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Der etwas andere Spielerberater mit dem Handschlag-Prinzip

Spielerberater Manfred Schulte betreibt sein Geschäft offen und transparent. VICE Sports sprach mit ihm über die tatenlose Fifa, seinen Handschlag-Deal mit Robert Huth und wie man die Summen auf dem Transfermarkt senken kann.
Foto: Prosoccer.de

Sie setzen Vereine unter Druck, lassen sich fürstliche Honorare auszahlen und werben Kinder an—durch die vielen schwarzen Schafe in der Branche haben Spielerberater bei den Fans den Ruf als geldgierige Geschäftsmänner. Seitdem die Berater-Lizenz der Fifa abgeschafft wurde, wird der lukrative Markt noch härter umkämpft. Es locken die großen Millionen von den künftigen Messis und Ronaldos. Doch das Beratergeschäft hat nicht nur seine Schattenseiten.

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Manfred Schulte versucht schon seit zwanzig Jahren, das Beratergeschäft mit Transparenz und Vertrauen zu betreiben. Er tätigte als Geschäftsführer der Spielerberatung Prosoccer schon mehr als 150 Transfers und vertritt unter anderem die Bender-Zwillinge und Robert Huth vom Premier-League-Tabellenführer Leicester City. VICE Sports sprach mit ihm über sein Handschlag-Prinzip mit seinen Spielern, die tatenlosen Verbände und seine einfache Idee, um die horrenden Summen auf dem Transfermarkt zu senken.

VICE Sports: Was tut ein Spielerberater zwischen den Transferperioden?
Manfred Schulte: Die landläufige Meinung ist: Der sitzt im Keller und zählt sein Geld. Aber so ist es natürlich nicht. Man sucht neue junge talentierte Spieler, mit denen man zusammen arbeiten könnte. Man kümmert sich zudem um die Spieler, die ein Problem haben, verletzt sind oder gerade nicht spielen. Dazu kommt natürlich die administrative Abwicklung der gemachten Transfers, und man schaut jede Menge Fußball.

Vor Ort oder kann man das auch vor dem Fernseher tun?
Man muss auf Fußballplätzen und in den Stadien sein. Von der U17 über die U19 bis hin zu den DFB-Jugendteams. Da schaut man nach Talenten und schaut, ob sie das Potenzial haben, Profi zu werden. Sie sind bestimmt nicht der Einzige, der da steht, oder?
Es wird immer schwieriger, früher war es ganz anders. Die Konkurrenzsituation um das Werben von 16-, 17-, 18-Jährigen ist riesig. Grundsätzlich arbeite ich aber nicht mit Spielern, die noch nicht volljährig sind.

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Bleiben dann überhaupt noch aussichtsreiche Kandidaten übrig?
Ich habe mich vor zwanzig Jahren dafür entschieden, das Geschäft anders zu betreiben, aber andere Berater scheuen sich eben nicht davor, 15-Jährige zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Ich halte da nichts von, aber muss natürlich damit rechnen, dass die besten Spieler eines Jahrgangs schon weg sind.

Viele Ihrer Kollegen verfallen in eine Art Goldgräberstimmung, wenn es auf eine Transferperiode zugeht…
Man muss stark differenzieren zwischen Beratern, die kurzfristig einen Deal machen wollen, und denen, die langfristig mit Spielern zusammenarbeiten möchten, was sich dann auch über Jahre hinzieht. Wir haben natürlich auch sehr viele Kollegen, und da fällt mir der Begriff Kollege wirklich schwer, die sich in einen halb angebahnten Transfer oben drauf setzen wollen und versuchen den Berater, der es angebahnt hat, noch kurzfristig herauszudrängen. In diesem Geschäft ist viel Geld zu verdienen, aber nur wenn man sehr gute Spieler betreut. Und um die gibt es einen mit harten Bandagen geführten Kampf—das ist ein negativer Aspekt unseres Berufsstandes.

Dass es keine Lizenz mehr braucht, macht die Sache bestimmt auch nicht einfacher…
So ist es. Es gibt sehr viele, die sich Berater nennen. Sie versuchen, den Spielern klarzumachen, dass sie es am besten können und ihnen den besten Vertrag beim größten Klub besorgen. Für den Spieler und seine Familie ist das total schwer einschätzbar, wer vertrauenswürdig ist und wer nicht.

