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Interview

Wir haben Mickie Krause gefragt, warum Grönemeyers EM-Song so schlecht ist

Mickie Krause weiß, wie man Turnier-Lieder macht. Er kann es sich sogar leisten, sich in einem Turnier-Lied über Turnier-Lieder lustig zu machen. Ein Gespräch über Mitgröl-Faktoren und Grönemeyers schrecklichen EM-Song.
Foto: Imago

Egal, was auch in dieser großen weiten Welt passieren mag, Mickie Krause wird immer Stimmung in die Bude bringen. Auch wenn Donald Trump mit einer maskierten Anonymous-Tausendschaft kurz mal in Kontinental-Europa einreitet, wird Mickie Krause immer noch im Megapark auf Mallorca „Zehn Nackte Frisösen" trällern. Und wenn Leroy Sane am Weihnachtsabend 2022 Deutschland zur Weltmeisterschaft schießt, wird Mickie Krause in irgendeiner Après-Ski-Hütte mit „Oh, wie ist das schön" den Soundtrack dazu liefern.

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Will sagen, Mickie Krause wird immer für Stimmung sorgen, weil er weiß, wie es geht und vor allem, weil er weiß, was die Deutschen mögen. Und Deutsche grölen nun mal gerne. Egal, ob im Riu Palace (Gott hab es seelig) oder beim Fußballgucken. Mickie Krause nennt ein nicht zu unterschätzendes Repertoire an Fußballsongs sein Eigen, von denen es einige in die Charts geschafft haben.

Er hat sogar einen Turniersong gemacht, in dem er sich über Turniersongs lustig macht. Bei jedem Turnier versuchen sich immer wieder Sänger und Bands an Turniersongs, was meist in die Hose geht. Wir haben Mickie Krause angerufen, um zu fragen, was ein guter Turniersong braucht und was er von Herbert Grönemeyers EM-Song hält.

VICE Sports: Als du mal bei Markus Lanz saßt, solltest du von einer wahnsinnig witzigen Geschichte beim Public Viewing in Koblenz erzählen. Doch Lanz hat es nicht mehr geschafft, dich zu fragen. Kannst du dich noch an die Geschichte erinnern?
Mickie Krause: Stimmt, das war das eine Mal, als ich völlig deplatziert bei Lanz saß, zwischen Fußball-Cracks und Moderatoren. Die Situation war 2002 bei der WM in Japan und Südkorea. Die Spiele waren immer früh morgens. Da bin ich in Koblenz am deutschen Eck um sieben Uhr aufgetreten und die Leute haben schon wie die Verrückten Alkohol getrunken. Ich musste morgens vor dem Spiel natürlich auch schon trinken. Das ist alles, an was ich mich noch erinnern kann.

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Trittst du bei dieser EM auch wieder beim Public Viewing auf?
Ich habe das Gefühl, dass die EM noch gar nicht richtig angekommen ist. Aber ich trete natürlich auch wieder auf. Ich bin Sonntag in Remscheid, am 16.6. in Frankfurt gebucht und je nachdem, wie die Vorrunde aussieht, auch wieder bei einem der beiden Events.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen deinem klassischen und dem Publikum beim Public Viewing?
Beim klassischen Publikum ist es so, dass die Mickie Krause sehen wollen und zu meinen Songs abfeiern wollen. Beim Public Viewing geht es in erster Linie um Fußball. Wenn ich in der Commerzbank-Arena in Frankfurt vor 25.000 Leuten auftrete, dann feiern 20.000 mit und 5.000 hören weg.

Sind Fußballfans anspruchsvoller?
Joa, durch mein relativ großes und recht bekanntes Repertoire habe ich weniger Probleme, fußballsong-technisch bei den Leuten anzukommen. Der Fußballfan steht ja auch an sich für Party, von daher habe ich nicht so viele Probleme, wenn ich mit Titeln wie „Reiß die Hütte ab", „Supa Deutschland" oder „Oh, wie ist das schön" auf die Bühne gehe. Dann hat man das Publikum relativ schnell.

Es gibt auch dieses Jahr unglaublich viele EM-Songs, aber keiner ist wirklich hängen geblieben. Was braucht es denn für einen Fußballhit?
Ein Patentrezept für einen Fußballhit gibt es nicht, auch nicht für einen Partyhit. Es muss einfach Mitgröl-Charakter haben. Es darf nicht zu textlastig sein und der Refrain ist viel wichtiger als alles, was in der Strophe stattfindet.

