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Nicht mal die Polizei will weniger Gästefans

Auf der Innenministerkonferenz wurde gefordert, das Kartenkontingent für Gästefans reduzieren—wegen der erhöhten Gefahr von Ausschreitungen. Die Fans wollen sich das nicht gefallen lassen. Unterstützung bekommen sie ausgerechnet von der Polizei.
Foto: Imago

In Dortmund gibt es um die 8.000 und in Ingolstadt 1.500 Tickets—in der Bundesliga erhalten Gästefans bei Spielen in der Regel zehn Prozent aller verfügbaren Eintrittskarten. Das soll sich nun ändern, sofern es nach NRW-Innenminister Ralf Jäger geht. Auf der von Mittwoch bis heute tagenden Innenministerkonferenz in Koblenz soll eine Arbeitsgruppe über eine Reduzierung der Gästekarten in den Profiligen beraten. Diese Maßnahme soll die Gefahr von Ausschreitungen eindämmen, falls nicht genügend Einsatzkräfte der Polizei zur Verfügung stehen. Die Fans laufen gegen diese Pläne Sturm.

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„Hände weg vom Gästekontingent! Für den Erhalt der 10 Prozent Regel in den deutschen Stadien!", heißt die Online-Petition, die schon von mehr als 12.000 Fans unterschrieben wurde und sich an Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Innenminister der Länder, DFB, DFL und die Profivereine richtet. Auch vor der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle protestierten Ultras vom Inferno Koblenz. „Paris nicht instrumentalisieren", „Freiheit stirbt mit Sicherheit", „Reisefreiheit für Fußballfans", „Treat us right—Für eine freie Fankultur" oder „Fans! No Terrorists" war auf den Protestbannern der Fans von TuS Koblenz zu lesen. Unterstützung kriegen sie ausgerechnet von Politikern, Vereinsvertretern und der Polizeigewerkschaft.

„Es kann nicht sein, dass Fußballanhänger pauschal für die Personaleinsparungen bei der Polizei bestraft werden. So kann man den wenigen Gewalttätern bei Fußballspielen nicht Herr werden", erklärte Arnold Plickert, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein solcher Schritt sei, so Plickert, eine „Bankrotterklärung der Sicherheitspolitik". Plickert wolle sich stattdessen mit Gewalttätern der Szene auseinandersetzen. „Um die Gewalt rund um den Fußball nachhaltig bekämpfen zu können, muss die Polizei intensiver die Gewaltszene aufklären. Wir wollen die Täter gerichtsfest überführen, statt friedliche Fans vom Fußball auszuschließen", schildert Plickert.

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Die Töne von Plickert hören sich extrem gemäßigt für die sonst so ungeliebte Polizeigewerkschaft an. Das liegt einerseits daran, dass die GdP nichts mit der zweiten großen deutschen Polizistengewerkschaft (DPolG) um den Hauptkritiker von Fußballfans, Rainer Wendt, zu tun hat. Dieser fiel in der Vergangenheit immer wieder durch reißerische und öffentlichkeitswirksame Hetzkampagnen gegen Fans und Ultras auf. Anderseits erklärt Plickert, dass das Vorhaben der Innenminister beweise, wie berechtigt die GdP-Forderungen nach mehr Personal bei der Polizei seien.

Auf vielen Fanseiten wird der erneute Vorstoß von NRW-Innenminister Jäger harsch kritisiert und die Petition unterstützt, aber eben auch der eigentlich wünschenswerte Vorstoß der Polizei-Gewerkschaft und Plickert hinterfragt. „Das ist einerseits positiv, andererseits aber auch wohl politisches Kalkül, da Plickert sehr wohl weiß, dass Spiele mit geringerem Gästekontingent nicht automatisch für weniger Bedarf an Sicherheitspersonal sorgen", schreibt Arne Steinberg auf der Kölner Fanseite effzeh.de. Johannes Mäling, Initiator der Online-Petition und Herausgeber von Faszination-Fankurve.de, warnt vor den Folgen einer Reduzierung des Gästekontingents: „Fußballspiele mit reduziertem Gästekontingent haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die Polizei mit neuen Herausforderungen konfrontiert wird, die teilweise sogar zu mehr Einsatzstunden führten." Nach der Reduzierung von Gästekontingenten gab es in der Vergangenheit nämlich immer wieder Demonstrationen der Fans gegen Einschränkungen der Reisefreiheit.

Dietmar Beiersdorfer, Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV, sprach sich ebenfalls gegen weniger Tickets für Gästefans aus. „Eine Reduzierung der Gästekartenkontingente ist keine Alternative", erklärte er in einem Interview auf der Homepage des Bundesligisten. Weniger Fans heißt für ihn nicht gleich mehr Sicherheit: „Nach dieser Logik würde man ja letztlich zum Schluss kommen können, alle Spiele komplett ohne Zuschauer auszutragen."

Die Dortmunder Ultras The Unity sehen in Jägers Plänen „eine ähnlich hohle Kerbe wie die Forderung der Abschaffung von Stehplätzen oder der Versuch, Straftaten durch Materialverbote zu reduzieren." Das Thema wird Fußballdeutschland wohl noch auf längere Zeit beschäftigen, schreibt auch effzeh.de. „Es wird abzuwarten bleiben, inwieweit die Politik die jüngsten Entwicklungen in ihre Entscheidungsfindung einarbeitet, allerdings muss in deutlicher Form davor gewarnt werden, die Terroranschläge in Paris in irgendeiner Form für eine Restriktion der Fankultur in Deutschland zu instrumentalisieren."

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