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Der Genuss, Dirk spielen (und siegen) zu sehen

Fakt ist: Dirk Nowitzki wird es nicht mehr lange machen. Was der 37-Jährige allerdings auf dem Basketballfeld noch leistet, ist in die Kategorie sensationell einzuordnen. Und das schönste ist: Er genießt jede Minute davon.
Photo by Jeff Hanisch-USA TODAY Sports

Am 6. Januar—rund 17 Jahre nach seinem NBA-Debüt, neun Jahre nach seiner MVP-Auszeichnung und viereinhalb Jahre nach dem Meisterschaftsgewinn mit seinen Mavericks—schnappte sich Dirk Nowitzki nach Treffer von Teamkollege Parsons aus Spaß den Ball und beschloss, das zu machen, was er eigentlich nie macht. Er stieg für einen einhändigen Dunk in die Lüfte. Besonders hoch stiegen er und seine Füße aber nicht, weswegen der Ball, zwischen Handfläche und Ring eingequetscht, zum Runterfallen verdammt war. Nur eben nicht in den Korb.

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Da ich weder die nötige Größe noch Athletik habe, um überhaupt nur an den Ring zu kommen, kann ich natürlich nicht wissen, was Dirk in diesem Moment genau durch den Kopf ging. Glücklich wird er aber bestimmt nicht gewesen sein, dass er einen Dunk—auch wenn es in der Szene um nichts ging—dermaßen kläglich versemmelt hat.

Doch sollte es ihn wirklich gestört haben, hat er zumindest nicht gezeigt. Vielmehr schnappte er sich kichernd den Ball, warf ihn zum Referee und bewies später auf Twitter mal wieder seinen angenehmen Hang zur Selbstironie. Basketballaffine Internetnutzer deuteten diese Szene als weiteren Beweis für Nowitzkis Frohnatur sowie seine große Demut, mit der Dirk—mittlerweile auch schon 37 Jahre alt—die letzte Phase seiner Karriere angeht. Nowitzki ist wohl der Heiterste unten den alten NBA-Haudegen. Ein angenehmer Gegenpol zum verbissen-theatralisch auftretenden Kobe Bryant, zum erhaben dahinstapfenden Tim Duncan und zum mit Weisheiten um sich schmeißenden Kevin Garnett.

Neben seinem allgemein sonnigen Gemüt hat Nowitzki auch tatsächlich Grund zum Lachen, auch wenn ihm sein Körper immer häufiger signalisiert, dass bald Schluss sein sollte. Er spielt guten Basketball in einem mehr als ordentlichen Team, so wie er es schon während seiner ganzen Karriere getan hat. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass er nochmal um einen Titel mitspielen wird, ist es noch viel unwahrscheinlicher, dass er jemals als Niete unter Nieten spielen wird.

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Für lange Zeit galten die Mavericks als ewige Titelaspiranten, denen der letzte Schritt einfach nicht glücken wollte. Dann, als kaum noch jemand mit ihnen gerechnet hatte, holten sie mit klasse Teambasketball doch noch die Larry O'Brien Championship Trophy. Auch in dieser Saison—mit den beiden Konstanten Nowitzki und Carlisle auf dem Feld bzw. an der Seitenlinie sowie einer neuen Fuhre an Verstoßenen und Weirdos—sind die Mavericks mal wieder ein Team, das einfach nicht schlecht sein kann. Und Dirk ihr natürlicher Anführer.

Wenn du freundlich signalisierst, dass du einen Dreier versenken willst. Foto: Kevin Jairaj/USA TODAY Sports

Auf dem Platz sieht alles danach aus, als wäre die Saisonplanung vollends nach Plan verlaufen. Die Mavs spielen, als würde ihre natürliche Idealbesetzung aus der Post-Brooklyn-Version von Deron Williams, der Post-Achillessehnen-OP-Version von Wesley Matthews, dem sicheren Fehleinkauf Zaza Pachulia und einer ganzen Horde von Backup-Guards, darunter Raymond Felton und Devin Harris, bestehen. Letzterer, wie nur noch Leute mit sehr gutem Gedächtnis wissen werden, war sogar mal All-Star (2009). Zusammen bewegen sie den Ball von der starken zur schwachen Seite, werfen gute Entry-Pässe, kreieren offene Dreier und holen im Schnitt 105 Punkte pro 100 Ballbesitze.

Doch die Wahrheit sieht anders aus. Denn in Wirklichkeit ist bei der Kaderplanung nichts so gelaufen, wie sie sich das vorgestellt hatten. Die aktuelle Mannschaft ist sowas von Plan E, das Produkt einer jahrelangen Transfer-Pechsträhne. Als amtierender Champion war man so kurzsichtig, Tyson Chandler gehen zu lassen, in der Hoffnung, dafür Deron Williams in seine Heimatstadt locken zu können. Das war im Sommer 2011. Nachdem sie Chandler ein paar Jahre später doch wieder in den eigenen Reihen hatten, ließen sie ihn letzten Sommer erneut ziehen, um DeAndre Jordan nach Texas zu holen. Keiner der beiden Pläne war von Erfolg gekrönt. Dazu kommen noch weitere Transferunglücke—die Verpflichtungen von Lamar Odom im Dezember 2011 und Rajon Rondo im Dezember 2014—, die irgendwo zwischen tragisch und saukomisch einzuordnen sind. Nowitzki ausgenommen war wohl kaum ein Spieler in Dallas' aktuellem Kader erste Wahl.

