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Die unglaubliche Geschichte des echten Captain Tsubasa

Kazu Miura wird Sonntag 50 und spielt noch immer Profi-Fußball. Er gilt als der „japanische Brasilianer", der Fußball in seiner Heimat großgemacht hat und als Vorlage für die Anime-Serie „Captain Tsubasa" diente. Und ein WM-Trauma hat.
Foto: JLeague Photos

Diesen Sonntag wird Captain Tsubasa 50 und macht noch immer das, was er am besten kann: Fußball spielen. Nein, ich bin nicht verrückt. Denn Tsubasa Ohzora ist eigentlich Kazuyoshi Miura, der älteste Fußballprofi der Welt. Der will sich für ein weiteres Jahr das Trikot von Yokohama FC überstreifen, die in der zweithöchsten Liga Japans spielen. Damit hätte er über 30 Profi-Jahre auf dem Buckel. Aber eins nach dem anderen.

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Kazuyoshi ist für Japaner nicht nur eine lebende Fußballer-Legende, sondern außerdem der Junge, der den Manga-Gott Yoichi Takahashi zur Figur des Captain Tsubasa (und den daraus entwickelten Serien Die tollen Fußballstars bzw. Super Kickers) inspiriert hat – der wohl berühmteste animierte Fußballer der Geschichte. „Auch wenn ich mir bei den Bewegungen und Aktionen viel von Kempes und Maradona abgeschaut habe, wollte ich eigentlich, dass mein Tsubasa Kazu Miura sehr ähnelt, weil er der erste Fußballer Japans war, der im Ausland gespielt hat", so Takahashi im Interview mit So Foot.

Die Parallelen zwischen Miura und Tsubasa sind offensichtlich. Beide kommen aus Shizuoka und beide wandern nach Brasilien aus, um dort an ihrer Technik zu feilen. Denn genauso wie Tsubasa ist auch „Kazu" mit 15 Jahren auf einen fremden Kontinent gezogen, um von den Brasileiros richtig Fußball spielen zu lernen. Lasst das nochmal auf euch einwirken: ein japanischer Jugendlicher, allein im Land des Sambas, und das alles in den 80er-Jahren.

Der kleine Kazuyoshi wuchs in einer Generation von Japanern auf, die sich langsam, aber sicher für den europäischen Fußball interessierten, aber im eigenen Land keine richtige Profiliga hatten. Kazu wollte aber nur eines: unbedingt Profi werden. Um sich diesen Traum zu erfüllen, zog er gegen den Willen seiner Eltern nach Brasilien, wo es zumindest eine bedeutende Anzahl japanischstämmiger Menschen gab. Um sich den Traum vom Profifußball zu erfüllen, arbeitete er zwischenzeitlich als Touristenführer und Straßenverkäufer. In Brasilien lernte er sein Hand- oder, besser gesagt, Fußwerk bei zwei veritablen Topadressen: FC Santos und Palmeiras São Paulo. Im Anschluss daran wechselte Miura zurück in die Heimat und sollte der Eckpfeiler der beginnenden Professionalisierung des Nippon-Fußballs werden.

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Kazu im Dress des FC Santos, seinem ersten Profiverein. Foto: Terceiro Tempo

„Jetzt, wo ich in Brasilien gespielt habe, ist mein Wert deutlich gestiegen. Ich habe dort eine Technik erlernt, die sich für den japanischen Fußball, dem es an jedem Stil fehlt, als sehr wertvoll erweisen wird", fand Miura 1989 im Gespräch mit La Vanguardia. Er wollte aus Japan das Fußball-Eldorado von Fernost machen.

Und Kazu hat tatsächlich abgeliefert. Denn Japan ist bis heute die beste und vor allem beständigse Liga in ganz Asien – mit Kazu als ihrem ersten großen Star. Ein echter Star war Miura übrigens auch neben dem Platz. Sei es, dass er regelmäßig in TV-Shows auftrat, eine bekannte heimische Schauspielerin heiratete oder für den Tick bekannt war, jedes Mal, wenn er das Haus verließ, ein anderes Outfit zu tragen. Für seine vielen Klamotten soll er sich in Tokio eine Extra-Wohnung gegönnt haben. Außerdem war Miura eine omnipräsente Werbefigur und wurde dafür auch schon mal zum Doppelgänger von Detective Conan.

