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Dr. Riem Hussein– Eine Apothekerin pfeift in der Dritten Liga

Riem Hussein wird nach Bibiana Steinhaus die zweite Schiedsrichterin, die im deutschen Profifußball der Männer pfeift. Auf sie wartet ausgerechnet die hitzige Dritte Liga.
Imago/DeFodi

Dr. Riem Hussein wird zur neuen Saison die zweite Schiedsrichterin, die im deutschen Profifußball der Männer pfeift. Sie soll künftig in der Dritten Liga eingesetzt werden. Diese Nachricht sprach sich rum. Bei der Vorstellung von Hussein vor zwei Wochen gab es einen großen Medienandrang. Sie schien das nicht zu stören. Mit Pferdeschwanz, lässiger Jeans und Blazer betrat sie den Raum. Sie wirkte locker und fokussiert. Der DFB stellte sie selbsterkennend zur Schau, doch eine Sonderbehandlung braucht sie gar nicht.

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Die 34-Jährige kennt sich auf beiden Seiten bestens aus. Als Stürmerin des MTV Wolfenbüttel spielte sie sich bis in die zweite Liga, schoss dort 18 Saisontore und beendete 2005 ihre Karriere. Sie kennt die Tricks der Spieler und die genauen Abläufe im Zweikampf auf höchstem Niveau. „Meine Erfahrungen als ehemalige Spielerin helfen mir nun bei meinen Entscheidungen als Schiedsrichterin", erzählte die Tochter palästinensischer Auswanderer. Ihr Antrieb Schiedsrichterin zu werden, entstand 2001, als sie selbst noch auf dem Feld stand. „In dieser Zeit wurde ich den Schiedsrichtern gegenüber immer kritischer. Ich habe mir dann überlegt, dass wenn ich schon meckere, ich auch selbst als Schiedsrichterin aktiv werden muss", erzählt sie.

Hussein pfeift seit 2006 in der Frauen-Bundesliga, 2009 wurde sie FIFA-Schiedsrichterin und pfiff 2010 das Pokal-Finale der Frauen. 2011 arbeitete sie als Expertin für das ZDF während der Frauen-WM in Deutschland. Im Jahr 2013 wurde sie dann zur „Schiedsrichterin des Jahres" gekürt. Im Männerfußball hat sie auch schon einen mehrjährige Erfahrung. Bereits seit sieben Jahren leitet die Unparteiische Partien in der Regionalliga.

Nach Bibiana Steinhaus ist sie erst die zweite Schiedrsichterin im deutschen Profi-Fußball der Männer. Steinhaus gab 2007 ihr Debüt als erste Schiedsrichterin überhaupt. Seitdem pfiff sie so oft in der Zweiten und Dritten Liga. In der Bundesliga ist sie als vierte Offizielle an der Seitenlinie zu sehen. Befürchtete negative Stimmen blieben selbst nach unabsichtlichem Busen-Grabscher eines Hertha Spielers aus. Der ständige Vergleich mit Steinhaus, die nur 50 Kilometer weiter aufgewachsen ist, stört Hussein nicht. „Es ist sicherlich gut für mich, dass Bibiana diesen Weg bis in die 2. Liga bereits gegangen ist. Aber ich habe meine eigene Persönlichkeit."

Einen Frauen-Bonus gab es für Husseins Beförderung in die Dritte Liga laut Herbert Fandel, Vorsitzender des Kontrollausschusses des DFB, nicht. „Einzig und allein ihre guten Leistungen hat sie bis in die 3. Liga gebracht", sagte Fandel. „Uns geht es nicht ums Alter oder ums Geschlecht, sondern nur um die Leistung", betonte er. Es sei „ein gutes Signal" für den weiblichen Schiedsrichter-Nachwuchs, dass Steinhaus und Hussein es in den Männerfußball geschafft haben. Hussein will Kritikern auf dem Platz antworten. „Ich versuche jetzt, in der 3. Liga meine Leistung zu bringen, damit es auch gerechtfertigt ist, damit ich am Ende sagen kann, es hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Es hat allein was mit der Leistung zu tun", sagte sie.

Hauptberuflich ist Hussein Apothekerin. 2009 promovierte sie im Fachbereich Pharmazeutische Technologie und führt gemeinsam mit ihren Geschwister die Apotheke ihres Vaters in Bad Harzburg. Am Wochenende warten dann hohes Spieltempo, ausverkaufte Stadien mit bis zu 30.000 Zuschauern und jede Menge hitzige Derbys. Die 1,63 Meter große Schiedsrichterin sieht sich dennoch der Aufgabe gewachsen. An diesem Wochenende darf sie aber noch nicht ran. Der DFB setzt sie am ersten Spieltag der Regionalliga Nord im Spiel Lüneburger SK gegen den SV Meppen ein.

Auf der Pressekonferenz vor zwei Wochen durfte die ein oder andere dumme Frage natürlich auch nicht fehlen. Wie das nun mal so ist, wenn alteingesessene Schreibtischtäter und junge Boulevardreporter vorbeikommen und ihnen eine junge Frau gegenübersitzt, die in den Männerfußball eindringt. Was denn ihr Name bedeuten würde? Hussein antwortete gelassen. „Das ist ein arabischer Name, die Bedeutung ist Rehkitz!" Dann verzichten wenigstens wir auf irgendeine Raubtier-Metapher in Bezug auf Frauen im Männerfußball.