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Die knackigen Auftritte der Mavericks trotz erneuter Offseason-Enttäuschung haben natürlich auch mit Williams, Matthews und Pachulia zu tun, die besser als erwartet spielen. Doch der Hauptverdienst gebührt Dirkules. Seine Skills sind noch immer einzigartig und genau die richtige Waffe für einen Trainer, der nach all den Jahren der Zusammenarbeit so gut wie kein Zweiter weiß, wie er sie perfekt in Szene setzen kann. Trotz seiner 37 Jahre ist Nowitzki noch immer verdammt schwer zu verteidigen. Nowitzki zieht häufig immer noch zwei Verteidiger auf sich und schafft so für seine Mitspieler Freiräume.

Dirk Nowitzki und Zaza Pachulia bilden ein unerwartetes Traumduo. Foto: Jerome Miron/USA TODAY Sports

Das bedeutet nicht, dass Nowitzki für sein Team nur noch eine Art besserer Totempfahl darstellt. Im besagten Spiel gegen die Kings, das sich zu einem Double-Overtime-Thriller entwickelte, ließ sich Dirk von seinem fehlgeschlagenen Dunkversuch natürlich nicht verunsichern, sondern zeigte in den wirklich wichtigen Momenten, dass auf ihn und seinen wahnsinnigen Erfahrungsschatz weiterhin Verlass ist. Auch wenn Kollege Williams am Ende den spielentscheidenden Wurf traf, war es Nowitzki, der in den 15 Minuten zuvor seine Mavericks angeführt hatte. Fünf seiner letzten sechs Würfe saßen, und insgesamt sammelte er 12 Punkte ab Mitte des letzten Viertels. Er versenkte einen Fadeaway über DeMarcus Cousins, warf einen Pass über das gesamte Spielfeld auf Matthews, der nach Treffer und Foul ein Dreipunktespiel rausholte, und traf einen sauschwierigen Dreier. Als Dallas spät in der zweiten Overtime mit fünf Punkten zurücklag, schnappte er sich außen den Ball, dribbelte kurz nach vorn, machte einen Schritt zurück und versenkte aus einer hölzern-hüftsteifen—sprich für Nowitzki typischen—Bewegung heraus einen Dreier. Dieser Korb machte Williams' Gamewinner kurze Zeit später überhaupt erst möglich.

Die Mavericks feierten beim Erklingen der Schlusssirene, als hätten sie gerade die Meisterschaft gewonnen. Macht auch Sinn, denn die werden sie auch dieses Jahr nicht holen können. Neben all den glorreichen Erfolgen des späten Tim Duncan, dem alten Angstgegner von Dirk, kann die überschwängliche Mavs-Freude über einen Regular-Season-Heimsieg gegen einen alles andere als übermächtigen Gegner fast schon ein bisschen traurig wirken. Doch großartige Spieler haben ihre ganz eigene Art, das letzte Kapitel ihrer Karriere zu beschreiten. Kobe, zum Beispiel, erinnert an einen Marathonläufer, der schwört, nicht wegen dem Fame teilzunehmen, am Ende aber doch die jubelnde Menge voller Stolz in sich aufsaugt. Kevin Garnett hingegen gibt schon jetzt den schweißgebadeten Pseudocoach, während Duncan an einen wandelnden Giving Tree erinnert. Was Dirk betrifft, hatte man schon immer das Gefühl, dass er auch an den alltäglichen Dingen seines Sports mehr Freude gewinnen kann als die meisten seiner Kollegen. Er scheint es einfach zu lieben, dass seine so unorthodoxe Weise, Basketball zu spielen, am Ende so verdammt erfolgreich ist und mit dem geleckten NBA-Zirkus entgegen aller Erwartungen so gut harmoniert.

Nowitzki fungiert als Dreh- und Angelpunkt eines ähnlich unkonventionellen Teams, das aktuell im Kampf um die Playoffs sehr gute Karten hat—und das in der starken Western Conference. Trotzdem geht es dieses Jahr über die zweite Runde höchstwahrscheinlich nicht hinaus—eben weil man in der starken Western Conference spielt. In der Zwischenzeit haben die Mavericks jedes Spiel eine gute Chance zu gewinnen, weswegen wir Nowitzki weiterhin mit einem Lächeln auf den NBA-Courts sehen werden. Siege in der Regular Season sind vielleicht nicht die höchste Ehre für einen Ex-MVP, aber trotzdem—zumindest für Dirk Nowitzki—ein Grund zu lächeln.