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​Bei dm kannst du jetzt Pfefferspray kaufen

Deutschland bewaffnet sich—mit Zahnpasta, Waschpulver und Pfefferspray.

Pfefferspray in einer dm-Filiale | Foto: imago | Stefan M Prager

In den Märkten der Drogeriekette dm können sich die Deutschen seit einigen Wochen neben Zahnpasta und Waschpulver auch mit Pfefferspray bewaffnen—für 5,59 Euro. Auf der Packung steht zwar "Tierabwehrspray", diese Bezeichnung ist aber nur notwendig, damit das Mittel frei verkauft werden darf. Die meisten Kunden dürften wissen, dass das reizende Spray vor allem zur Selbstverteidigung gegen menschliche Angreifer eingesetzt wird. Gegen die wirkt es genauso effektiv wie gegen Tiere.

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Warum dm das Spray verkauft? Es habe "vermehrt Anfragen von Kundinnen" gegeben, erklärte Geschäftsführer Sebastian Bayer gegenüber dem Tagesspiegel. Die Resonanz sei "überwiegend positiv".

Das Spray verkauft sich offenbar sehr gut und das ist kein Wunder: Immer mehr Deutsche haben das Bedürfnis, für den Fall der Selbstverteidigung aufzurüsten. "Nach den Ereignissen in Köln haben Leute direkt gesagt, dass sie Angst haben wegen der sexuellen Übergriffe", erklärte ein Waffenhändler seinen gestiegenen Umsatz vor Kurzem gegenüber VICE. Pfefferspray sei gerade ein absoluter Verkaufsschlager, er werde zwischen 20 und 30 Flaschen am Tag los. Und es kämen immer mehr Frauen, erklärte der Mann. Und für die, die nicht so gerne in Waffenhandlungen gehen, springt jetzt eben dm ein.

Nicht alle sind über das erweiterte Sortiment begeistert. Der Tagesspiegel fragte auch bei der Konkurrenz nach, ob man bald nachziehen würde. Ein Sprecher der Kette Rossmann verneinte das aber entschieden: "Wir sind ein Drogeriemarkt. Bei uns gibt es keine Schlagstöcke, keine Pistolen und auch kein Pfefferspray."

Auch die Waffenhändler sind von der Entscheidung der Drogeriekette nicht begeistert. Nicht nur weil ihnen dadurch möglicherweise Umsatz entgeht. Man solle erst einmal lernen, mit Pfefferspray richtig umzugehen, bemerkt Ingo Meinhard, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler. "Sonst nebelt man sich am Ende noch selbst damit ein", zitiert ihn der Tagesspiegel. Andererseits kann man auf Plattformen wie Amazon schon längst Pfefferspray bestellen, ohne vorher irgendeine Art Training absolvieren zu müssen.

Normalbürger dürfen Pfefferspray eigentlich gar nicht gegen Menschen einsetzen, das bleibt der Polizei vorbehalten. Wenn man allerdings angegriffen wird, darf man sich natürlich mit allem zu Wehr setzen, was gerade greifbar ist—auch ein Spray, das man natürlich nur dabei hatte, um die lästigen Waschbären im Garten zu vertreiben. In Deutschland gibt es einige Fälle, in denen sich Frauen mithilfe von Pfefferspray erfolgreich gegen Angreifer wehren konnten. Die Polizei rät trotzdem von dieser Art Schutzbewaffnung ab, weil sie einem ein "trügerisches Sicherheitsgefühl" gebe, wie es ein Berliner Polizist formuliert.

Vielleicht hält die Alarmbereitschaft aber auch nicht ewig an. Als wir den Angstforscher Borwin Bandelow vor ein paar Monaten zu dem Thema befragten, erklärte er uns, dass solche Ängste meist bald wieder abnehmen: "Wenn ein einschneidendes Ereignis eine Gesellschaft in Hysterie versetzt, flacht diese in der Regel in der heutigen Zeit nach vier Wochen wieder ab."

Bleibt zu hoffen, dass er Recht behält.