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Trap hatte noch nicht fertig—die rettende Lüge von Pressesprecher Hörwick

1998 schenkte uns Bayern-Trainer Trapattoni den schönsten PK-Ausraster der Buli-Geschichte—und ein Stück Popkultur. Doch eigentlich wollte Trap noch ein paar mehr Schimpfwörter loswerden.
Foto: Imago

Am 10. März 1998 kam es an der Säbener Straße zu einem fußballhistorischen Augenblick. Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni hatte zu einer Pressekonferenz geladen—und sollte in knapp drei Minuten für die wohl berühmteste Wutrede der Bundesligageschichte sorgen. Eine Rede, die bei Journalisten wie Sprachwissenschaftlern gleichermaßen Jubelstürme auslöste. Was die Wenigsten wissen: Trap wollte noch eine Zeter-Zugabe geben, wurde aber durch eine Notlüge von Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick aufgehalten.

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Auslöser für Traps Wutrede—so schreiben zumindest die meisten Sportgazetten—sei die 0:1-Niederlage auf Schalke gewesen. Doch in Wahrheit hing der Haussegen bei den Bayern schon länger schief. Denn vor der Schalke-Pleite verlor man auch gegen den 1. FC Köln und davor bei Aufsteiger Hertha BSC. Drei Niederlagen in Serie, nur Platz zwei in der Tabelle. Und das Schlimmste. Man stand hinter dem Aufsteiger 1. FC Kaiserlautern, der von keinem Geringen als Otto Rehhagel trainiert wurde. Also genau von dem Trainer, der kein Jahr zuvor noch während seiner ersten Saison vom Bayern-Hof gejagt wurde, obwohl ihm Franz Beckenbauer ursprünglich einen 5-Jahres-Vertrag aufschwatzen wollte. Genau dieser Rehhagel schickte sich jetzt an, die Bayern zu blamieren und als erster Coach das Unmögliche möglich zu machen und mit einem Aufsteiger die Meisterschüssel zu holen.

Der Druck auf Trapattoni war also enorm. Was auch daran lag, dass es bereits seine zweite Amtszeit bei den Bayern war, die erste—die nur ein Jahr andauerte—blieb titellos. Auch in den Jahren davor ging nicht viel bei den Bayern, die Anfang und Mitte der 90er ein Schatten ihrer Selbst waren. Obwohl es nicht an Spotlight fehlte: Es war nämlich die Zeit des FC Hollywood. Kaum Titel, dafür viel Gossip. Die Vereinsführung lechzte also nach sportlichen Erfolgen, und für die sollte bitte Signor Trapattoni sorgen.

Doch die sprachliche Barriere zwischen Trainer und Mannschaft war einfach viel zu groß (und war auch schon für die erste Trennung 1995 mitverantwortlich). Wie wenig man Trap auf Deutsch verstehen konnte, wurde spätestens bei seiner Wutrede deutlich. Und wie viel er anscheinend von Dolmetschern hielt, auch.

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Den Bayern-Fans haben Traps klare Worte durchaus gefallen. Foto: imago

Traps Rede war in erster Linie eine öffentliche Abrechnung mit drei Spielern: Mehmet Scholl, Mario Basler und vor allem Thomas Strunz. Die hatten es nach der Schalke-Pleite gewagt, sich vor Journalisten zu beschweren, dass sie gegen Schalke nur eingewechselt bzw. frühzeitig ausgewechselt wurden. Dafür sollten die drei „Rebellen" an einem nasskalten Dienstagnachmittag im März eine rhetorische Abreibung alla Trap erhalten.

Doch um die zu verstehen, musste man schon sehr genau hinhören, sprachliche Fantasie mitbringen und am besten auch noch Italienisch-Grundkenntnisse haben. Denn keinen Satz in der PK kann man als korrektes Deutsch bezeichnen. Stattdessen konnten sich Kontaktlinguisten die Hände reiben, Traps Kauderwelsch war ein sprachwissenschaftlich interessantes Crossover von Italienisch und Deutsch. Das gilt auch für einen seiner bekanntesten Aussprüche, wie eine Flasche leer. Deutsche Lexik meets italienische Syntax, also deutsche Wörter, die in eine italienische Satzstruktur reingezwängt werden (im Italienischen steht das Adjektiv in der Regel nämlich hinter dem Substantiv). Und auch die Werbeindustrie frohlockte: Sein Ausspruch Ich habe fertig wurde zu einem geflügelten Wort, das sich Unternehmen und sogar Parteien für ihre Zwecke unter den Nagel rissen.

Weil er in München noch nicht fertig hatte: Ein Trap-Schmankerl aus seiner Zeit bei Red Bull Salzburg.

Deutlich weniger wird Stru(uu)nz frohlockt haben, denn der kam bei Traps Hasstirade am meisten unter die Räder. Bis heute denken wohl die wenigsten bei seinem Namen an den Spieler, der mit der deutschen Nationalmannschaft 1996 den EM-Titel gewonnen und mit den Bayern insgesamt vier Meisterschaften—darunter eine unter Trap—geholt hat. Wir denken an den Spieler, der als verletzungsanfälliger Stänkerer von Trapattoni bloßgestellt wurde. Zu seinem großen Pech in einer PK, die Kultstatus erlangen sollte und bis heute in keiner Bundesliga-Rückschau fehlen darf. Obwohl man Trap zugute halten muss, dass Strunz mit seinen 97 Liga-Einsätzen in fast sechs Jahren nun wirklich nicht zu den Dauerrennern der damaligen Bayern-Mannschaft zählte.

Übrigens kann sich Strunz bei seinem damaligen Pressesprecher bedanken, dass er nicht noch mehr von seinem Coach abgewatscht wurde. Denn mit einer cleveren Notlüge verhinderte Markus Hörwick, dass Trap—als er eigentlich schon fertig hatte—zu den fassungslosen Journalisten für einen Nachschlag zurückkehrte. Im Gang zwischen Presse- und Trainerraum war ihm laut Welt-Informationen nämlich eingefallen, dass ihm noch ein paar mehr Dinge auf der Seele brannten.

Auch die Dortmund-Fans fanden seine Wutrede super. Foto: imago

Hörwick—der schon mit einem schlechten Bauchgefühl in die Pressekonferenz gegangen war—wollte unbedingt verhindern, dass die PR-Katastrophe ein noch größeres Ausmaß annimmt. Also schickte er Trapattoni schnell ins Trainerzimmer und versprach nachzuschauen, ob überhaupt noch jemand da wäre. Natürlich war der Raum noch proppevoll mit Journalisten, sich gegenseitig ungläubig die Aufzeichnungen vorlasen. Hörwick aber eilte zu Trap und verkündete, dass alle ausgeflogen waren. Raum wie eine Flasche leer.

Genutzt hat Traps Wutrede auch nicht. Im nächsten Spiel, zu Hause gegen den VfL Bochum, sollte der deutsche Rekordmeister nicht über ein 0:0 hinauskommen. Auch am letzten Spieltag war Enttäuschung die vorherrschende Stimmung an der Säbener Straße. Denn anstatt die 15. Meisterschaft einzufahren, landete man hinter Lautern auf dem zweiten Platz. Ein (kleines) Happyend gab es für die Bayern und Trap doch noch. Durch ein 2:1 gegen den MSV Duisburg—Traps letztes Spiel als FCB-Coach—konnte man zumindest den DFB-Pokal für sich entscheiden. Entscheidender Torschütze in letzter Minute: „Rebell" Mario Basler.