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Ein Sportlehrer erklärt die Typen von Schülern in seinem Unterricht

Ob Ego-Spieler, Lamentierer oder Tussi: In seiner 29-jährigen Lehrerlaufbahn hat Klaus Richter Tausende Schüler unterrichtet. Er hat sieben Typen herauskristallisiert und für uns beschrieben.
Foto: imago/ITAR-TASS 18667724

Ich habe in meiner Kindheit und Jugend immer viel Sport gemacht. Trotzdem war Sportunterricht in der Schule nie meins. Ob das jetzt komisch anmutende Sportarten waren, die mich mehr an Kinderturnen als irgendetwas anderes erinnerten, oder die bunte Horde von (Anti-)Sportlern jeden Kalibers. Es war eine künstlich geschaffene Situation, in der Streberleichen um die Gunst des Lehrers buhlten und Machos ihre schlechten Noten kompensierten. Sportunterricht erschien mir manchmal wie eine Zusatzbespaßung, das +1 auf der Gästeliste eines jeden Stundenplans, das „Wir-müssen-den-Kids-ja-auch-irgendwie-ein-sportliches-Bewusstsein-einhauchen".

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Aber das ist nur mein persönlicher Blickwinkel. Sportunterricht hat aus pädagogischer Sicht ganz sicher seine Berechtigung. Gerade für Kinder, in deren Elternhaus Sport nicht so groß geschrieben wird. Mich hat es aber immer eher genervt, mich nach einem langen Schultag mit einer doch sehr heterogenen Truppe aus Sportsaboteuren und neurotischen Sportjunkies herumzuschlagen. Wenn mich das schon genervt hat, wie muss es erst demjenigen ergangen sein, der diese Herde irgendwie zusammenhalten musste? Welche Charaktere haben sich immer wieder durch seine Laufbahn durchgezogen? Vom Sportlehrer Herr Richter (Name aus pädagogischen Gründen geändert) habe ich mir deshalb seine Sicht der Dinge schildern lassen. In seinen 29 Berufsjahren haben sich bei ihm folgende Typen von Sportschülern herauskristallisiert:

1. Der Ego-Spieler

Der mit Abstand am weitesten verbreitete Typus von Sportschülern ist der Ego-Spieler. Das ist derjenige, der denkt, er sei Cristiano Ronaldo. Das sind diese Kasper, die extrem ballverliebt sind und nie abspielen. Da gibt es sehr, sehr viele von. Die nerven auch am meisten, weil sie sehr rücksichtslos sind und so auch in Zweikämpfe gehen. Aber wehe, jemand steigt mal gegen sie ein, dann ist direkt der Teufel los. Das ist aber generell ein Trend, den ich beobachte, dass die Jungs immer rücksichtsloser werden. Die übernehmen die Macht in den Klassen und diktieren, was gemacht wird, inklusive aller sexistischen Äußerungen, die es so gibt.

Wenn mir einer von denen zu selbstverliebt oder großmäulig wird, behalte ich es mir vor, auch mal eine pädagogische Maßnahme zu treffen. Da kann es schon mal vorkommen, dass ich eins der Großmäuler vorturnen lasse, damit der sich einfach mal schön zum Affen macht. Wer austeilt, muss auch einstecken können. Mich erschreckt es zum Teil schon, wie wenig die Schüler vom Typus „Ego-Spieler" auf dem Boden der Tatsachen sind. Die sind beispielsweise felsenfest davon überzeugt: „Wir gewinnen den Staffellauf, wir sind eh die Besten". Solche Aussagen implizieren auch immer eine gewisse Respektlosigkeit dem Gegner gegenüber. Deswegen sind Wettkämpfe für diese Schüler so wichtig, denn nur daraus lernen sie. Plötzlich gibt es Situationen, in denen man zugeben muss, dass jemand anderes besser war.

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2. Die Tussi

Da muss ich leider ehrlich sein: Tussis nerven sehr. Das sind die Frauen der Schöpfung, die nicht mitmachen wollen, damit sie nicht schwitzen müssen und ihre Schminke nicht verläuft. Ihr Verhalten zielt darauf ab, dich vom Unterricht abzuhalten, beziehungsweise wollen sie ihn am liebsten ganz vereiteln. Die Tussis brauchen länger beim Umziehen und wenn du sie lässt, kauen sie dir im Unterricht auch noch das Ohr ab. Die kommen zu mir und sagen: „Aber Herr Richter, sie finden doch auch, dass ich die Tollste bin." Die versuchen mit sowas herauszufinden, wie sie auf Männer wirken. Dafür bin ich aber nicht der Richtige und der Sportunterricht schon mal gar nicht.

Aber natürlich kann auch für Tussis im Sportunterricht keine Ausnahme gemacht werden, die müssen die Übungen natürlich genauso mitmachen. Dann springen die ein Mal über den Kasten und natürlich ist das sehr dürftig. Danach kommen sie wieder angelaufen und sagen: „Herr Richter, das habe ich doch toll gemacht." Mir bleibt da nichts anderes zu antworten als: „Boah, jetzt werd mal vernünftig." Die Mädels sind auch mit entsprechender Schminke unterwegs. Aber das nehme ich selbst gar nicht so extrem wahr, das kriege ich oft von Kollegen erzählt. Mich interessiert das auch gar nicht. Wenn ich im Sportunterricht bin, bin ich auf den Unterricht fixiert und will das dann auch machen. Da hält mich keine Tussi von ab.

