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„Auswärtsfahrer halten zusammen" – Ein BVB-Fan über vier Franzosen auf dem Sofa

Nach dem Anschlag auf den BVB-Bus startete mit dem Hashtag #bedforawayfans eine Solidaritätswelle. Ein BVB-Fan erklärte uns, warum für ihn Gastfreundschaft nichts Besonderes ist.
Foto: twitter.com

„Dortmund, Dortmund", schallte es gestern durch das Westfalenstadion. Die Rufe im spärlich gefüllten Stadion kamen jedoch nicht von der legendären Dortmunder Südtribüne, sondern wurden von mitgereisten Fans der AS Monaco aus dem Auswärtsblock angestimmt. Sie waren eine solidarische Reaktion auf die Vorkommnisse zuvor – und sollten nur der Anfang einer unglaublichen Welle aus Hilfsbereitschaft sein.

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RT_com: VIDEO: AS Monaco fans chanting 'Dortmund! Dortmund!' after BVB team bus was hit by blast … pic.twitter.com/GojmvqDHQb
— Nu Metal Kid (@Nu_Metal_Man) 11. April 2017

Als der Mannschaftsbus von Borussia Dortmund rund anderthalb Stunden vor dem Champions-League-Viertelfinalspiel gegen Monaco das Hotel verließ, detonierten drei Sprengsätze. Die Scheiben des Busses gingen zu Bruch, BVB-Verteidiger Marc Bartra erlitt einen Armbruch und wurde später im Krankenhaus operiert. Auch ein Polizist wurde verletzt. Das Spiel wurde abgesagt und auf den heutigen Mittwoch verschoben. Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange mahnte auf einer Pressekonferenz am späten Abend, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen: „Es ist immer noch nicht klar, was die konkreten Hintergründe der Tat sind." Die Beamten wollen sich nun auf einen Großeinsatz am heutigen Spieltag vorbereiten würden. Die Fans zeigten währenddessen, welche verbindende Kraft der Fußball vor allem in den dunklen Stunden hat.

Dear supporters of @AS_Monaco_EN! If you need accommodation in Dortmund, please check #bedforawayfans. #bvbasm
— Borussia Dortmund (@BVB) 11. April 2017

Fernab der Rivalitäten verbindet der Fußball mehr, als dass er trennt. Die Terminverschiebung auf den heutigen Mittwoch um 18.45 Uhr durchkreuzte die Reisepläne tausender Fußballfans. Besonders die Monaco-Anhänger wollten nach dem Spiel zurück nach Frankreich reisen, mussten nun aber eine Nacht in Dortmund verweilen. Aber auch viele BVB-Fans, die eine weite Anreise auf sich genommen hatten, brauchten einen Schlafplatz. Für die Fußballgemeinschaft war dies jedoch keine Hürde, vielmehr die Möglichkeit zu beweisen, wie eng sie zusammenstehen kann. Über Twitter verbreitete sich – etwa über den offiziellen BVB-Account – der Hashtag #bedforawayfans. Hunderte BVB-Fans boten dort Schlafplätze für Obdach-Suchende an. Bis in die Nacht verbanden Retweets, Google-Translate und die gegenseitige Hilfsbereitschaft hunderte deutsche und französische Fans im Ruhrgebiet.

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#bedforawayfans and #tableforawayfans es sind alle hungrig pic.twitter.com/h4TChsRNY9
— Vespafoto (@vespafoto) 11. April 2017

Schon nach wenigen Stunden spülten die ersten Bilder von BVB- und Monaco-Fans, die gemeinsam an Tischen aßen oder auf Sofas tranken, in die Timelines der sozialen Medien. So wurde ein Bild eines deutsch-französischen Spaghetti-Essens des Users Vespafoto über 12.000 Mal retweetet und verbreitete sich auf der ganzen Welt. Auch User Doerpm postete ein Foto auf dem er erklärt, dass die Mutter eines Freundes das Haus verließ, um zwei Monaco-Fans aufzunehmen und sie mit acht Anhängern zurückkam. Und er versichert: „Sie hatten eine großartige Zeit!" Auch andere User setzten mit ihren Bildern im Internet ein Zeichen für Solidarität und gegen Gewalt.

