21 Jahre Regionalliga Nordost: Hafen der Hoffnung oder Abstellgleis?
Fotos: Marco Bertram

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21 Jahre Regionalliga Nordost: Hafen der Hoffnung oder Abstellgleis?

Vor einigen Wochen schrieben wir über die abenteuerlichen Verhältnisse in der Regionalliga Nordost. Das kam im Fußballosten nicht so gut an. Wir haben unseren größten Kritiker gebeten uns zu schildern, was in 21 Jahren RLNO wirklich abging.

Vor ein paar Wochen veröffentlichten wir einen Text auf VICE Sports, der da hieß Fear and Loathing in Regionalliga Nord/Ost. Darin erzählte ein Babelsberg-Anhänger von den teils abenteuerlichen Zuständen in der vierten Liga. Marco Bertram, Autor beim Fanmagazin turus.net und Berliner Fußballexperte, nahm den Bericht zum Anlass, um eine richtig schönen Verriss zu schreiben. Nachdem wir unsere Wunden geleckt hatten, baten wir ihn, seine Einschätzung über die Regionalliga Nord/Ost zu schildern. Gesagt, getan.

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Es war einmal bei Mettbrötchen und Schokomilch im Pausenraum der Ausbildungswerkstatt. Anfang der 90er in Leverkusen. Fußball als Dauerthema. Die Express auf dem Klo. Der abgegriffene Sportteil der BILD auf der Werkbank. Was gibt´s Neues in der Bundesliga? Ganz nebenbei warf der eine oder andere einen müden Blick auf die Zweitligatabelle. Wen interessierte damals, was in der 2. Bundesliga abging? Für den Rheinländer war diese Spielklasse schlichtweg eine Liga der Grauen Mäuse. SC Fortuna Köln, SV Meppen, FC Remscheid, Chemnitzer FC, 1. FSV Mainz 05. Und für mich—geborener Ostberliner, Baujahr 1973, Anfang der 90er für drei Jahre nach NRW gezogen—kam es allerdings noch schlimmer. „Wo spielen eigentlich deine Ostberliner Klubs? Wie heißen die doch gleich? Union und Berliner Fußballclub?!", wurde ich bei frischem Mett mit Zwiebeln gefragt. Tja, wo waren sie? Während Hertha BSC immerhin in der 2. Bundesliga herum eierte, waren die Eisernen aus Berlin-Köpenick und der einstige DDR-Serienmeister aus Berlin-Hohenschönhausen quasi von der Bildfläche verschwunden.

Beide Vereine kickten in der NOFV-Oberliga—und das sogar in verschiedenen Staffeln. Damals war die dritte Spielklasse in der Region Nordost in drei Oberliga-Staffeln aufgeteilt. Nord, Mitte und Süd. Wahrlich eine derbe Sache. Was für ein Absturz! Der in FC Berlin umbenannte BFC Dynamo hatte es in der Nord-Staffel unter anderen mit Rot-Weiß Prenzlau, Wacker 04 Berlin, FV Motor Eberswalde und Blau-Weiß Parchim zu tun. Union durfte indes in der Staffel Mitte unter anderen gegen die Fußballzwerge BSV Spindlersfeld, FV Wannsee, FSV Velten 1990 und SV Thale 04 ran. Kurzum: Man spielte am Rande der Bedeutungslosigkeit, selbst bei den punktuellen Highlights fanden sich nur wenige Zuschauer ein. Der Hoffnungsschimmer: Die Aufstiegsrunden am Ende der damaligen Spielzeiten 1991/92 und 1992/93. Doch wie sollte es auch anders kommen? Im Juni 1992 setzte sich der VfL Wolfsburg gegen Union Berlin, den FC Berlin und die Jungs der einstigen BSG Sachsenring durch. Beim Duell Union gegen Wolfsburg stand ich damals auf den sandigen Stufen der Gegengerade der Alten Försterei und durfte mit ansehen, wie die Wölfe mit einem winzigen mitgebrachten Häufchen Fans den Sprung in Liga zwei packten.

