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Ich will endlich wieder euren Hass!

Das Einzige, was für einen Bayern-Fan schlimmer ist als das Champions-League-Aus ist Mitleid. Merkt euch eins: Ihr könnt uns nicht am Samstag hassen und am Mittwoch für uns sein.
Foto: Imago

Wenn ein Satz das Leitmotiv meiner Liebe zum FC Bayern ausdrücken kann, dann ist es dieser gut 14 Jahre alte Satz von Oliver Kahn. Als ich Anfang Mai in einer Berliner Eckkneipe schockiert vor einem TV-Gerät stand und mit ansehen musste, wie mein geliebter FC Bayern aufs Peinlichste im Champions League-Halbfinale gegen Barcelona versagte, konnte ich spüren, warum. Höhnisches Gelächter und jubelnde Fußballfans, die sich endlich darüber freuen konnten, dass Bayern mal auf den Sack bekommen hat. In meinem Inneren machte sich trotz der Niederlage ein Grinsen breit. Da war er wieder, der Hass, an dem ich mich als Bayernfan laben kann. Der Hass, der jedem Titel das i-Tüpfelchen aufsetzt.

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Mein Verhältnis zum FC Bayern war anfangs ambivalent. Als Baby in einen Bayernstrampler gesteckt, lief ich wenig später mit einem Elber-Trikot—der erst kurz zuvor vom VfB Stuttgart zum FC Bayern wechselte—durch einen schwäbischen Kindergarten. Bitte verzeiht mir, liebe Anhänger des FC St. Pauli, aber mehr Punk geht im deutschen Fußball eigentlich gar nicht. In einer pubertären Phase der Selbstfindung ging ich dann allerdings—weil ich dachte, als im Schwabenland lebender Jugendlicher macht man das so—zum VfB Stuttgart und versuchte, die Bayern zu hassen. Aber irgendwie kickte das nicht richtig—im Gegenteil. Hier wurde einem Erfolg gegönnt. Niemand schaute einem komisch hinterher, wenn man im weißen Trikot mit rotem Brustring durch die Straßen lief. Aber die Bayerntrikots in meinem Schrank—insbesondere das von mir heiß geliebte goldene—die hatten das Potenzial, die Gemüter zu erregen.

Wie oft rief mir jemand Zeilen aus dem berühmten Schmähsong der Toten Hosen entgegen, wenn ich in Bayern-Kluft—und ich besitze mittlerweile nicht wenig davon—durch das Land fuhr. Wie oft sang ganz Deutschland Hand in Hand:

„Bayern hat verloren".

Und noch viel öfter konnte man triumphierend zurücklächeln, denn egal gegen wen der FC Bayern verloren hatte, spätestens im nächsten Jahr wurde die Schale wieder auf dem Marienplatz präsentiert. Spätestens dann war wieder alles in Ordnung. All die Meisterschaften von Dortmund (2002), Werder (2004), Stuttgart (2007) und Wolfsburg (2009) schienen nur Ausnahmen zu sein, welche die Regel bestätigten.

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Auf internationaler Ebene gestaltete sich das leider schon immer ein bisschen anders. Irgendwer kam irgendwie auf die dumme Idee, nationale Interessen in den Vereinswettbewerb zu interpretieren und sie mittels 5-Jahres-Wertung zu begründen. Auf einmal freuten sich mittwochs die Leute mit dir, die dir samstags noch den Tod wünschten. Als der FC Bayern nach zwei Jahren ohne nennenswerten Titel nun Schritt für Schritt ins „Finale dahoam" einzog, spürte ich statt Verachtung in meinem Rücken auf einmal ein Klopfen auf der Schulter. Das Einzige, was schlimmer ist, kam dann nach der Finalniederlage: Mitleid.

