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It's still real to me, damn it!

It's still real to me, damn it! Die VICE Wrestling-Kolumne

Wrestling und VICE - gut geölter Scheiß! MIt Swagmeister Ric Flair und einer neuen Folge der Mugshot-Matches.

Ich weiß, heute ist eigentlich Wrong Boner Tag und ich schulde euch einen Beitrag, der weniger mit Sommerproblemen wie heftigem Blasen und jüdischem Kopfweh zu tun hat als der letzte. Was ich nicht weiß, ist, ob ihr das eigentlich auch wisst oder ob ihr nicht viel eher schon jegliches Zeitgefühl verloren habt, weil ihr andauernd feiert wie junge Ric Flairs und eigentlich nur noch von eurem Selbstliebe-induzierten Boner aufrecht gehalten werdet.

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Aber egal, ob ihr jetzt jeden Dienstag nach (Hosen-)Knochen winselt und jeden Freitag geölte Männer-Geschichten erwartet oder ob euch nicht mal bewusst ist, dass es hier sowas wie einen geregelten Ablauf gibt, der eure Drogen-Gewohnheiten wie reines Chaos aussehen lässt – heute gibt es jedenfalls ein Mugshot Match mit Slick Ric und ich will von euch bitte kein Murren hören, weil ihr lieber eine neue "Indeed I Fap To That"-Herausforderung hättet, sondern einfach nur ein ordentliches, gepflegtes, schallendes, lallendes, lautes und klirrend hohes: "Wooooooooo!"

Also: Ding-ding-ding und los geht's:

Ich bin in einer Zeit groß geworden, als Geschirrspülmittel noch schlecht für die Haut und Ric Flair der coolste, größte Mutterficker der gesamten Wrestling-Welt war. Im Gegensatz zu anderen notorischen Bösewichten hatte er es nie nötig, mit Blendwerk wie Statur und Körperhaar aufzuwarten, sondern blendete uns lieber mit seinem penetrant hellen, wallenden Kopfhaar. Er musste auch nie den großen Macho raushängen lassen, weil wir ohnehin wussten, dass er selbst als Dandy ständig seinen kleinen Macho raushängen lassen konnte und sich in jedem Learjet trotzdem eine Biene finden würde, die ihm den Little Ric bis zum finalen "Wooooo!" wrestlen würde.

Heute ist Geschirrspülmittel längst zur pflegenden Handlotion geworden und verwandelt unsere Handflächen in porenreine Gummimuschis und unsere Fingerkuppen in Babyärsche. Aber Ric Flair ist immer noch der gleiche, gute alte Mutterficker von damals. Gut, die Mütter sind vielleicht ein bisschen älter geworden, aber das sind wir schließlich alle. Dass sich bei so viel Swag wie ihn Slick Ric aufs Tablett bringt, über die Jahrzehnte natürlich auch die eine oder andere Polizeiepisode angesammelt hat – ganz zu schweigen von legendären Partyeskapaden und Scheidungen –, versteht sich da ja ganz von selbst.

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Im heutigen Mugshot Match zwischen "The Nature Boy" und seinem natürlichen, ungeschminkten Selbst geht es deshalb nicht nur darum, ob Hochglanz oder Low-Key besser rüberkommen. Es geht um die brennende Frage, ob man besser mit Würde oder mit Federboa altert. (Dass ihr euch die Frage noch nie zuvor gestellt habt, zeigt nur, wie wenig Swag ihr eigentlich selbst habt und was für ein spezielles Mindset es braucht, um wie ein Flair bis ganz nah an den Zwergstern Why So Serious B heranzufliegen und sich die Federboaflügel am Glanz der eigenen Sprüche zu verbrennen.) Es geht einfach um alles, was zählt – zumindest, wenn man erst mal ein Alter erreicht hat, in dem es nicht mehr egal ist, was man isst, wie viel man trinkt oder wie kalt der Boden ist.

Und leider muss ich sagen: Dieses Match ist weniger der 5-Sterne-Klassiker von Ric Flair vs. Ricky "The Dragon" Steamboat bei Clash of Champions, sondern eher das Squash-Match von Ric Flair gegen Glen "Wer zum Teufel bist du und warum trägst du deinen Ellenbogenschoner bitte über dem Bizeps?" Ruth. Kurz: Es wird kurz. So kurz wie Glen(n) Ruths spätere Regentschaft als Hardcore-Champion, die ganze 45 Sekunden dauerte.

Denn egal, wie tolerant man gegenüber den ungeschönten Seiten des Alters auch sein mag, kann es nicht mal den Hauch eines Zweifels daran geben, dass der klassische Flair, der mit Anzug und Glattrasur mehr schlitzige Versautheit ins Fernsehen brachte, als Tom Sellek und John Holmes zusammen, der verdammte Sieger in verdammt noch mal jedem verdammten Match ist, selbst denen, die er offiziell "verloren" hat, weil er auch dann der einzige Grund war, warum Gewinner gegen ihn gut aussahen.

