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Chris Benoit

Das tragische Vermächtnis des Chris Benoit

Vor acht Jahren schockte Chis Benoits Selbstmord und sein Mord an seiner Frau und seinem Sohn die Welt. Benoit litt durch die Schläge auf seinen Kopf an Alzheimer. Heute noch will sich die WWE an den Namen Benoit nicht erinnern.
Photo By Stan Liu-USA TODAY Sports

Es gibt nur eine Handvoll professionelle Wrestler, die es schaffen, ihre Karrieren aus den Tour-Bussen zu katapultieren und in der breiten Pop-Kultur zu landen: Hulk Hogan, Andre the Giant, Stone Cold Steve Austin oder The Rock. Wahrscheinlich ist gerade vor deinem innern Auge ein Bild dieser Personen abgelaufen, wie sie da in Siegesposen stehen. Bis du zu dem schelmischen, zahnlosen Grinsen von Chris Benoit gekommen bist.

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Vor acht Jahren fand die Polizei den Körper von Benoit, seiner Frau Nancy und ihrem siebenjährigen Sohn Daniel in ihrem Haus in Fayetteville im US-Bundesstaat Georgia. Schnell wurde klar, dass Benoit seine Frau und seinen Sohn erdrosselt und erstickt und sich dann selbst an einem Krafttrainingsgerät erhängt hatte. In der Nacht, in der er sich das Leben nahm, hätte er eigentlich seine dritte WWE-Schwergewichts-Meisterschaft bestreiten sollen.

Natürlich konnte die Presse aufgrund der Öffentlichkeit des Wrestling-Sports nicht wegschauen. Etwas, das vor Benoits schrecklicher Tat nur zu häufig die gängige Methode war. Die Schattenseiten zu vertuschen und nicht zu zeigen, was abseits des Rings passierte.

Es dauert nicht lange, bis man im Internet eine Liste von frühen Todesfällen, fiesen, gewalttätigen Verbrechen findet, die sich hinter der Wrestling-Geschichte verbergen und noch nicht in den Abend-Nachrichten aufgetaucht sind.

Dies steht im Einklang mit der historischen Ansicht im professionellen Wrestling. Für den Normalbürger ist und war das Pro-Wrestling-Geschäft schon immer eine Freak-Show, die von armen Leuten angeschaut wurde und mit gescheiterten, drogenabhängigen Athleten gespickt war. Und alles, was seine Fehler hat, Drogenabhängige und arme Leute involviert, sollte besser ignoriert werden, sonst wird sich darüber lustig gemacht.

Benoit in Stuttgart, 2004 — Foto von d-Fens via Creative Commons

Aber mit dem letzten großen Boom des professionellen Wrestlings wuchs auch die Akzeptanz der Sportart, obwohl es noch immer irgendwie seltsam war. Der regelmäßige Wrestling-Weltmeister Benoit lebte während seiner Tat nicht in einem Wohnwagen, sondern in einer Villa und verbrachte den Großteil seiner Karriere in der Oberschicht. Und der Ort, an dem er lebte, spielt eine große Rolle. Nichts an diesem Verbrechen wäre vor 10 oder 20 Jahren so passiert.

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An der Seite von Meldungen über Bruiser Brody, der in der Dusche in Bayamon erstochen wurde oder Vince McMahon, der angeblich Jimmy Snuka rettete, nachdem Letzterer seine Frau umgebracht hatte, wäre Benoit lediglich eine grausame Randnotiz gewesen.

Chris Benoit wurde vom Gerichtsmediziner aufgeschnitten, bevor die Medien damit aufgehört hatten, über Steroide und Drogen zu sprechen. Nach Angaben von Dr. Julian Bailes, fanden sie das Gehirn eines 85-jährigen, alten Mannes, der an Alzheimer litt.

Benoits Gehirn war nach lebenslangen Schlägen gegen den Kopf und der Tatsache, dass er auch noch immer wieder in Dinge hineingesprungen war, völlig zerstört.

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Am Ende waren die Schuldigen an Benoits Familiendrama, die Steroide, Alkohol und der Rest, doch vor allem waren es die Schädigungen seines Gehirns, die er sich mit großer Sicherheit während seiner professionellen Wrestling-Karriere zugezogen hatte.