Auch das nächste Jahr wurde nicht besser, sondern nur noch schlimmer. Überragend die Meisterschaft vorzeitig gesichert und mit 4:0 und 3:0 gegen den FC Barcelona ins Champions-League-Finale eingezogen. Versteht mich nicht falsch, das war wohl mit die geilste Zeit in meinem bisherigen Leben als Bayern-Fan, aber irgendwas fehlte dennoch. Dass mit Borussia Dortmund der größte Konkurrent der Bundesliga ebenfalls ins Finale einzog und somit nicht ganz Fußballdeutschland hinter dem FC Bayern stand, ließ nicht darüber hinwegsehen, dass eine gönnerhafte Stimmung gegenüber dem FC Bayern herrschte. Eine Stimmung, in der einem erzählt wurde, was für eine großartige Mannschaft der FC Bayern doch habe. Eine Stimmung, in der ich Reizfiguren wie Effenberg und Kahn schmerzlichst vermisste. Eine Stimmung, in der sich die Toten Hosen auf dem Deichbrand für ihren Song rechtfertigen müssen, anstatt davon auszugehen, dass sie sich mit ihrem Hass im allgemeinen Volkskonsens bewegen. Eine Stimmung, in der ich mich an die einzige wirkliche echte Reizfigur klammern musste.

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Und diese spielte damals noch gar nicht beim FC Bayern, sondern saß noch verletzt bei den Spielen seines aktuellen Vereins auf der Tribüne. Doch die Verpflichtung des wohl schönsten und tollsten Fußballers der Welt—Mario Götze—erregte die Gemüter. Das Selbstverständnis des FC Bayern, mindestens der beste Verein Deutschlands zu sein, bedeutete auch immer, die bestmöglichen Spieler in den eigenen Reihen zu haben. Als deutscher Fußballer dauerhaft Titel zu gewinnen und regelmäßig in der Champions League mitzuspielen, bedeutet wiederum auch immer, entweder ins Ausland oder zum FC Bayern München zu gehen. Auf dieser rein rationalen Ebene war die Zweckehe zwischen Götze und dem FC Bayern also komplett logisch, zumal dort ein Trainer coachen sollte, den Götze schon immer bewundert hat. Aber auf der emotionalen Ebene erzeugte sie genau jenes Gefühl in der Bundesrepublik, das mir die Titel versüßt. Blanker, reiner Hass. Doch in Anbetracht der allgemein herrschenden Stimmung war das Ganze nur ein schwacher Trost.

Doch dann kam Guardiola und der sympathische Triplesieger Heynckes wurde durch einen perfektionistischen Fußballnerd ersetzt. Einer, der durch sein absolutes Streben nach Erfolg perfekt in die Philosophie dieses Vereins passt. Und so legte sich langsam die gönnerhafte Stimmung. Als Wendepunkt darf man wohl den 3:0-Sieg der Bayern in Dortmund im November 2013 betrachten, als Guardiola den BVB auscoachte und ausgerechnet Götze das 1:0 erzielte.

Applaudierte man bei der frühzeitigen Meisterschaft 2013 noch, so betrachtete man die noch frühzeitigere Meisterschaft 2014 dann als Affront gegen die gesamte Bundesliga. Eine Deklassierung einer gesamten Fußballnation, die—spätestens seit dem Champions-League-Finale 2013—vom WM-Titel träumte. Und schon breitete sich der Hass langsam wieder aus. Während die Spieler des FC Bayern gemeinsam mit den Fans im Olympiastadion die Meisterschaft feierten, ließen es sich einige Hertha-Fans in der Ostkurve nicht nehmen, die Feierlichkeiten mit Pfiffen und Buhrufen zu begleiten, und schafften so eine Atmosphäre, die ich brauche, um einen Titel richtig zu genießen. Doch die alte Ordnung war immer noch nicht wieder hergestellt.

Doch leider haben viele immer noch nicht verstanden, dass man das Team, das man bei Bundesliga- und Pokalspielen hasst, bei einem Champions-League-Spiel nicht mögen kann. Leider stellen immer noch Leute den deutschen Fußball über ihre eigenen Gefühle. Und so kommt es, dass ich mich immer wieder ärgere, wenn ich Champions-League-Spiele des FC Bayern in einer Kneipe sehe. So kommt es, dass ich—wie im Hinspiel in der zweiten Halbzeit vom Barcelona-Spiel damals—lieber alleine das Spiel im Radio höre, während ich über die Karl-Marx-Allee laufe, als mit anderen in einer Kneipe zu schauen. Es fehlt einfach was, wenn einem Siege gegönnt werden und es tut richtig weh, wenn man als Bayernfan mitleidige Blicke erntet. Ich sehe am 28. Mai nächsten Jahres die Schulterklopfer auf mich einprasseln: Irgendwie hätte ich euch das Finale gegönnt."