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Hat das Lizenzsystem überhaupt einen Sinn gemacht?
Das Lizenzsystem war gut und sinnvoll, doch es hatte ein Problem: Es war eine Straßenverkehrsordnung ohne Polizei. Und dann fährt jeder, wie er will. Man konnte das Geschäft also seriös betreiben, aber da sich erst die Fifa und danach Verbände wie der DFB nie um die Einhaltung der Regeln gekümmert haben, machte es keinen Sinn. Ich kann mich nur an einen Fall Ende der 90er erinnern, als der 1. FC Köln mal bestraft worden ist, weil er beim Transfer des Rumänen Ion Vladoiu mit einem nichtlizensierten Berater verhandelt hat.

Ein weiteres Problem sind Verwandte, die als Berater agieren.
Als Spielerberater kann es nur eine Grundvoraussetzung geben: Ich kann nur jemanden beraten, wenn ich mehr Know-How habe als derjenige, den ich beraten will. Das ist bei sehr vielen Leuten in diesem Geschäft nicht gegeben. Bei Verwandten kommen der emotionale Aspekt und die Marktunkenntnis dazu. Das ist manchmal für den Verein total angenehm, weil sie den Spieler nicht marktgerecht einschätzen können und manchmal denken Familienangehörige, dass ihr Verwandter beim FC Barcelona am besten aufgehoben ist.

Wie könnte das Beratersystem in Zukunft besser funktionieren?
Wir brauchen für das Berufsfeld feste Regeln, an die sich alle halten, und eine Institution, die ansonsten Strafen konsequent ausspricht. Das gilt sowohl für Agenten als auch für die Spieler und Klubs. Aber da sind wir Lichtjahre von entfernt. In England hat das wegen drakonischer Strafen ganz gut funktioniert—da durften manche Agenten oder Klubs etwa keine Transfers mehr durchführen. In Deutschland hat es nie funktioniert. Trotzdem hat es der Fifa nur Arbeit gemacht und man konnte auch kein Geld damit verdienen, also haben sie die Lizenz wieder abgeschafft. Jetzt haben wir eine merkwürdige Registrierung, die meiner Meinung nach sinnlos ist. Jetzt kann da jeder herumturnen, wie er lustig ist.

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Robert Huth ist einer der Spieler, die bei Ihnen unter Vertrag stehen…
Da muss ich Sie unterbrechen. Ich würde das normalerweise bejahen, aber ich mache das alles wie gesagt etwas anders. Mit Robert arbeite ich schon fast 15 Jahre zusammen, aber ich brauche keinen Vertrag mit ihm. Die Spieler sind bei mir frei und können tun und lassen, was sie wollen. Wenn er mir vertraut, arbeitet er mit mir zusammen, wenn nicht, dann eben nicht. Unerlässlich sind natürlich die Verträge nach einem Transfer, die die Rahmendaten festhalten—da unterzeichnet der Spieler etwas, damit alles völlig transparent ist.

Robert Huth spielt seit Jahren in der Premier League. Welche Unterschiede gibt es zwischen England und Deutschland?
Man soll es kaum glauben, aber das englische System ist, was den Profifußball, die Transfers und die Verträge angeht, viel bürokratischer als das deutsche. Es gibt viel größere Vorschriften, sonst wird nichts angenommen.

Und wie kann man sich so einen Vorgang vorstellen?
In England ist meine Erfahrung, dass sich die Vereine einigen, wenn der Spieler noch unter Vertrag ist. Erst dann kommt der Berater ins Spiel und es werden die Verhandlungen mit dem Spieler geführt. Da kann es auch sein, dass sich der abgebende Verein mit drei anderen Klubs auf eine Ablösesumme geeinigt hat und dann kann der Berater mit den drei Vereinen verhandeln. In Deutschland herrscht hingegen der wilde Westen. Ich erinnere mich da an eine Aussage von Rainer Calmund: „Wir sind uns mit dem Spieler klar, jetzt ist der Verein XY am Zug." In England darfst du ohne das OK des Vereins nicht mit einem Spieler sprechen, sonst zahlst du gerne mal eben 100.000 Pfund Strafe.