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Ein Jahr später war der Osten bei der Aufstiegsrunde unter sich. Wieder düste ich vom Rheinland aus nach Berlin, um in meiner Heimatstadt mit eigenen Augen zu sehen, wer aus der damaligen Fußballhölle namens Oberliga entkommen würde. Bingo, der 1. FC Union Berlin machte vor vollen Rängen bei Nieselregen den Aufstieg gegen Bischofswerda klar. Sportlich. Am Ende aufgestiegen war letztendlich Tennis Borussia Berlin. Eine gefälschte Bankbürgschaft führte dazu, dass der DFB den Eisernen die Lizenz verweigerte. Manch ein Fan witterte eine Verschwörung. Welch eine bittere Erfahrung. Im Frühjahr 1994 wurde dem 1. FC Union gleich von Vornherein die Lizenz verweigert, statt den Eisernen trat Energie Cottbus in der Aufstiegsrunde an. Den Sprung nach oben packte indes der FSV Zwickau

Kurzum: Die Zeit von 1991 bis 1994 war für die Region Nordost kein Zuckerschlecken. Mal abgesehen von Dynamo Dresden, Hansa Rostock, dem Chemnitzer FC, dem FC Carl Zeiss Jena und dem VfB Leipzig, die nach dem Fall der Mauer und dem Zusammenschluss von DFB und DFV sich vorerst in der 1. und 2. Bundesliga festsetzen konnten. Der Rest, angefangen beim einstigen FC Vorwärts Frankfurt über den 1. FC Magdeburg bis hin zu den beiden Ostberliner Vereinen, musste in der Versenkung schmoren und über die Dörfer tingeln. Unvergessen mein Wochenendaufenthalt in Berlin im Herbst 1992. Ich wollte ein Auswärtsspiel des FC Berlin (BFC Dynamo) bei Bergmann-Borsig besuchen und verlief mich dort im Wohngebiet. Den Sportplatz, auf dem dieses Oberligaspiel ausgetragen werden sollte, konnte ich nicht ausfindig machen. Als ich einen Spaziergänger fragte, erwiderte er nur erstaunt: „Wer soll hier spielen? FC Berlin? Keine Ahnung! Noch nie von gehört."

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Das Grauen sollte allerdings ein Ende haben. Kurz vor meinem Umzug von Leverkusen zurück nach Berlin purzelte eine grandiose Nachricht herein. Ein guter Kumpel kam herbeigeeilt und meinte: „Hast du das im Kicker gelesen? Die schaffen einen komplett neuen Unterbau zur 2. Bundesliga! Es wird Regionalligen geben! Für uns die Regionalliga Nordost! Richtig geil, die DDR-Oberliga ist auferstanden! Da wird es schon mal richtig scheppern und krachen!" Er jauchzte, ich jauchzte, der gesamte Fußballosten jauchzte. Es würde nun wieder manch ein Aufeinandertreffen einstiger DDR-Oberligisten geben, die nach 1991 für drei Jahre getrennte Wege gehen mussten. Manch eine Fanszene würde wieder etwas aus ihrem Dämmerzustand erwachen. Aus dreistelligen Zuschauerzahlen könnten nun wieder vierstellige Hausnummern werden.

