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Hockey

Wie es ist, als deutscher Hockey-Star in Indien ersteigert zu werden

Hockey-Star Moritz Fürste ist der wohl bekannteste Hockey-Spieler Deutschlands und Topverdiener in der Hockey India League. Wir wollten wissen, ob er in Indien ein Mega-Star ist.
Foto: Imago

Moritz Fürste ist der Hockeystar schlechthin. Nach zwei Olympiasiegen und der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio beendete der 32-Jährige zwar seine Nationalmannschaftskarriere, doch international ist er immer noch unterwegs. Am Wochenende ging er das vierte Mal in der lukrativen „Hockey India League" an den Start. Fürste, der für 105.000 Dollar (rund 98.000 Euro) von den Kalinga Lancers aus der ostindischen Tempelstadt Bhubaneswar ersteigert wurde, ist mit der gleichen Summe auch Bestverdiener bei dem einmonatigen Wettbewerb im hockeyverrückten Indien.

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Sein Können unterstricht er gleich: Sein Team gewann die ersten beiden Spiele am Wochenende und er wurde beim Auftakt gleich zum MVP gewählt. Aber Moritz Fürste ist mehr als nur ein Hockeyspieler. Der Hamburger arbeitet neben seiner Karriere im Sportmarketing, ist ein absoluter Sportfan und setzt sich auf seinen Social-Media-Kanälen immer wieder als Sprachrohr für die kleineren Sportarten ein. „Es gibt in Deutschland zu wenig mediale Plattformen für andere Sportarten außer Fußball", ist er sich sicher. VICE Sports sprach mit ihm über den Kulturschock in der indischen Provinz, wie es sich anfühlt, ersteigert zu werden, und wie kleine Sportarten endlich die mediale Aufmerksamkeit bekommen können, die sie verdienen.

VICE Sports: Am Wochenende geht die Hockey India League los und du wohnst nun einen Monat in der indischen Tempelstadt Bhubaneswar. Wie groß ist der Kulturschock?
Moritz Fürste: Ich war nun schon öfter hier bei dem Wettbewerb und weiß genau, was auf mich zukommt. Da ich letztes Jahr schon bei genau dem Team war, kenne ich auch schon meine direkte Umgebung. Als ich das erste Mal nach Indien kam, war natürlich alles total absurd und spektakulär. Inzwischen hat sich eine Routine eingependelt und die Tage sind gut geplant. Wir trainieren viel, aber es herrscht auch viel Leerlauf. Dann hängt man viel im Gym oder im Hotelzimmer. Ich schau meistens Serien.

Nimmst du auch Kontakt zur Bevölkerung auf?
Indien ist eine andere Welt, wie ein anderer Planet. Ich habe zwölf Inder in der Mannschaft und habe so schon direkten Kontakt zu Einheimischen, die uns auch viel erzählen oder zeigen. Aber dass man hier durch die Straßen spaziert und mit Leuten redet, ist etwas utopisch. Das würden Inder in Deutschland ja so auch nicht machen. Zudem gibt es gar nicht die Möglichkeit, mal einen Kaffee trinken zu gehen, es gibt hier einfach nichts. Das ist indische Provinz.

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Ihr seid Stars in Indien und spielt vor zehntausenden Zuschauern. Ist es ein befriedigendes Gefühl, wenn die eigenen Leistungen auch mal außerhalb von Olympia von so vielen Menschen wertgeschätzt werden?
Befriedigung würde ich nicht sagen, aber es ist schön, dass es in Indien diese Reichweite und Anerkennung für Hockey gibt. Hier ist Hockey Nationalsport und ein Millionenbusiness. Das ist für uns alle—sowohl die internationalen als auch die indischen Spieler—sehr spannend und auch lukrativ. Ich bin vor allem sehr dankbar und glücklich, dass ich das erleben darf und diese Liga im Laufe meiner Karriere noch geschaffen wurde.

Du wurdest für 98.000 Euro „ersteigert", wie fühlt man sich dabei, bei einer Auktion das Objekt der Begierde zu sein?
Ich habe überhaupt kein Problem damit ersteigert zu werden—weder moralisch noch ethisch. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass es die fairste und sinnvollste Art und Weise ist, so eine Mannschaft zusammenzustellen. Alle haben die gleichen Voraussetzungen und Möglichkeiten, einen Spieler zu verpflichten. Es gibt keinen Lobbyismus und keine Absprachen unter der Hand mit irgendwelchen Geldern. Es ist alles sehr transparent und offen. Und es stehen vielmehr die sportlichen Aspekte im Vordergrund. Eigentlich fand ich es sogar aufregend und ziemlich cool, ersteigert zu werden.

Warum interessiert sich in Deutschland trotz der Erfolge der Nationalmannschaft kaum jemand für Hockey?
Das ist natürlich nicht so einfach zu beantworten, hat aber sicherlich mit der Plattform zu tun: Die Menschen haben nur alle vier Jahre bei Olympia die Möglichkeit, die Sportart im Fernsehen zu sehen. Wenn man nur alle vier Jahre etwas konsumieren kann, ist es wahnsinnig schwer für die Menschen am Ball zu bleiben—vor allem wenn man kein eingefleischter Fan ist, sondern die Sportart erstmal nur interessant findet.