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Die Spielergewerkschaft Fifpro beschwerte sich jüngst bei der EU über das jetzige Transfersystem und will es umstürzen. Scheinbar profitieren nur die großen Vereine. Braucht es eine Änderung?
In Belgien oder den Niederlanden gibt es keine großen Einnahmequellen wie den Verkauf von TV-Rechten, also profitieren diese Klubs aus den kleinen Ligen von den hohen Ablösesummen, um ihr Minus auszugleichen. Das macht also nicht viel Sinn.

Die Fifpro hat als Vereinigung der Spielergewerkschaften natürlich auch ganz andere Interessen…
Ja, sie wollen natürlich durchsetzen, dass die Spieler leichter den Verein wechseln können. Aber wie in der freien Wirtschaft auch, muss man sich als Spieler an Zeitverträge halten. Man gibt damit den Spielern alle Vorteile und benachteiligt die Vereine grob. In allen Ehren, das ist die Aufgabe der Fifpro, aber für die Gesamtheit des Fußballs mit allen Marktteilnehmern ist dies nicht gut.

Viele Fans stören sich vor allem an den inflationären Ablösesummen. Wie könnte man die umgehen?
Ablösesummen machen an sich einen Sinn, wenn ein Verein einen guten Spieler abwerben will. Es müsste eine Obergrenze für die Zeitverträge der Profis geben. Wenn man festlegen würde, dass Profifußballverträge nur noch drei Jahre laufen würden, dann ist auch keiner mehr bereit, 60 Millionen Ablöse für einen Spieler zu bezahlen, weil der ja in 36 Monaten ablösefrei wird. Das wäre der einfachste und sicherste Weg, hohe Ablösesummen auf ein vernünftiges Maß zurückzuschrauben. Wenn man das überhaupt möchte.

Besteht im Fußball also kein Interesse, Grenzen für Ablösesummen zu setzen?
Die Fifa müsste etwas ändern, was sie jedoch nicht macht, weil sich auch damit kein Geld verdienen lässt und sie momentan ganz andere Probleme hat. Vor der Kirch-Krise hatten wir schonmal ein ähnliches Problem. Die Ablösesummen stiegen stark an, weil alle der Meinung waren, dass in das Feld Profifußball jedes Jahr immer automatisch mehr Geld kommt. Das stimmt aber nicht. Irgendwann werden die Fernsehsender nicht noch mehr Geld für die TV-Rechte bezahlen und die Zuschauer nicht noch mehr Geld für die steigenden Ticketkosten haben. Das wird sicher kommen und dann haben die Vereine massive Probleme, die durch Gehälter und hohe Ablösesummen viele Verpflichtungen haben.

Die Bundesliga würde also wesentlich besser damit klar kommen als die Premier League?
Das deutsche System mit Lizenzierung und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist eigentlich ganz vernünftig. Es scheint so, als ob es die deutschen Vereine weniger hart treffen würde als die englischen oder italienischen Klubs. Die nehmen zwar viel Geld ein, aber leiden unter einer starken Überschuldung.

Sie betreuen auch Lars und Sven Bender, die auf den Einkaufslisten englischer Vereine stehen sollen. Haben die deutschen Vereine bei Vertragsverhandlungen künftig überhaupt noch eine Chance gegen den Krösus Premier League?
Diese leicht übersteigerte Hysterie der deutschen Fußballmanager kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Der Spieler entscheidet ganz alleine, ob er wechseln möchte. Es gibt auch Spieler, die nicht dahin gehen, wo es mehr Geld gibt, sondern die zufrieden sind mit ihren Vereinen. Für die deutschen Nationalspieler kommen auch nur die sechs besten englischen Klubs in Frage. Es will ja keiner von denen zu West Bromwich Albion wechseln und gegen den Abstieg spielen. Zudem dürfen die Vereine auf der Insel auch nicht mehr als 25 Spieler im Kader haben, haben schon gute Spieler und suchen auf der ganzen Welt nach Spielern. Natürlich gehen einige nach England, weil sie 30 oder 40 Prozent mehr verdienen können, aber das trifft nicht auf alle zu. Es wird keinen Massenexodus nach England geben.

Das Interview führte Benedikt Niessen, folgt ihm bei Twitter: @BeneNie