Mit Spannung wurde die Veröffentlichung des RL-Spielplanes herbeigesehnt. Als es im Sommer 1994 endlich soweit war, wurden die entsprechenden Seiten aus dem Kicker und der Fuwo herausgerissen und an den Schreibtisch gepinnt. Bundesliga? Pah! Wir haben unsere Regionalliga Nordost! Die arg geschundene Ostseele wurde balsamiert. Mit einem Schlag erfuhr der Fußballosten eine extreme Aufwertung. Allerdings gab es auch Wermutstropfen, denn manch ein Platzhirsch blieb wieder einmal auf der Strecke. So verpasste zum Beispiel der 1. FC Magdeburg am Ende der Oberligasaison 1993/94 aufgrund des schlechteren Torverhältnisses die Qualifikation. Hertha Zehlendorf statt Magdeburg. Dass auch der Erzrivale Hallescher FC die Qualifikation verpasst hatte, war für die „Größten der Welt" wenig Trost. Zumal beide Rivalen in unterschiedliche Staffeln gepackt wurden. Ein Jahr später hatte es den HFC sogar ganz bitter erwischt, mit unfassbaren drei mageren Pünktchen schlitterten die Chemiker mit vollem Karacho in die Verbandsliga. Kein Wunder, dass sowohl in der Börde- als auch in der Saale-Stadt die Fans zwischenzeitlich dem Verein den Rücken zugewandt hatten. Magere 444 Hartgesottene verfolgten 1994/95 im Schnitt die Oberliga-Heimspiele des 1. FCM. Drei Jahre später, als Magdeburg endlich in der Regionalliga dabei war, schauten im Schnitt 2.400 im Ernst-GrubeStadion vorbei.

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Während bei den Oberliga-Vertretern Lethargie herrschte, die Enttäuschung bei den Fans über die verpasste Qualifikation zur Regionalliga wurde beim Landespokalfinale im Mai 1994 in Thale deutlich (nur 300 Zuschauer sahen den 4:3-Sieg des HFC gegen den 1. FCM), wurde eine Etage höher manch eine Fanszene wieder zum Leben erweckt. Nicht dass jedes Regionalligaspiel ein Kracher war, zu dem zig tausende Fußballfreunde pilgerten, doch ein gewisser Quantensprung war erkennbar. Am 24. September 1994 bekam ich mein erstes Ostberliner Derby zu sehen. 2.338 Zuschauer wurden im Sportforum Zeuge, wie der FC Berlin dem Tabellenzweiten aus Berlin-Köpenick ein 1:1 abrang. Sicherlich kein Vergleich zu den Klassikern in den 80ern, doch mir hatte es durchaus gefallen. Das „Dy-na-mo!" und das „Eisern Union!", welche zuletzt gegen Velten, Schwedt, Lübars und Marathon 02 eher selten zu hören waren, ertönten wieder auf den mit Gras bewachsenen Rängen, als Michael Steffen und der damals noch junge Sergej Barbarez jeweils im Gehäuse des verhassten Rivalen einlochten.

Richtig hitzig wurde es am 19. November 1994, als der FC Berlin in Leipzig-Leutzsch beim FC Sachsen Leipzig zu Gast war. Das dreijährige Warten hatte für den Hohenschönhausener Anhang ein Ende! Endlich wieder ins verhasste Sachsen! Ostberlin hatte mobil gemacht. Rund 500 überaus motivierte BFCer waren angereist und befestigten Gästeblock das legendäre weinrote Banner „Berliner Fußballclub" Insgesamt bildeten 4.217 Zuschauer im AKS eine würdige Kulisse. Es wurde ein Fußballnachmittag, den man nicht so schnell vergisst. Ein 2:0-Sieg des FC Sachsen, ein immer wieder laut tönendes „Chäääämie!" sowie ein „Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher", eine Pferdestaffel auf dem Rasen, wütende Ostberliner, die an den Fangnetzen hingen. Mein Knipsen der Fotos vom Dammsitz aus sowie mein Akzent wurden mir nach Spielschluss zum Verhängnis. Vor dem Stadion warteten drei Leutzscher und verpassten mir mit den Worten „Du scheiß Berliner!" ein fettes blaues Auge. Später entlud sich am dortigen Bahnhof bei den BFC-Fans die Wut auf die Polizei. Fast exakt vier Jahre zuvor kam genau an jener Stelle Mike Polley durch Schüsse eines Polizisten ums Leben. Immer wieder hallte deshalb im November ´94 das beängstigende „Schießt doch! Schießt doch!" durch den Leutzscher Forst. Willkommen im Osten, der damals wirklich noch ein „Wilder Osten" war.

