nach jedem Scan eines Tickets etwa 30 Sekunden lang still standen, damit die Ordner Zeit hatten, jeden einzelnen Fan ordentlich zu durchsuchen. Egal, wie sinnvoll das klingen mag und auch wie viele Drehkreuze nun wirklich funktioniert haben: Man kann sich ungefähr ausmalen, wie nervös die meisten Fans mit jeder verstrichenen Minute wurden. Wir mussten keine Sicherheitsexperten sein, um zu verstehen, dass es niemals so viele Fans durch so wenige Durchgänge bei solchen Kontrollen in nur anderthalb Stunden ins Stadion schaffen werden.

Irgendwann staute sich natürlich Hass und Aggression auf. Wir waren fünf Stunden nach Leipzig gefahren, zahlten Geld für unsere Tickets, harrten bei Minus 5 Grad vor einem Stadion aus und wussten, dass wir es sicher nicht zum Anpfiff reinschaffen. Wir fragten uns, wieso der Klub RB Leipzig auf das vielfach angekündigte Hochrisikospiel nicht ansatzweise vorbereitet war. Ich war relativ weit vorne und das Gedränge war noch human, doch wäre da auch nur ansatzweise eine Panik entstanden, wären die Menschen in den ersten Reihen noch heftiger gegen die Metallzäune gedrückt worden, als sie es ohnehin schon wurden. Ich hatte zwischendurch Angst, obwohl ich schon weitaus heiklere Auswärtsfahrten und Momente erlebt habe. Doch hier sah man auch die aufgebrachten und ängstlichen Normalo-Fans, Frauen und Kinder. Wie gefährlich es jedoch war, hörte ich später noch während des Spiels und dann im Internet von anderen Fans, die von Prellungen und leichten Verletzungen berichteten.

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Als ich dann endlich durch eines der noch intakten Drehkreuze gehen durfte, kontrolliert wurde—und mir drei meiner vier Plastikspritzen, die zu unserer Protestaktion gehörten—abgenommen wurden, wartete ich noch bis Anpfiff auf meine Freunde, die mit einigen hundert anderen Leuten noch draußen standen. Die Situation in Leipzig war absolut nicht bundesligareif. Der Klub wusste, wie viele Leute kommen würden, aber der Sicherheitsdienst wirkte so überfordert und desinteressiert. Auch nachdem sie mehrfach auf die Situation angesprochen wurden, wollten sie nichts ändern.

Zum Thema: Boykott oder Abriss? Wie die Fanszenen bisher bei RB Leipzig protestierten

Nicht nur ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wie die das mit 8.000 Rangers-Fans vor einer Woche gemacht haben. Dass am Ende aus der Menschenmenge auch etwas Pyrotechnisches auf die Ordner geworfen wurde, war zwar nicht geil, aber zeigt, wie sauer und verzweifelt die Menschen waren. Und dass nicht ernsthaft etwas passiert ist, war dem Großteil der Fans zu verdanken. Du wirst da eingekesselt und hast ununterbrochen ein unangenehmes Gefühl. Dass ich nachher noch lesen musste, dass auch Frauen und Kindern die Mützen und Schals trotz der Minustemperaturen vom Ordnungsdienst abgenommen wurden, ist nur noch ein weiterer Skandal.

Als das Spiel dann lief, waren die meistens Leute—die es pünktlich ins Stadion geschafft hatten—schon genervt. Natürlich auch durch den frühen Platzverweis und das Gegentor. Die Stimmung war dementsprechend schlecht bei uns im Block. Da half selbst die Abneigung gegenüber RB nicht mehr viel. Ins Bild passte nur, dass die RB-„Fans" zwar laut waren, aber auch gefühlt 80 kopierte Fanlieder trällerten. Ich weiß auch bis zu diesem Moment nicht, ob sie uns mit dem Singen von jahrelangen Eintracht-Klassikern wie dem Pippi-Langstrumpf-Lied oder den Schalala-Eintracht-Wechselgesang provozieren wollten oder einfach nicht so weit denken konnten. Aber Kreativität scheint dort ein Fremdwort zu sein. Nach dem Spiel gab uns der Stadionsprecher übrigens auch noch etwas mit auf den Weg: „Passt auf euch auf, die Wege sind glatt." Das klang für uns Eintracht-Fans schon mehr als zynisch.

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*Der Autor möchte anonym bleiben.