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Tennis

Top-50-Profis sollen massenweise Spiele manipuliert haben

Über viele Jahre sollen Top-Profis Spiele verschoben haben. Darunter auch Grand-Slam-Sieger. Mindestens genauso skandalös: Die ATP soll davon gewusst haben.

Pünktlich zum Beginn der Australian Open haben BuzzFeed und die BBC einen Bericht veröffentlicht, der die Tenniswelt tief zu erschüttern droht. Mehrere Topspieler, darunter auch Grand-Slam-Gewinner, werden verdächtig, an Spielmanipulationen in großem Stil teilgenommen zu haben. Organisiert wurde das Ganze dem Bericht zufolge von Wettsyndikaten aus Russland und Italien. Die ATP soll schon seit 2008 über den Verdacht verschobener Spiele Bescheid wissen, als ein Match zwischen Nikolai Dawydenko und Martín Vassallo Arguello von solchen unverhältnismäßigen Wetteinsätzen begleitet war, dass eine umfassende Untersuchung eingeleitet wurde. Dawydenko war der überlegene Spieler, was sich auch im ATP-Ranking widerspiegelte. Trotzdem wetteten fast alle auf Arguello. Am Ende gab Dawydenko unter fragwürdigen Umständen auf.

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BuzzFeed und die BBC haben sich vor einiger Zeit interne Dokumente beschafft und eine eigene Analyse des Wettverhaltens bei über 26.000 Spielen aus aller Welt durchgeführt. Hier sind einige der Ergebnisse:

  • Unter den 16 Spielern, die wiederholt Spiele verloren haben, als verdächtig hohe Summen auf ihre Niederlage gewettet wurden, befinden sich Einzel- und Doppelsieger von Grand-Slam-Turnieren.

  • Ein Top-50-Spieler wird verdächtigt, bei den Australian Open wiederholt den ersten Satz verschoben zu haben.

  • Spielern wurden bei großen Turnieren 50.000 Dollar und mehr pro verschobenes Match angeboten. Die Kontaktaufnahme fand häufig in den Spielerhotels statt.

  • Wettsyndikate aus Russland und Italien haben Hunderttausende Britische Pfund damit verdient, dass sie verdächtig hohe Summen auf bestimmte Ergebnisse gesetzt haben, darunter auch in Wimbledon und bei den French Open.

  • Insgesamt mehr als 70 Spielernamen tauchen auf neun geleakten Listen von verdächtigten Wettbetrügern auf, die den Tennisverbänden seit über zehn Jahren vorlagen, ohne dass die etwas unternommen haben.

  • Einige der verdächtigten Spieler sollen auch bei den heute beginnenden Australian Open am Start sein.

Von diesen 70 Spielern tauchen 16 Namen wiederholt auf. Der Bericht nennt keine Namen, „denn ohne Zugang zu Telefon, Banken oder Computereinträgen ist es nicht möglich, zwischen den Spielern und Wettern eine Verbindungslinie zu ziehen." Die sogenannte Tennis Integrity Unit (TIU)—die nach dem Dawydenko-Arguello-Vorfall ins Leben gerufen worden ist—hat die Befugnis, diese Dokumente von den Spielern einzufordern, hielt dies in vielen Fällen aber nicht für nötig.

Der Bericht gibt einen tiefen Einblick in das Thema und ist mehr als lesenswert. Man erfährt auch, dass zwielichtige italienische Wetter Journalisten Informationen gegen Geld angeboten haben. Nach dem Motto „Du kannst mir ein Angebot machen und dann erzähle ich dir vielleicht noch einiges mehr." Indem sie sich intensiv mit dem Dawydenko-Arguello-Match beschäftigt haben, konnten die Ermittler viele weitere Fälle von Spielmanipulation aufdecken. Die Beweislast ist laut den Ermittlern so erdrückend, wie sie es noch nie zuvor in ihren langen Karrieren erlebt haben.

Doch aus all den Informationen, die der TIU vorlagen, machte die eigentlich für Integrität zuständige Untersuchungsgruppe nie etwas. Vor allem Jeff Rees—ein ehemaliger Polizist, der einst eine Anti-Korruptions-Einheit bei der International Cricket Council gegründet hatte—schien unter allen Umständen nicht aktiv werden zu wollen. Rees ging sogar soweit, dass er an die Ermittler einen Brief rausgeschickt hat, in dem er mit Verleumdungsklagen drohte, sollten sie ihre Untersuchungen nicht einstellen.

Die Spielmanipulationen sind definitiv ein Problem, aber das noch viel größere Problem scheint darin zu bestehen, dass die obersten Tennisfunktionäre nichts dagegen tun wollen.