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super bowl

Was der Fußball auf keinen Fall vom Football lernen sollte

Der Super Bowl war eine grandiose Show. Kann der Fußball davon lernen? Oder sollte er gerade das lieber lassen?
Foto: Imago

Auch ich habe mir letzte Nacht den Super Bowl gegeben. Hab mich euphorisieren lassen vom offenbar (ich bin ein Football-Amateur) grandiosen Spiel, den ewig auf voller Flamme kochenden Buschi („Super Bowl, wir lieben Dich!") und seine Gang um Icke mit der Waynes-World-Frisur. Von der Halbzeitshow und den perfekt inszenierten Unterbrechungen. „Football", dachte ich, „ist eigentlich ganz geil." Dann schickte ich meinem Kumpel eine Voicemail:

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„Eigentlich gar keine so schlechte Idee: die Halbzeitpause länger zu machen und dafür mit richtig guter Unterhaltung füllen—muss ja nicht Bruno Mars sein. Und zumindest Viertelpausen einführen, maximal fünf Minuten, die besten Szenen noch mal richtig gut aufbereitet, und die Möglichkeit für die Trainer, erneut an der Taktik zu schrauben."

Mein Kumpel schickte mir eine Antwort, die ich den Lesern nicht vorbehalten möchte, beweist sie doch erstens, was für ein schlimmer Opportunist ich morgens um halb 3 sein kann und zweitens ein wunderbares Loblied auf die Faszination Fußball ist:

„Jetzt bist du aber betrunken, Fred. Das ist doch das Einzige, was den Fußball ausmacht: die langweiligen Passagen und auch die vogelwilden Passagen. Das ist nicht so statisch. Das kannste nicht voraus planen. Taktik wird spontan über den Haufen geworfen. Spieler bekommen Wadenkrämpfe, weil nicht mehr gewechselt werden kann und weil es keine Time-Outs gibt. All das willst du kaputt machen für Show? Was ist nur aus Dir geworden, Fred?"

Ich dachte nach. Trank weiter. Sah mir die Übertragung bis zum Ende an, erst als sich die drollige Sat1-Runde verabschiedet hatte und Buschi endlich der Mund zugeklebt worden war (enttäuschenderweise NICHT mit den Haaren von Icke), wuchtete auch ich mich mit letzter Kraft ins Bett. Über so wichtige Fragen muss der Mensch erstmal schlafen.

Morgens schrillte mich die Stimme von Buschi wach, sie sitzt wie ein Tinnitus im Ohr und krakelt immer wieder: „Super Bowl, wir lieben Dich!" Ja, auch jetzt, wenige Stunden nach dem kunterbunten Schlussakt des 50. Super Bowls und dem so unglaublich amerikanischen Abschied (?) von Quarterback-Viersterne-General Peyton Manning, behaupte ich als Football-Laie, dass dieser Super Bowl ein großartiger war und ist. Aber ich schämte mich auch ein wenig für meine anbiedernden Kommentare.

Denn mein Kumpel hatte ja recht. This is football. Und zwar der für uns Nicht-Amerikaner einzig wahre Fußball. Ein aus langer Tradition erwachsenes Spiel, dass durch zusätzliche oder längere Pausen eher entstellt, denn aufgebotoxt werden würde. Es sind exakt diese 45 Minuten Freiraum, die Fußball von den Action-Spektakeln American Football oder Handball entscheiden. Manchmal, in seinen größten Momenten, wird diese Freiheit von den Akteuren sehr anarchistisch interpretiert. Dann entfaltet der Sport seine Wirkung. Oder wären die 102 Final-Sekunden von 1999 möglich gewesen, wenn Ottmar Hitzfeld mit riesigen Kopfhörern nach dem 1:1 eine Auszeit genommen hätte? Schalkes Vier-Minuten-Meisterschaft? Die kleinen Verrücktheiten, die selbst an jedem stinknormalen Bundesliga-Spieltag passieren? Sehr wahrscheinlich nicht.

Und noch etwas vergaß ich in meiner morgendlichen Begeisterung für Football. Die Fans. Herzstück des Fußballs. Wichtiger Bestandteil der Supershow Football, des Spektakels Handball. Aber so enthusiastisch Fans in diesen Sportarten auch sein mögen—sie haben einfach nicht die Zeit und die Freiheit, ihre Mannschaft wirklich zum Sieg zu peitschen. Das machen im Football die richtigen taktischen Ideen und die kurzen Geistesblitze auf dem Feld. Es wäre vermutlich sehr ketzerisch zu behaupten, dass der Football seine Fans nicht braucht. Natürlich braucht auch er sie. Aber der Fußball wäre tot ohne Fans. Football, Handball und Co. könnte man zur Not auch noch künstlich am Leben erhalten.

Ich halte fest: Das war ein großer Spaß heute morgen. Es tut gut, als Fußball-Fan auch mal über den Tellerrand hinaus zu gucken. Begeisterung ist durchaus erlaubt. Und doch bleibe ich in dieser Hinsicht konservativ. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Otten, Junge, bleib bei deinem Fußball. War trotzdem schön gestern.