3. Der Lamentierer

Den Lamentierer nenne ich auch gerne Jaller-Kopp. Das sind die Konsorten, die alles und jeden kritisieren. Am einen Tag liegt der Ball beim Elfmeter fünf Millimeter zu weit links, am nächsten Tag passt ihm das T-Shirt von seinem Mitschüler nicht. Das ist auch der Typus von Sportschüler, der mit Übungen nicht einverstanden ist, weil sie zu anstrengend sind. Der nicht einsieht, warum er 200 Meter laufen soll. Einmal ist das Wetter zu heiß, dann ist es zu kalt, dann regnet es zu sehr. Zu den Lamentierern gehören die Schüler, die eigentlich gar nicht vor die Tür wollen. Wenn es nach denen ginge, würde man die ganze Doppelstunde nur am Mittelkreis sitzen und einfach mal über alles reden. Der Lamentierer nervt die meiste Zeit über nur und hält durch seine Nervtiraden den Betrieb auf.

4. Das Sportass

Wenn es nach meinen Schülern ginge, hätte ich wohl in einer Klasse von 30 Schülern gleich 15 dabei. Das Sportass unterscheidet sich in meinen Augen allerdings erheblich vom Ego-Spieler. Ich rede hier von einem richtigen Sportass. Ich meine damit einen Topsportler, der nicht nur Spezialist in seiner Sportart ist und bei den restlichen Sportarten meistens genauso gut, wenn nicht besser als die anderen, ist. In meiner gesamten Lehrerlaufbahn habe ich einen einzigen Sportler erlebt, der wirklich alles konnte. Das ist amüsanterweise einer der zurzeit berühmtesten Musical-Darsteller, nämlich Alexander Klaws. Der konnte das. Wenn ich dem sagte: „Alex, mach das mal vor", dann ging der hin und machte es vor. Über sein Gesangstalent kann man sich streiten. Aber er hat ja auch „Let's dance" gewonnen, obwohl er vorher noch nie einen Tanzkurs gemacht hatte. Also muss der Junge motorisch wirklich überdurchschnittlich begabt gewesen sein. Anders kann ich mir das nicht erklären.

5. Der notorische Sportvermeider

Den kennt wirklich jeder. Der Sportvermeider variiert zwischen Sportsachen vergessen, Attest und Arztbesuch, der zufälligerweise einfach nicht mehr zu verlegen ist. Das ist auch die Fraktion, die sich mittags abholen lässt oder plötzlich von heftigster Migräne geplagt wird. Ich habe schon viele Ausreden gehört. Die beste aber war von einem Schüler, der behauptete, er könne nicht am Unterricht teilnehmen, weil sein Sportzeug auf dem Dach der Turnhalle liegen würde. Das Problem: Es stimmte. Sein Kumpel hatte die da hochbefördert.

Foto: Imago

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Zum notorischen Sportvermeider gehört komischerweise auch alle paar Jahre so ein „Doppelgespann" der Marke „Dick und doof". Einmal hatte ich einen dürren Spargeltarzan, der den ganzen Tag nur in schwarzen Klamotten herumlief und nur im Doppelpack mit einem etwas Untersetzteren anzutreffen war. Die beiden rauchten jedes Mal heimlich hinter der Sporthalle. Und machten, wenn es hochkommt, alle drei, vier Wochen mal mit. Das Schlimme ist nur, wenn die erstmal damit angefangen haben, kriegst du das nicht mehr gestoppt. Das wächst sich irgendwann in die Psyche ein.

6. Der Überhilfsbereite

Die Kandidaten, die wissen, dass sie allein von ihrer sportlichen Begabung her keinen Coup landen werden, gehören zu der Abteilung der Überhilfsbereiten. Erlebe ich zwar selten, aber gibt es schon mal. Das sind die, die dir, noch bevor der Unterricht angefangen hat, das Ohr absabbeln, wobei sie dir heute helfen könnten. Offen gestanden: Dieser Typus von Sportschüler geht dem Lehrer auch ziemlich auf den Senkel. Das kannst du nicht ertragen, dieses Schmalzfliegen-Gehabe. Die kleben dir an der Backe, wenn du den Mattenwagen holst und würden am liebsten als Letzte die Tür der Turnhalle hinter sich zumachen und das Licht ausmachen.

7. Der Überambitionierte

Ein Typus, der zwar ziemlich selten auftaucht, aber dennoch ab und zu zum Vorschein kommt, ist der Überambitionierte. Wir sprechen hier von Schülern, die entgegen dem Überhilfsbereiten durch übermäßiges sportliches Engagement auffallen. Schüler diesen Typs fallen vor allem dadurch auf, dass sie manchmal einen Tick zu beherzt an die Sache gehen, und damit ist kein beherztes Einsteigen bei Zweikämpfen gemeint. Da sind die meistens „überkorrekt". So wie auch sonst. Kein Fleck kommt auf ihre weiße 15-Punkte-Weste. Hinter ihrer Motivation verbirgt sich tatsächlich aber nur ein verblüffenderer Jagdinstinkt auf Punkte, als so mancher Bundesligist an den Tag legt. Aber auch wenn es sich bei den Überambitionierten um Notengeier handelt, sind sie meistens keine unangenehmen Zeitgenossen. Mich stören sie zumindest nicht.