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Auch bei der laufenden Handball-WM verzichteten die öffentlich-rechtlichen Sender auf die TV-Rechte…
Diese Medien werden alle ihre Gründe haben, meistens vermutlich wirtschaftliche. Am Ende des Tages ist es einfach schade, dass die Fans die Handball-WM nicht im Fernsehen sehen können. Das Gleiche gilt auch für eine Hockey-WM—auch wenn die nochmals weniger Zuschauer hätte. Alle Sportarten hätten es verdient, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Und nur über eine TV-Präsenz gibt es ein größeres Publikum und damit ein gesteigertes Sponsoreninteresse, welches genug Geld bringt, damit sich strukturell etwas ändert. Die Streamingdienste sind eine Möglichkeit für kleinere Sportarten, aber es bleibt abzuwarten, ob diese eine relevante Reichweite bekommen. Das Problem ist: Es gibt in Deutschland zu wenig mediale Plattformen für andere Sportarten außer Fußball.

Oftmals wird der Fußball als das große Übel im Sport festgemacht. Ist der wirklich dafür verantwortlich, dass die anderen Sportarten es so schwer haben?
Ich sehe den Fußball gar nicht als unseren bösen Gegner. Christian Seifert von der DFL hat mal einen spannenden Satz gesagt: Der Fußball würde am meisten davon profitieren, wenn noch andere Sportarten größer werden. Ich glaube, er hat recht. Durch das Monopol des Fußballs geht der Wettbewerb flöten. Man denkt nicht mehr über Besserungen nach. Auch ein Austausch auf Augenhöhe fehlt. So ist der Fußball nur der große Bruder, der entweder gehasst oder geliebt wird—oder beides. Ich sehe den Fußball nicht in der Verantwortung, etwas zu ändern, wieso sollte er auch? Ich sehe vor allem die Medien in der Pflicht, anderen Sportarten die Möglichkeit der Entfaltung zu geben.

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Du arbeitest im Sportmarketing und bist Experte: Darts oder die UFC haben es aus der Randsport-Welt geschafft—vielleicht auch wegen des Party-Publikums oder Kerlen wie Conor McGregor. Muss eine Sportart nicht selbst für Aufmerksamkeit sorgen?
Zu hundert Prozent, das wäre das Wunschszenario. Aber die Verbände haben oftmals keine Möglichkeiten, sich irgendwie zu vermarkten oder große Eventideen zu verwirklichen. Bei ihnen arbeiten meist nur Ehrenamtler, denen das Know-How zur Selbstvermarktung oder das Geld dafür fehlt. Die UFC wie auch Darts sind Eventsportarten, die nach und nach professionell und mit Geldern eine TV-Präsenz geschaffen haben. Und natürlich braucht es auch Typen dafür, aber es muss nicht in jeder Sportart den völlig durchgeknallten McGregor geben.

Sondern?
Die Sportarten müssen ihre eigenen Geschichten erzählen und so Verbindungen zu den Menschen schaffen. Ich bin mir sicher: Wenn man einer Sportart über ein Jahr eine relevante Sendezeit geben und sie so hochwertig wie die Fußballbundesliga produzieren würde, dann wird es genug Fans geben und es würde funktionieren—egal bei welchem Sport. Die Nachfrage ist da und die Leute würden einschalten. Man muss ihnen aber die Chance geben, denn niemand wird Volleyball-Fan, wenn er es nur dreimal im Jahr sehen kann.

Du hast tausende Social-Media-Follower und dich als öffentliche Person kennt man auch abseits des Hockeys, weil du aneckst, authentisch bist und dich vielfältig engagierst. Ist das auch eine Methode für Sportler sich zu vermarkten?
Definitiv, wenn das passt, dann halte ich das schon für klug. Aber: Das Entscheidende ist die authentische Art.

Gehört zu dieser Authentizität auch, dass Sportler sich bei den großen Turnieren und Veranstaltungen mehr zu Menschenrechtsverletzungen oder anderen Missständen in den jeweiligen Ländern äußern sollten?
Wenn Sportler zu politischen Themen eine Meinung haben, dann ist es sehr sehr wichtig, diese zu teilen und sich dazu zu äußern. Ich finde es aber schwierig, wenn gefordert wird, dass sich Sportler vermehrt zu politischen Themen äußern sollen. Es gibt Verantwortungsbereiche und man kann von Sportlern nicht große politische Statements erwarten. Vor jeden Olympischen Spielen gibt es die Thematik in Bezug auf die Menschenrechtssituation vor Ort. Ich halte es für schwierig, wenn man jetzt von den Sportlern erwartet, dass sie sich bei konkreten Fällen auskennen und ihre Meinung kundtun. Es sollten sich nur die Leute äußern, die sich damit auskennen.

Wie zum Beispiel die Verbände und deren Offizielle, die politischen Aussagen oftmals aus dem Weg gehen. Muss sich dann der Druck der Sportler auf die eigenen Verbände erhöhen?
Ja, sie sind die Politiker. Die Verbände müssen sich auf dieser Ebene für den Sport sowie die Sportler einsetzen und auch schauen, wo man Großturniere veranstaltet und was man vor Ort sagen kann.

Ist das diesjährige Turnier in Indien dein letztes?
Ich werde nun erstmal dieses spielen und für meine Zukunft habe ich noch keine Pläne. Im Oktober ist die nächste Auktion, mal sehen, ob ich da dabei bin.

Das Interview führte Benedikt Niessen, folgt ihm bei Twitter: @BeneNie