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Warum Spieler getauscht und nicht gekauft werden sollten

Diese Transferperiode hat es wieder mal gezeigt: Die Summen, die für Spieler ausgegeben werden sind völlig unverhältnismäßig und entsprechen nicht ihrem Wert. Dieses ganze System sollte neu überdacht werden.
Dipo Faloyin
London, GB

Der Transfermarkt ist schon lange keine Glaubensangelegenheit mehr. Er ist ein Platz für Freunde der Gewissheit. Der (scheinbaren) Gewissheit, dass Neuzugänge, egal wie viele, automatisch zu Erfolgen auf dem Platz führen (sollen). Der Transfermarkt wird als Unendlichkeitsbecken von Verstärkungsmöglichkeiten angesehen; es ist ein System, in dem jegliches Gleichgewicht verschütt gegangen ist, was den Kauf, ja das Sammeln, immer neuer Spieler betrifft. Ganz nach dem Motto: Viel hilft viel. Solange genug Geld da ist, hält einen Verein nichts davon ab, beliebige Unsummen für einen beliebigen Spieler auszugeben. Darum wird in den drei Monaten im Sommer und den paar Wochen im Winter das Transferfenster nicht zu einem Spielermarkt, sondern zu einem Punktemarkt. Von den Teams wird erwartet, dass sie rausgehen und sich ihre Punkte sichern. Es ist eine Zeit, in der jegliche Ratio auf hold geschaltet und bloß nichts hinterfragt wird—man könnte ja wie jemand rüberkommen, der kein profundes Wissen über die Talente des Campeonato Paulista Série A1 besitzt. Gleichzeitig werden alle zu Experten und wissen ganz genau, wie viel ein Spieler eigentlich wert ist. Und wenn dann jemand wie Arsène Wenger nicht bei jedem überteuerten Mittelklassespieler sofort zuschlägt, gilt er als komischer Zauderer. Dabei sind die zu erwerbenden Ressourcen endlich und—qua ihrer Menschlichkeit—immer auch fehlbar. Mehr als das Versprechen, immerzu die obligatorischen „110 Prozent" zu geben, kann kein potentieller Neuzugang abgeben.

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Arsene Wenger // PA Images

Das Fehlen einer Garantie für Spieler bedeutet natürlich nicht, dass Teams nicht versuchen sollten, sie zu kaufen. Doch die Nachwirkungen dieses zunehmend wirtschaftlich liberalen Prinzipien folgenden Marktes lässt den Fußball in seinen Grundfesten erschüttern—und ihn immer mehr von seinen bescheidenen Ursprüngen entfernen. In diesem Sommer haben wir (mal wieder) eine ordentliche Preisinflation auf dem weltweiten Fußballmarkt gesehen. Mittlerweile kostet jeder noch so durchschnittliche Spieler locker 20 Millionen Euro. Wir haben mittlerweile akzeptiert, dass ein Spieler so viel wert ist, wie ein Verein bereit ist, für ihn zu zahlen. Doch diese Summe entspricht nicht seinem eigentlichen Wert, sondern nur seinem Preis. Der Transfermarkt gibt jedem Spieler einen Preis, schafft es aber nicht, den Wert eines Spielers im Verhältnis zu seinem neuen Verein auszudrücken.

Irgendwie passt es nicht zu den USA—wo die Meister der NBA, NHL und Co. automatisch auch „World Champions" sind—dass sie ein System haben, das für Introspektion und Ausgewogenheit steht. Und das auch der Fußball für sich übernehmen sollte. In allen nordamerikanischen Sportarten beinhaltet der Kauf eines neuen Spielers eine Vielzahl an Trades. Mit Ausnahme von Free Agents muss dem abgebenden Verein ein Spieler und/oder ein Draft Pick angeboten werden. Letztere bedeuten, dass der Verein, der einen neuen Spieler erhält, in Zukunft zum Ausgleich geschwächt wird, indem er sein Recht auf einen möglichen zukünftigen Star herschenkt. Diese Methode verlangt ein tiefes Verständnis des eigenen Kaders—und des Mehrwerts, den ein möglicher Transfer dem eigenen Team bringen würde. Außerdem macht sie eine Ebene der Rechtfertigung notwendig. Man muss seinen Fans erklären können, warum man bereit ist—und warum es (nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht) ein lohnendes Geschäft wäre—, einen beliebten Spieler für einen anderen einzutauschen. Die Folgesaison bietet dann eine gute und transparente Möglichkeit, um einzuschätzen, ob der Deal eine gute Entscheidung war.