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Hoch her ging es auch am letzten Spieltag beim Duell FC Carl Zeiss Jena - FC Sachsen Leipzig. Ein echtes Endspiel. Jena genügte ein Remis für den Aufstieg, der FC Sachsen musste gewinnen. Die Kulisse von 9.129 Zuschauern—bereits beim Hinspiel sorgten ähnlich viele Fußballfreunde im AKS für eine grandiose Atmosphäre - erinnerte an große Duelle zu DDR-Zeiten. Jena gewann 4:1 und die Südkurve (damals noch nicht geteilt) war ein einziges Freudenmeer. Der Spitzenreiter der Ewigen Tabelle der DDR-Oberliga nach einem Jahr Regionalliga wieder zurück in der 2. Bundesliga. In dieser hätte Jena auf die Nummer drei der Ewigen Tabelle treffen können, doch nach der Lizenzverweigerung musste Dynamo Dresden (damals mit grünem Logo und dem „1. FC" vorn dran) den Gang von der 1. Bundesliga direkt in die Regionalliga antreten. Was für Dresden extrem bitter war, wurde für die anderen ein echter Zugewinn. Die reiselustige dynamische Fanschar brachte schließlich Geld in die Vereinskassen. So auch beim FC Energie Cottbus, der damals noch eine wirklich kleine Nummer war. Sage und schreibe rund 4.000 Fans der Schwarz-Gelben strömten Mitte August 1995 ins Stadion der Freundschaft und bildeten eine schmuck anzusehende Kurve. An provisorisch aufgestellten Bauzäunen postierte sich die behelmte Polizei, doch es sollte ein entspannter Sommernachmittag bleiben. Nicht zuletzt deshalb, weil das Spiel torlos ausging und die Heimseite nur sehr wenige aktive Fans am Start hatte. Erst später, nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga, entwickelte sich in der Lausitz eine Fanszene, die durchaus was auf die Beine stellen und das Stadion der Freundschaft zum damals berüchtigten Hexenkessel werden lassen konnte.

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„Neue Freunde" hatten sich bei der Aufstiegsrunde 1997 gefunden. Nordmeister Hannover 96 und Nordostmeister Energie Cottbus mussten gegeneinander antreten. Was ich beim Hinspiel im Niedersachsenstadion zu sehen bekam, spottete jeder Beschreibung. Es wurde gepöbelt, sich gegenseitig bespuckt, sich abgrundtief beleidigt. Obwohl beide Vereine zuvor noch nie miteinander zu tun hatten, keimte extremer Hass auf. Die Ost-West-Schiene wurde mit vollem Tempo gefahren. Kein Wunder, dass beim Rückspiel ebenso mächtig Feuer drin war. Auf dem Platz, auf den Rängen. Cottbus gewann mit 3:1 und ließ (fast) den gesamten Osten jubeln. Nach den Abstiegen - und all den gefühlten und tatsächlichen Benachteiligungen von Dynamo Dresden und Hansa Rostock - gab es nun im Fußballosten mal wieder eine echte Erfolgsmeldung. Und ja, aus Fansicht war eines klar: Für zwei, drei Jahre konnte die Regionalliga Nordost ganz nett sein. Auf Dauer konnte jedoch nur der Profifußball die Massen bewegen und für ein pralles Ausleben der Fankultur sorgen. Irgendwann nutzten sich in den 90ern all die Ost-Duelle ab, die Fans waren heiß auf Neues. Erst später, im neuen Jahrtausend, entwickelte manch ein Ost-Klassiker wieder echte Zugkraft—das jedoch meist eine Etage höher.