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Kann man den Song „Schalala, nach Hause" mit Radio FFM als Persiflage auf Fußballsongs verstehen?
Den haben wir ja schon vor zwei Jahren in einer WM-Version gemacht. Das war nach Andreas Bouranis Lied der am meisten gekaufte WM-Song. Ich habe die neue Version von Jan Zerbst bekommen und fand die sofort witzig. „Mario Götze, der WM-Torschötze"—textlich finde ich die Nummer sensationell. Aber es ist nicht unbedingt ein Song, mit dem ich beim Public Viewing überzeugen kann. Dazu ist er zu textlastig. Der Refrain ist gut und geht sofort ins Ohr, aber live funktioniert „Oh, wie ist das schön" oder „Supa Deutschland" besser.

Kannst du erklären, was den Mitgröl-Charakter ausmacht?
Es kann häufig auf ein Wort ankommen. Bei dem Song „Nur noch Schuhe an" bestanden die Produzenten darauf, ihn mit „Nur die Schuhe an" zu komponieren. Zum Glück haben wir aus dem „die" noch ein „noch" gemacht, sonst wäre es nicht so erfolgreich geworden. Bei einem Turniersong spielen die Wörter auch eine sehr große Rolle. „So sind wir, für jedes Tor ein Bier" bleibt sofort im Kopf, ob ich nüchtern bin oder 20 Bier getrunken habe. Man muss den Song im Grunde in jeder Situation mitsingen können.

Also Begriffe wie „Falsche Neun" oder „Abkippender Sechser" sollten vermieden werden.
Ja, in der Einfachheit liegt der Erfolg. Gerade auch der Erfolg meiner kompletten Songs. Bei dem Lied „Die immer lacht" zum Beispiel: Der Song hat ja eigentlich gar nichts und auf der anderen Seite doch sehr sehr viel. Er ist so erfolgreich, weil er extrem schlicht gehalten ist.

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Trotzdem gibt es Turniersongs wie „Auf Uns" von Andreas Bourani, die im Grunde nichts mit Fußball zu tun haben, aber trotzdem durch ein Turnier zum Monsterhit werden.
Na ja, da passte natürlich alles. Der Text ist sensationell. Die Musik, der Gesang dazu, der vermittelt dir sofort das Gefühl: Jetzt geht's los, jetzt bist du der 12. Mann. Da kann man nur den Hut vor ziehen. So einen Song schreibt man aber auch nicht alle vier Jahre. Hinzu kommt aber auch die hohe Radio- oder Medien-Präsenz, die ein Andreas Bourani, Mark Forster oder jetzt auch Herbert Grönemeyer genießen. Ich sag mal so: Die ganzen WM-Dinger, die Herbert Grönemeyer gemacht hat, fand ich nie so prickelnd. Ich glaube auch, wenn er nicht die Radio-Präsenz hätte, wäre „Zeit, dass sich was dreht" niemals ein Erfolg geworden.

Sein neuer EM-Song mit Felix Jaehn wurde von Kritikern auch ziemlich zerrissen. Irgendwie fühlt der sich nicht an. Was hat da nicht gepasst?
Das wollte ich auch gerade sagen. Da fehlt einfach das Gefühl. Man merkt, da hat einer gesagt: „Ich muss mit aller Gewalt einen EM-Song schreiben, weil das von mir verlangt wird und ich einen Deal mit ARD, ZDF oder wem auch immer habe."

Man hat das Gefühl, dass Hinz und Kunz auf YouTube einen EM-Song raushauen. Am Ende ist es doch immer das Gleiche und das virale Potenzial nicht im Ansatz da.
Das stimmt. Ich mache das, weil meine Plattenfirma zu jedem Turnier einen Fußballsampler herausbringt. Bei der EM 2008 war ich in einer Woche mit drei Fußballsongs in den Charts, da hat man gemerkt, dass die Leute diese Art von Musik zumindest in einem Zeitraum von vier Wochen hören wollen. Wenn ich diese vier Wochen musikalisch für mich verwerten kann, wenn ich zum Beispiel beim Public Viewing drei, vier Fußballsongs singen kann, da kommt auch für mich eine gewisse Abwechslung ins Spiel. Auf der anderen Seite versucht jeder, dieses Fußballgefühl für sich aufzuschnappen. Deswegen machen Hans und Franz einen Fußballsong.

Quantität ist leider nicht Qualität.
Das ist genauso mit den ganzen Ballermann-Leuten. Jeder, der aus dem Dschungel kommt, denkt, er könne zumindest auf Mallorca auftreten und zumindest als DJ oder als Sänger arbeiten, weil wir musikalisch auch nicht ernst genommen werden. Wenn's so einfach wäre, dann schreibt man nur noch große Sommer- und Partyhits, dann muss ich mir keine Gedanken machen. Wenn du eine Helena Fürst hast, die im Dschungel war, da nichts konnte und auf Mallorca ihr Glück versucht, dann wird unsere Arbeit irgendwo geschmälert.

Das Interview führte Toni Lukic, folgt ihm auf Twitter: @sopranovic