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Warum Takeshi’s Castle die geilste Gameshow aller Zeiten war

Das Blueprint einer Gameshow ist nach wie vor Takeshi's Castle. Es ist die Vorlage für viele internationale Shows. Dabei folgte sie einem simplen Gedanken: Verlieren ist so viel unterhaltsamer als gewinnen.
Screenshot: Youtube

Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage: Fast jeder von uns kennt—und feiert noch heute—Takeshi's Castle. Die japanische Sendung—die 1999 auf dem Spartensender DSF Deutschland-Premiere feierte—hat bis heute Kultstatus. Das Prinzip der Gameshow war relativ einfach: „General Tani" schickte bis zu 150 Kandidaten in diverse Challenges, um die Burg von „Fürst Takeshi" zu erobern. Wer am Ende nicht von sargförmigen Surfbrettern in Ekelbrühe purzelte oder als menschliche Bowlingkugel abgeschossen wurde, durfte sich zum großen Showdown in Pappmaché-Mobile setzen und mit Wasserpistolen auf den Panzer des Fürsten und seiner Leibgarde ballern. Spätestens jetzt sollte klar sein, was die Show so revolutionär machte. Sie war absurd, bunt und actiongeladen, die Realversion eines Jump'n'Run-Computerspiels. Und Vorläufer von Show-Formaten wie Schlag den Raab.

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Die 90er-Jahre waren hierzulande geprägt von handlungsarmen—wenngleich nicht unerfolgreichen—Gameshows. Egal ob Glücksrad, Geh aufs Ganze, Familienduell oder Jeopardy, vieles drehte sich um Wissen, Schätzen, Raten und Zocken. Mit anderen Worten waren es Sendungen, die vor allem kognitive Herausforderungen an ihre Kandidaten stellten. Was jedoch fehlte, waren Action und sportliche Aspekte. Und genau die wurden von Takeshi's Castle geboten. Denn die Show forderte ihren Teilnehmern die unterschiedlichsten Skills ab: Schnelligkeit, Kraft, Gleichgewichtssinn, Timing, Kommunikation (vor allem bei den Paar-Challenges) und taktisches Gespür. Aber klar, auch eine ganze Menge Glück. Schließlich wurde die Sendung nicht dazu konzipiert, damit Tanis Teilnehmer gewinnen sollten.

Übrigens könnten ZDF-Junkies dagegenhalten, dass die Wettaktionen bei „Wetten, dass…?" durchaus für (ein bisschen) Action gesorgt haben. Dafür musste man aber auch stundenlange Sesselfurzpassagen aushalten. Und wozu der Wunsch nach immer mehr Action vonseiten der Produzenten geführt hat, weiß Samuel Koch am besten.

Takeshi's Castle hingegen bot Action, ohne seine Teilnehmer zu gefährden. Die trugen zumeist Schutzhelme, außerdem kamen „weiche" Materialien wie Styropor zum Einsatz. Wie zum Beispiel bei den XXL-Brocken im Felsenkanal:

Zugegeben, der Fun-Faktor kam weniger über die Spannung—natürlich lösten Feilschduelle zwischen Geh aufs Ganze-Moderator Jörg Draeger und seinen Kandidaten deutlich mehr Kribbeln aus—, dafür aber war Takeshi's Castle amüsant, abwechslungsreich und für Voyeure sportlichen Scheiterns ein echter Augenschmaus.

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Stichwort Scheitern: Die Sendung bediente zudem eine natürliche Eigenschaft des Menschen: Schadenfreude. Vor allem dann, wenn sich die Kandidaten besonders spektakulär auf die Nase gepackt haben. Übrigens: Dass sich deutsche Fernsehzuschauer schon immer gern an den Missgeschicken anderer ergötzt haben, zeigt auch der Erfolg der Sendung Pleiten, Pech und Pannen Ende der 80er.

Doch bei aller Schadenfreude haben wir natürlich trotzdem dem Underdog—also General Tanis Mitstreitern—die Daumen gedrückt. Und das war auch bitternötig, denn in 133 Folgen konnte Takeshis Burg nur neun Mal erobert werden. Ich habe Freunde, die mir bis heute in den Ohren liegen, dass sie Takeshi nie haben verlieren sehen. Und weil es damals noch kein YouTube gab, haben sie immer wieder eingeschaltet, in der (falschen) Hoffnung, das endlich auch mal zu erleben. Hier wäre eine solche Rarität:

Für die Streber unter den Zuschauern bot Takeshi's Castle auch einen spannenden Einblick in eine insgesamt recht fremd wirkende japanische Kultur. Fans werden außerdem wissen, dass die Serie für eine ganz eigene Art von Humor stand. Ein Humor, der oft auf Kosten der Teilnehmer ging, die damit rechnen mussten, in voller Bandbreite gedemütigt zu werden. Wie etwa im sogenannten Wabenlabyrinth, in dem bereits ausgeschiedene Kandidaten das Gesicht schwarz bemalt bekamen, bevor sie unter Gelächter von Takeshis Handlangern ins Wasser geschmissen wurden.

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Was außerdem gut bei den zumeist jungen Zuschauern ankam, war die Tatsache, dass bei der Show auch Kinder unter den Teilnehmern waren. Das bot natürlich ein deutlich höheres Identifikationspotenzial für Klassenclowns wie mich.

Den Erfolg—und Kultfaktor—der Sendung kann man aber vor allem daran ablesen, dass sie eine Reihe von—ziemlich schlechten—Kopien (wie beispielsweise Entern oder Kentern) hervorgebracht hat.

Takeshi's Castle war gewissermaßen ein Blueprint für moderne Action-Game-Shows. Im weiteren Sinne war die japanische Sendung auch ein Vorläufer für „Schlag den Raab": Bekannter Promi—Spielleiter „Beat" Takeshi Kitano ist ein in Japan berühmter Comedian und Regisseur, der 1997 bei den Filmfestspielen von Venedig den „Goldenen Löwen" gewinnen konnte—gegen Jedermann-Teilnehmer aus der Bevölkerung.

Ich weiß nicht, wie es euch geht. Aber nach so manch einem harten Arbeitstag erwische ich mich bei dem Gedanken, dass eine Folge Takeshi's Castle jetzt genau das Richtige wäre.