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homosexuelle fußballer

Warum hat die Bahn einen Werbespot über ein schwules Fußball-Paar gemacht?

Die Bahn zeigt in einem gelungenen Werbespot ein homosexuelles Fußball-Paar. Wir haben den Mitbegründer von Querpass Sankt Pauli gefragt, warum die Bahn den Werbespot produzierte und ob sich dadurch etwas verändern kann.
Screenshot: Youtube

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Deutsche Bahn zur EM einen Werbespot mit Fußballbezug veröffentlicht hat. Nicht ganz alltäglich ist jedoch der Inhalt. Der Spot behandelt das Leben eines homosexuellen Pärchens, der eine ist Fußballprofi, der andere Fan. Dirk Brüllau ist Mitbegründer von Queerpass Sankt Pauli, einem schwul-lesbischen Fußballfanclub des Kiezvereins. Wir haben mit ihm gesprochen und ihn um seine Einschätzung gebeten, warum die Bahn den Werbespot produzierte und ob sich dadurch etwas verändern kann.

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VICE Sports: Wie gefällt dir der Spot?
Dirk Brüllau: Ich finde ihn überraschend und gut, weil es schwierig ist, eine solche Botschaft ohne Worte gut rüberzubringen. Die Länge des Spots spielt da eine entscheidende Rolle, weil ausführlich gezeigt wird, dass er ein normaler Fußballfan ist, der einen Profi liebt und dessen Liebe auch erwidert wird. Für mich ist es ein cineastischer Liebesbrief. Den Spruch am Ende—„Verbindet mehr als A und B"—finde ich richtig stark.

Mich hat der Spot auch sehr an den Song „Der Tag wird kommen" von Marcus Wiebusch erinnert. Der wurde eigentlich über das Coming-Out eines Profis geschrieben.

Welche Reaktionen erwartest du?
Es wird wahrscheinlich nicht dasselbe Ausmaß wie das Coming-Out von Thomas Hitzelsberger haben, aber es wird sicherlich viel positive Rückmeldung kommen. Ich habe den Spot auch auf unserer Seite geteilt und die Reaktionen sind durchweg positiv, obwohl die Bahn nicht gerade sehr beliebt ist. Klar, es wird genauso wieder Leute geben, die etwas dagegen haben und aus dem Hintergrund schießen und sagen: „So einen Schweinskram wollen wir nicht sehen." Allerdings wird sich der Spot wahrscheinlich hauptsächlich in Schwulen- und Antidiskriminierungskreisen verbreiten und bei potenziellen AfD-Wählern wahrscheinlich gar nicht ankommen.

Glaubst du, dass der Spot an der Wahrnehmung von Homosexualität etwas ändern kann?
Ich befasse mich schon zu lange mit dem Thema Antidiskriminierung, um noch große Hoffnungen zu haben. Vor Jahren habe ich schon gesagt, dass die Schwulenbewegungen auf dünnem Eis unterwegs sind. In letzter Zeit sind sie durch die Flüchtlingsdebatten vielleicht etwas aus dem Fokus gerückt, aber es wird auch wieder gegen Schwule gehetzt werden.

Der Spot wird bei Leuten mit positiver Einstellung gut ankommen und bei denen, die Homosexualität ablehnen, wird kein Meinungsumschwung erreicht. Da bin ich leider mittlerweile desillusioniert.

Warum, denkst du, macht die Bahn das? Warum positioniert sie sich so klar—und aus heiterem Himmel?
Gute Frage, ich hoffe, dass es ein ehrliches Statement ist, aber sicherlich wird auch Product Placement eine Rolle spielen. Gerade jetzt im Vorfeld der ganzen CSD-Wochenenden macht es natürlich für die Bahn auch Sinn, ein positives Image in der Gay-Community zu erzeugen. Aber der Spot ist auf alle Fälle mit Liebe gemacht und man sieht, dass die Bahn sich damit auseinandergesetzt hat. Der Werbegedanke im Hintergrund stört mich nicht.

Würdest du dir wünschen, dass auch andere Firmen ähnliche Spots schalten und sich in dieser Sache positionieren?
Absolut, je mehr Normalität in dieses Thema kommt, desto besser. Homosexualität kann nur zur Normalität werden, wenn sich viele darüber in dieser Weise äußern. Ich würde mir wünschen, dass es beim nächsten evangelischen oder katholischen Kirchentag auch ein solche Botschaft gibt.

Findest du, die Bahn ist zumindest in diesem Thema pünktlich?
Da kommen wir wieder zum Thema Desillusion. Ich kann jetzt nicht sagen, ob es zu früh oder zu spät ist. Es ist einfach gut, dass es da ist. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass es solche Dinge schon in den 80er-Jahren gegeben hätte.