Mit der Zeit hat sich Kazuyoshi Miura zu mehr als nur einem Fußballer entwickelt. 1993 tanzte man in den Diskotheken Japans den Kazu Dance, angelehnt an seinen berühmt gewordenen jackoesken Torjubel. Und gejubelt hat er bei seiner ersten Profiadresse in Japan ziemlich regelmäßig. Im Dress von Verdy Kawasaki schoss er in 192 Spielen genau 100 Tore. Im selben Jahr wurde Kazu nicht nur zum besten Spieler von Japan, sondern von ganz Asien gewählt. „Wir haben ihm viel zu verdanken. Wir konnten zwar auch einige bekannte Ausländer nach Japan locken, aber es brauchte unseren Helden, damit das japanische Volk den Fußball zu lieben begann. Miura war unser Mann", erinnerte sich Saburo Kawabuchi, Fußball-Funktionär und Ex-Trainer der japanischen Nationalmannschaft.

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Seine Erfolge in der Heimat weckten Interesse in Europa. Dort sicherte sich der CFC Genua seine Dienste und machte Miura zum ersten Japaner in der Geschichte der Serie A. Doch in Italien wurde er vom Pech verfolgt. Gleich bei seinem Debüt gegen den AC Mailand brach ihm Francesco Baresi die Nase. Dazu gesellte sich auch noch eine ordentliche Gehirnerschütterung, weswegen Miura schnurstracks im Krankenhaus landete. Insgesamt absolvierte er für Genau 24 Spiele und erzielte dabei genau einen Treffer. Aber der hatte es in sich, und zwar im Derby gegen Sampdoria. „Das Derby zu gewinnen durch einen Treffer von mir war ein einmaliges Erlebnis, noch heute erinnere ich mich an diese Emotionen", erzählte Miura der Gazzetta dello Sport.

In Japan nahm man ihn mit offenen Armen wieder auf.

Miura im Zweikampf mit einem uzbekischen Spieler in einem Quali-Spiel für die WM 1998. Foto: Kimimasa Mayama

Und zurück in der Heimat schoss er wieder Tor um Tor und stieg auch in der Nationalmannschaft zur Legende auf. 1994 gelangen Miura in 14 WM-Quali-Spielen 12 Buden. Zur Weltmeisterschaft in den USA durften er und seine Mannschaftskollegen aber dennoch nicht fahren, weil man gegen Saudi-Arabien scheiterte. Umso tragischer wog dann aber Miuras WM-Aus 1998. Denn dieses Mal hatte sich Japan für die Endrunde qualifiziert. Doch Trainer Takeshi Okada ließ seinen besten Stürmer – obwohl der allein 1997 in 19 Spielen 18 Mal traf – einfach zu Hause. Okada war ein Disziplinfanatiker, dem sein Star ein bisschen zu brasilianisch-exzentrisch auftrat. Seine Nicht-Berücksichtigung traf ihn hart und läutete gleichzeitig den Anfang vom Ende von Miuras Nationalmannschaftskarriere ein.

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Um sich von diesem Keulenschlag abzulenken, wechselte Kazu wieder nach Europa. Genauer gesagt landete er 1999 bei Dynamo Zagreb in Kroatien. Doch auch dort konnte er seinen Killerinstinkt vor dem Tor nur selten zeigen. Sein größter Erfolg bei seinem Auslug auf den Balkan war ein Spiel in der Champions League, wodurch er zum ersten Japaner beim wichtigsten Vereinswettbewerb Europas wurde. 2005, im Alter von 38 Jahren, wechselte er zurück nach Japan zu Yokohama FC, wo er noch heute, also rund 12 Jahre später, spielt.

Miura bei seiner Ankunft in Sydney, wo er für den FC auch ein paar Spiele abgespult hat. Foto: Will Burguess/Reuters

Um es doch endlich mal zu einer WM zu schaffen, sattelte Miura kurzerhand zum Futsal um und nahm mit Japan 2012 bei der WM in Thailand teil. Da war aber schon in der ersten Runde Schluss, ein Tor gelang ihm leider auch nicht. Trotzdem liest sich sein Lebenslauf gar nicht mal so verkehrt: vier Meisterschaften in Japan, dazu noch Meister mit Dinamo Zagreb.

Trotzdem glauben viele Japaner, dass karrieretechnisch noch mehr drin gewesen wäre, vor allem bei seinen Auslandsengagements, wenn er etwas weniger exzentrisch und egozentrisch verlangt wäre. Was nicht heißen soll, dass ihm der japanische Fußball nicht unfassbar viel zu verdanken hätte.

„Wenn ich nicht Fußballer geworden wäre, hätte ich glaube ich nicht leben können", mutmaßte einmal Miura, der allergisch auf die Presse reagierte, in einem seiner wenigen Interviews, die man sich auf YouTube anschauen kann.

Man könnte aber auch sagen: Wenn er nicht gelebt hätte, hätte Tsubasa niemals in seine Fußstapfen treten können. Darum sagen wir: Danke, Kazu!