Da kam all den Fanszenen die neue Struktur der Regionalligen zu Beginn des Jahrtausends gerade recht. Aus vier mache zwei! Nord und Süd. Das Kuriose am Ganzen: Während die meisten Vertreter der Region Nordost im Norden antraten, mussten Jena und Erfurt in der Staffel Süd ihre Spiele austragen. Nachdem Jena am Ende der Spielzeit abstieg, war der FC Rot-Weiß Erfurt in der Regionalliga Süd ganz allein auf weiter Flur. So schön all die Auswärtsfahrten in den Westen auch waren, so ganz ohne Duelle gegen einstige DDR-Rivalen war auch blöd. Ein echter Hammer war indes die Regionalliga Nord. Der SV Babelsberg 03, der 1. FC Union Berlin, Erzgebirge Aue und der FC Sachsen Leipzig reisten Dank der Umstrukturierung in den Westen. Zu Gast unter anderen bei Preußen Münster, Rot-Weiss Essen, Eintracht Braunschweig und beim VfB Lübeck. Fantechnisch war nun Rock´n Roll angesagt. Ein echter Zuschauerzuwachs war zu verzeichnen. Und schau an! Union und Babelsberg packten gemeinsam den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Das Duell der Eisernen und der Filmstädter gab es vor vollen Rängen somit in zwei Spielzeiten hintereinander. Das konnte sich im Karl-Liebknecht-Stadion hören und sehen lassen! Der Pufferblock wurde auf ein Minimum beschränkt und beide Fanszenen griffen zu den aufgekommenen Doppelhaltern und massig Pyrotechnik.

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Dabei sein in der Regionalliga Nord? Auswärtsfahrten in den Ruhrpott? Die beiden Oberliga-Meister BFC Dynamo (inzwischen wieder mit dem alten Namen am Start) und 1. FC Magdeburg waren heiß drauf und traten dementsprechend motiviert zu den beiden Aufstiegsspielen an. Nach dem 0:0 vor über 8.000 im Sportforum Hohenschönhausen setzte sich der 1. FCM im vollen Ernst-Grube-Stadion mit 5:2 durch. Magdeburg durfte somit zur großen Sause starten, der BFC Dynamo ging wenig später in die Insolvenz und konnte froh sein, statt in der Kreisliga C (wie einst Blau-Weiß 90 Berlin) in der Verbandsliga einen Neubeginn starten zu dürfen.

Mächtig viel Spaß für die ostdeutschen Fanszenen bei den Regionalliga-Touren nach Düsseldorf, Essen, Krefeld, Münster, Wattenscheid und Köln, aber wo steckte eigentlich Dynamo Dresden? Während der Dresdner SC damals drittklassig spielte und die Stadt Dresden diesen Verein voreilig als neues Aushängeschild sah, war Dynamo Dresden in der Oberliga zu finden. Doch nicht mehr lange. 2002 setzte sich Dynamo gegen die Bubis von Hertha BSC durch und feierte im Berliner Jahn-Sportpark die Rückkehr in die Regionalliga. Und das vor rund 10.000 mitgereisten Fans! Nun kam auch Dynamo Dresden (jetzt wieder mit dem weinroten Logo) in den Genuss, an der Essener Hafenstraße und in der Grotenburg des KFC Uerdingen 05 Hallo zu sagen. Am hitzigsten wurden allerdings nicht die Duelle gegen Münster und Rot-Weiss Essen, sondern die gegen den Dresdner SC. All der Frust und die Wut auf den Gegner, die Stadt und die Polizei entluden sich am 01. September 2002 beim „Auswärtsspiel" im eigenen Rudolf-Harbig-Stadion.

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Foto: Imago

Generell hatten die beiden Staffeln der Regionalliga eine gute Zugkraft und eine hohe Akzeptanz bei den verschiedenen Fanszenen. Nach der Einführung der 3. Liga wurden jedoch die Regionalligen umstrukturiert (drei Staffeln), die letzte große Reform erfolgte 2012. Seitdem ist der Nordosten—zum ersten Mal seit dem Jahr 2000—wieder unter sich. Wenn man auf all die zurückliegenden Jahre blickt, stellt man fest, dass fast jeder nach 1994 relevante Verein aus dem Osten—nur den F.C. Hansa Rostock hielt es seit 1991 nonstop in Bundesliga, 2. Bundesliga und 3. Liga—irgendwann mal in der Regionalliga gespielt hatte. Für die einen war es der Coup schlechthin, für andere war es eine Durchgangsstation, wiederum für andere war bzw. ist die Regionalliga trauriger Absturz und Sackgasse zugleich.