Dies war auch der Punkt, an dem ein klarer Umschwung sichtbar wurde. Die WWE war schon seit Längerem auf dem Weg zu einem Produkt mit Altersbeschränkung zu werden. Vor allem wurde dies durch die standardmäßigen Stuhlhiebe auf den Kopf der Kämpfer deutlich. Jene intensiven Schläge und hochbrisanten Stöße gegen den ungeschützten Schädel, die jeder der Wrestler während der Kämpfe erlitt. Doch nach Benoits Autopsie, begannen diese nach und nach zu verschwinden.

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Es muss angemerkt werden, dass diese Schläge zwischen 1997 und 2007 ein großer Bestandteil des Show-Programms der WWE waren. Sie waren Ausrufezeichen, die immer dann eingesetzt wurden, wenn einer der bösen Jungs seine Brutalität beweisen musste oder einer der guten, seine aufopferungsvolle Hingabe für den Gerechtigkeitssinn unter Beweis stellen wollten.

Selbst als die über-sexualisierte Atmosphäre der "Attitude-Era" zurückging, war es immer noch gerne gesehen, wenn die Kämpfer sich mit dem Stuhl eins überzogen.

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Im Nachhinein ist es wohl mehr als lächerlich und traurig zu denken, dass nie irgendjemand ernsthaft geglaubt hat, dass es eine schlechte Idee sei, jemandem mit einem Stück Metall eine überzuziehen—bis vor Kurzem. Aber hier ist eine Menge Ignoranz und Unwissen im Spiel und diese hielten Stuhlschläge für eine schon fast kriminelle Zeit am Leben. Ein weiterer Punkt an dem der Mordfall von Chris Benoit sich mit allgemeinen, gesellschaftlichem Denken kreuzt. Wäre es in den Untersuchungen nicht um das Verbrechen gegangen und hätten sich die Medien nicht um die Hirnverletzungen geschert, stünden die Chancen gut, dass die Diskussion im Wrestling um dieses Thema noch weiter entfernt von dem wäre, als sie heute ist.

Chris Nowinskis ist ein Spezialist auf dem Gebiet von Gehirnerschütterungen, und obwohl sein Buch ein Jahr vor den Benoit-Mordfällen herausgebracht wurde, erhielt es bis nach dem Verbrechen nicht die Aufmerksamkeit, die es verdient gehabt hätte. Nowinski war zu dieser Zeit ein frisch zurückgetretener WWE-Wrestler und zudem ein Ex-Footballspieler der Harvard-Universität. In jungen Jahren verließ er den Sport, nachdem er mit den Folgen von Gehirnerschütterungstraumata zu kämpfen hatte, um sich intensiv mit der Prävention und Behandlung von Gehirnerschütterungen zu beschäftigen.

Nowinski sah sich am Kreuzungspunkt dreier Welten: Pro-Wrestling, Football und der Erforschung von Hirntraumata. Durch das Drama um Chris Benoit wurde Nowinskis Anliegen in neue Höhen katapultiert. Und das nicht, weil er ein grausamer Opportunist ist; das ist er gewiss nicht. Er ist ein Experte, und zwar einer, mit persönlichen Erfahrungen, der einen Einblick in die dunkle Welt der Hirnverletzungen und zwei Sportarten, die wohl den meisten Schaden auf diesem Gebiet angerichtet haben.

Aus der medialen Aufmerksamkeit resultierte Geld, dass in die Stiftung Sports Legacy Institute ging, die Nowinski mitgegründet hat—und zwar nur 11 Tage, bevor die Geschichte ihre Kreise gemacht hat. Mit diesem finanziellen Rückhalt war die SLI der Vorreiter, wenn es darum ging, die NFL in Sachen Sicherheit bei Gehirnerschütterungen unter Druck zu setzen.

In den Jahren seit den Morden hat die WWE Chris Benoit aus seiner Geschichte gelöscht. Du findest keine Erwähnung von ihm. Du kannst seine Kämpfe nicht in ihren Archiven finden, obwohl sie da sind. Heute erzählt man sich von seinem Erbe, denn er war ein unglaublicher Ringer und ehemaliger Weltmeister. Doch letztendlich ist sein Verbrechen sein Erbe. Das und was nach dem Horror kam, das Erwachen von einem Traum in eine Welt, in der Wrestling und seine Kosten alles andere als fake sind.