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Flair brachte den Reichtum ins Wrestling und das Dandytum zurück in die Sportwelt, die am Vorabend der Achtzigerjahre von Body-Nazis übervölkert zu werden drohte. Er war seit jeher ein Gott am Mikrofon, trotz seiner Schlaganfall-Gelalle, und konnte die besten Statements aus seinem exaltierten Ärmel schütteln, als wäre er die Koks-Version von Will Ferrel in Eastbound & Down (was er genau genommen auch WAR. Seine besten Sprüche sind: "I'm a limousine-rinding, jet-flying, kiss-stealing, wheeling, dealing son of a gun", weil er nun mal genau das war und mit seinem Anzug im Alleingang den Snobbismus salonfähig machte, und "Take a Ride on Space Mountain", womit er natürlich seinen Penis meinte. Und er konnte und kann immer noch bei jeder Gelegenheit wie auf Kommando losheulen, was meiner Meinung nach absolute Voraussetzung sein sollte, wenn man in einem Showsport Karriere machen möchte, wo man seine Gegner in zärtlicher Umarmung an seine Hoden presst.

Das hier auf dem Bild ist einer dieser Momente. Von wegen Schlosshund und so. Immerhin war es in diesem Fall sein Abschluss-Match, das er übrigens gegen den "Heartbreak Kid" Shawn Michaels verlieren durfte, was aber jeder Wrestling-firme Mensch ohnehin längst so verinnerlicht haben sollte, wie Physikstudenten die Tatsache, dass man das YouTube-Video mit dem Endlos-Bier auf Fachschaftsfesten nur dann nachstellen sollte, wenn man mit Muschis ausnahmslos abgeschlossen hat.

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Der echte Richard Fliehr mag ein netter, rührseliger Kerl sein, aber der authentische Ric Flair kann zusätzlich zu den (Konfetti-)Tränen und dem (Alters-)Schweiß auch ganz schön gut bluten und auch, wenn das alleine vielleicht noch keinen Helden aus ihm macht, gibt es doch zumindest die Gangart vor. Egal, wie viel Dandy-Drag er in ein Match brachte, Flair konnte im Ernstfall immer auch kämpfen. Flair war immer nur für eines da: und zwar, um zu representen, ohne Pause und auf ganzer Linie (die mit Sicherheit nie kürzer war, als die Koks-Lines, die er nach der Show zog).

Vor einigen Jahren war ich kurz am Flughaften von Charlotte, North Carolina (der Wahlheimat des adoptierten "Nature Boys") und alles war voll mit Referenzen auf den Homecoming-Hero und Fotos von seinem erschrockenen, gespitzten Lollipop-Mund, den man als Fan einfach nicht anschauen kann, ohne ein konditioniertes "Wooooo!" loszulassen.

Und wisst ihr was? Die Bilder, die man in Charlotte sieht, zeigen immer noch dieselbe federboabunte Showbiz-Version von Flair, die im Wrestling seit Jahrzehnten sämtlichen Entwicklungen hin zu mehr Realismus, mehr "Attitude" und mehr Street-Style standgehalten hat. Das ist natürlich ein bisschen unf(l)air, aber Slick Ric hat sich nun mal nicht unbedingt das Geschäft ausgesucht, in dem man für Echtheit und Fairness belohnt wird. Wenn überhaupt, zählen für uns Nerds räudige Authentizität und dreckige Tricks, und die bekommt man bei Flair seit jeher auch ohne, dass er seine Feuerwerks-Boa und sein Dandy-Dasein ablegen hätte müssen. Dass ihn seine letzte Scheidung nach seinem Karriereende in der WWE nun in die kleineren Wrestling-Ringe dieser Welt zurücktreibt und ihn zu einer Prequel-Version von Rourkes Charakter in The Wrestler machen, ist zwar traurig, aber leider auch eher für seine vier Wände und nicht für die drei Ringseile bestimmt.

Deshalb das Ergebnis:

Ganz recht. Was das Alter angeht, lernen wir daraus: Wer in jungen Jahren als Pfau anfängt, der sollte sich auch später nicht zum Hendl rupfen lassen. So ignorant das gegenüber menschlichen Nuancen und persönlichen Miseren auch wirken mag. Ich liebe meinen Flair und seine On-the-Road-Geschichten vom harten Partyfeiern mit Triple H und Shawn Michaels, aber einen Fliehr mit Sauf- und Rauf-Eskapaden kenne ich nicht.

Hart, aber wahr: Wer eine Statue sein will, der muss sich auch ankacken lassen. (Für jeden Taubenschiss polieren später sowieso drei unterbezahlte Hilfsarbeiter drüber.) Ich geh jetzt jedenfalls Helden-Videos schauen. Mahalo!