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Der Transfermarkt, so wie er heute funktioniert, bietet keine so objektive Form der Spielerbewertung. Könnte er aber, wenn Klubs wieder um Spieler und nicht um spekulative Ablösen buhlen würden. In einem tauschbasierten System müssen Vereine, die sich auf Spielersuche befinden, genau abwägen, wie viel ein potentieller Neuzugang im Verhältnis zum restlichen Kader wert ist. So hätte Schalke 04 in einem US-Sport-basierten Transfersystem auf das Interesse von Manchester City an Leroy Sané wohl so reagiert, dass man ein Tauschgeschäft mit Raheem Sterling vorgeschlagen hätte. Außerdem könnten wir unter so einem System auch endlich herausfinden, wie viele Marouane Fellainis man für einen Paul Pogba bekommen könnte (unser Tipp: sehr sehr viele). Der Fokus würde wieder auf dem Spieler liegen. Und die Teams wären gezwungen, sich über wirkliche, nachhaltige Verstärkungen ordentlich den Kopf zu zerbrechen, anstatt einfach nur die Geldschatulle zu öffnen.

PA Images

Dazu kommt noch, dass es kleinere Vereine bei ihrem Kampf um Chancengleichheit einfacher haben, wenn sie aus jedem Transferabgang auch etwas Handfestes—in Form eines Spielers—rausholen können. Sie stehen nicht ständig vor zu stopfenden Löchern im Kader. Denn was nutzt all das eingenommene Geld für einen Spieler, wenn einfach alle Spieler mittlerweile so sauteuer geworden sind, dass man sich keinen adäquaten Ersatz leisten kann? Der Abgang eines Stars ist leichter zu verkraften, wenn man dafür im direkten Gegenzug einen fertigen Spieler bekommt plus ein oder mehrere Talente für die Zukunft.

Die Kultur des aktuellen Transferfensters hat sich auch auf unseren allgemeinen Diskurs ausgewirkt. Wir machen es uns mittlerweile sehr leicht, wenn wir darüber debattieren, wie Mannschaften für eine erfolgreiche Saison sorgen können: Es müssen natürlich Neuverpflichtungen her. Ian Wright hat vor Kurzem geschrieben, dass es effektiv sei, für Transfers tief in die Tasche zu greifen, weil „die Ankunft von großen Namen auch die anderen Spieler mitreißt, weil es ihren Job erleichtert und sie mit größerer Wahrscheinlichkeit Titel gewinnen werden." Er geht so weit zu behaupten, dass für jedes Team Erfolg und Fortschritt nur eine fette Transfersumme entfernt liegen. Natürlich machen gute Spieler, die gute Leistungen bringen, ein Team besser. Doch wenn man bedenkt, dass die Mannschaften sich alle aus demselben Spielertopf bedienen, erscheint es mathematisch ausgeschlossen, dass jedes Spitzenteam kontinuierlich seinen Kader qualitativ verbessern kann (außer natürlich, man glaubt an eine unendliche Anzahl von Weltklassespielern auf dieser Welt). Doch die Wahrheit sieht anders aus. Es gibt einfach zu viele Beispiele für Mannschaften, die in einem gegebenen Transferfenster Unsummen von Geld ausgeben, in der Folgesaison aber trotzdem nicht besser sind. Ein Fokus auf das Verpflichten teurer Heilsbringer mag zwar für die Fans spannend und mitreißend sein, ist aber in den meisten Fällen irreführend. So viele Heilsbringer gibt es schlicht und einfach nicht.

How do we define the true value of a footballer? // EPA Images/Arne Dedert

Neuverpflichtungen fördern die Wahrnehmung der Fans, dass sich ihr Verein endlich auf dem Weg Richtung Europapokalplätze, Meisterschaft etc. bewegt. Die Trainer wissen eigentlich, dass das Quatsch ist, arbeiten aber in einer feindlichen und medial aufgeladenen Umgebung, die die durchschnittliche Traineramtszeit auf ein Jahr runtergeschnitten hat. Wenn man sich einen großen Namen angelt, kann man wenigstens ein paar Monate auf eine freundlicher gestimmte Presse setzen. Man wird über sich lesen können, dass der Mann eine „Vision" und „Ambitionen" hat.

Es ist an sich nichts Verwerfliches daran zu finden, wenn Vereine ihr eigenes Geld verpulvern (vorausgesetzt, es ist nicht auf Pump). Blöd ist dann nur, wenn dadurch die Ticketpreise steigen und Trikots, die sich zur Vorsaison eh nur minimal geändert haben, immer teurer werden. Und es ist auch blöd, dass superreiche Teams einfach den gesamten Markt an guten Spielern aufkaufen und horten, etwa indem sie an kleinere Vereine verliehen werden. Die haben dann zwar kurzzeitig mehr Qualität, dafür aber auch keine Planungssicherheit. Entwickelt sich ein Spieler sehr gut, ist er eine Saison drauf schon wieder weg. Und es ist ebenso blöd, dass der Irrsinn an wenig durchdachten Transfers zu verrückten Transfersummen den gesamten Markt aufbläht—auf Kosten der kleinen Klubs. Es wird Zeit, dass sich der Fußball ernsthaft mit einem trade-basierten Transfersystem auseinandersetzt.