Friend's mum goes to station to get 2 @AS_Monaco Fans to his house. She came back with 8. They're having a great time. #inbedwithfootball pic.twitter.com/UOu2JgQU4c
— Jay Jay (@doerpm) 11. April 2017

„Ich habe auf Twitter von der Aktion gelesen und wollte da mitmachen. Ich dachte nur: Da brauchen Leute Hilfe", erzählt BVB-Fan Ben, der in seiner Dortmunder Wohnung sechs Fans aufnahm. „Ich hatte mich wegen der Spielabsage mit einem Kollegen in eine Kneipe gesetzt, um einen zu trinken, und die sind dann über Whatsapp zu uns gekommen. Anschließend haben die vier Franzosen und spontan noch zwei BVB-Fans bei mir auf dem Sofa und in der Wohnung gepennt", schildert Ben im Gespräch mit VICE Sports. Für ihn ist die Aktion nichts Außergewöhnliches. „Es war selbstverständlich und nichts Besonderes. Zudem war es super entspannt. Ich habe alle zwei Wochen zu Heimspielen Freunde da, die bei mir schlafen", erklärt er. „Wir Auswärtsfahrer halten zusammen. Wenn ich auswärts in Monaco gewesen wäre und da wäre so etwas passiert, wäre das auch geil gewesen, wenn ich irgendwo einen Schlafplatz bekommen hätte."

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Dass so etwas nur in Dortmund funktioniert, glaubt Ben übrigens nicht. „Die Stadt Dortmund ist besonders offen und sozial. Aber ich glaube in anderen Städten wäre es ähnlich. Es zeigt, dass Fußballfans besonders sind." Dennoch will er die Sache nicht so hoch hängen, wie es alle gerade tun. „Alle machen immer einen Hype daraus, doch es macht keiner, um besser dazustehen. Wir machen das um anderen Leuten zu helfen, wenn sie Hilfe brauchen." Das Spiel heute Abend wird laut Ben wegen der Vorkommnisse besonders: „Das wird intensiver als sonst, kann ich mir vorstellen." Heute morgen brachte er die vier Schüler aus Lille, die eigentlich Fans vom OSC Lille sowie dem AS Saint-Étienne sind und als Monaco-Sympathisanten vor allem für das Erlebnis im Westfalenstadion nach Dortmund kamen, zu ihrem Auto. Den Humor hat er aber trotz der ernsten Lage nicht verloren: „Leider hab ich ausgerechnet die vier Franzosen erwischt, die nichts getrunken haben. Es war trotzdem super – aber heute habe nur ich einen Kater."

Die AS Monaco schrieb noch am späten Abend auf Twitter, dass sie die Rechnungen für Übernachtungen von bis zu 80 Euro für ihre Fans erstattet. Eine Stunde später postete der Account des Tabellenersten der Ligue 1 dann noch einige Bilder von BVB- und AS-Fans – mit einem Zusatz in deutscher Sprache: „Das ist Fussball." Das Spiel ist nicht mal wiederholt und die Täter noch nicht bekannt, doch ein Fazit kann schon jetzt gezogen werden: Die Fußballfans aus Frankreich und Deutschland vereint ihre Liebe zum Fußball und zur Freiheit. Oder wie es Twitter-Userin und Schalke-Fan Nilena10 schreibt: „Der #bedforawayfans Hashtag zeigt einfach, dass Hass die Liebe nicht zerstören kann. Niemals!"

Das ist Fussball ! #BVBASM #BedForAwayFans @BVB pic.twitter.com/9qP1Pek9V8
— AS MONACO (@AS_Monaco) 11. April 2017