Für viele abgestürzte Vereine wäre die Regionalliga Nordost ein Traum. Für den 1. FC Frankfurt (Oder), den FC Stahl Brandenburg, die BSG Stahl Riesa, den 1. FC Lok Stendal und die BSG Chemie Leipzig. Während jedoch in Leutzsch ohne Frage Aufbruchstimmung spürbar ist und ein Marsch im die Regionalliga in den kommenden Jahren denkbar erscheint, so wird es in Stendal, Brandenburg an der Havel und in Frankfurt an der Oder auf absehbare Zeit keinen Regionalliga-Fußball zu sehen geben. Für andere Klubs ist die Regionalliga Nordost eine Sackgasse. Eine Spielklasse, die eigentlich unter ihrer Würde ist. Bestes Beispiel: Der FC Carl Zeiss Jena. Wie wieder rauskommen? Ohne sich dabei komplett zu verschulden und letztendlich trotzdem als Meister mit leeren Händen im Regen zu stehen.

Es gibt beim deutschen Fußball keine Spielklasse, die dermaßen facettenreich ist wie die Regionalliga. Während ein Duell des 1. FC Magdeburg gegen den FSV Zwickau oder den BFC Dynamo unter fantechnischen Gesichtspunkten derzeit ganz klar Drittliganiveau aufweisen kann, so ist eine Begegnung wie Hertha BSC II - Wacker Nordhausen nicht gerade eine Veranstaltung, welche die Massen hinter dem Ofen hervorlockt. So können in der Regionalliga Nordost gerade mal 300 Zuschauer einem Spiel beiwohnen, andererseits gibt es Duelle, die locker 5.000 und im Fall Magdeburg sogar über 10.000 Fußballfreunde heranströmen lassen. Allerdings auch nur, wenn der Aufstieg in möglicher Reichweite liegt.

So interessant und vielseitig die Regionalliga Nordost auch erscheinen mag, mit dem Aufstieg des 1. FC Magdeburg und dem Abstieg des FC Erzgebirge Aue aus der 2. Bundesliga, gibt es im Osten nur noch eine Liga, auf die der Fokus gerichtet ist: Die 3. Liga. Diese Saison sind dort mit Dresden, Rostock, Erfurt, Halle, Chemnitz, Cottbus, Magdeburg und Aue gleich acht Nordost-Vertreter am Start. Eine halbe Ost-Liga. Eine Liga, von der man definitiv häufig sprechen wird.

Und das ist der Punkt. Magdeburg, Jena, Zwickau und auch der BFC Dynamo sehen in der Regionalliga Nordost keine echte Zukunft. Für die jeweiligen Vereinsverantwortlichen und auch die Fans gibt es nur ein kurz- bzw. mittelfristiges Ziel. Die 3. Liga. Von daher die Frage: Wohin führt der Weg der Regionalliga Nordost? Mein persönlicher Wunsch?! Das Nachrücken von Vereinen, für welche diese Liga eine echte Herausforderung ist. Kurzfristig der 1. FC Lok Leipzig. Mittel- bzw. langfristig Tennis Borussia Berlin, die BSG Wismut Gera, die BSG Stahl Riesa und die BSG Chemie Leipzig. Es würde mir außerordentlich gut gefallen, mal wieder mit einer Berliner Mannschaft im altehrwürdigen Alfred-Kunze-Sportpark im Rahmen eines Pflichtspiels zu Gast zu sein. So wie früher - doch statt eines verpassten blauen Auges dürfte lieber ein kühles Bierchen gereicht werden. Auf die alten Zeiten! Prost!

Hier findet Marcos Gegenartikel zu unserem Fear and Loathing in Regionalliga Nord/Ost-Bericht