Adler und Eulen: zwei Vereine, eine Freundschaft
Alle Fotos: David Shaw

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Berlin

Adler und Eulen: zwei Vereine, eine Freundschaft

Seit vielen Jahren besteht zwischen den Fans von Eintracht Frankfurt und Oldham Athletic eine fast schon familiäre Freundschaft. Beim Auswärtsspiel der Eintracht in Berlin waren auch wieder Fans aus England dabei. Und wir natürlich auch.

Thomas und Ben grinsen bis über beide Ohren, als sie um die Ecke biegen und schon aus der Weite die lautstarken deutsch- und englischsprachigen Fangesänge hören, die aus einer Ostberliner Kneipe dringen. Beide Männer sind Fans von Oldham Athletic, einem Team aus dem Norden Englands, und sind gemeinsam nach Berlin gereist, um sich hier zusammen mit einer Gruppe Frankfurt-Fans das Spiel ihrer Eintracht gegen Hertha BSC anzuschauen. Bevor es aber ins Stadion geht, heißt es erstmal Vortrinken in einer Fußballkneipe.

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Oldham Athletic ist ein Verein mit einer langen Geschichte, auch wenn es in der jüngeren Vergangenheit auf und neben dem Platz ein paar Probleme gab. Angefangen damit, dass der Klub seit mittlerweile 19 Jahren in der League One, der dritten englischen Liga, feststeckt. Dennoch hat der Verein eine ganz besonders treue und leidenschaftliche Anhängerschaft, die bei Heimspielen stets für eine tolle Atmosphäre sorgt. Doch nicht nur zu Hause, sondern natürlich auch auswärts kann der Verein auf seine Fans setzen. Ultras von Oldham Athletic folgen ihrer Mannschaft auf Schritt und Tritt und fahren auch zu Turnieren ins Ausland. Genau bei einem dieser Turniere, vor vor 30 Jahren in Paris, entstand auch die enge Freundschaft zwischen Frankfurt und Oldham, oder anders ausgedrückt: zwischen Adlern und Eulen.

Alle paar Monate besuchen sich die beiden Fangruppen, wobei es dann nicht nur um Fußball, sondern auch um andere soziale Aktivitäten geht—allen voran Biertrinken. Eintracht-Fan Bernhard zum Beispiel schwört auf echtes britisches Ale, wohingegen John und Pete aus Oldham voller Vorfreude ankündigen, im Berliner Olympiastadion das ein oder andere Bier trinken zu wollen—ein Luxus, von dem englische Fußballfans aufgrund des Alkoholverbots in Stadien nur träumen können.

Auch wenn das Biertrinken bei Fantreffen beider Lager nie zu kurz kommt, verbindet viele Fans doch weitaus mehr als nur der Alkohol. Laurence Smith zum Beispiel wird richtig sentimental, als er davon erzählt, wie er dank seiner vielen Deutschlandreisen den Töchtern von Bernhard beim Erwachsenenwerden zuschauen konnte. Schnell wird klar: Das ist mehr als nur ein Fantreffen, das ist vielmehr ein heiteres Wiedersehen unter alten Freunden. Darum überrascht es auch nicht, als sie mir erzählen, dass sie sich sogar schon gegenseitig zu den Hochzeiten eingeladen haben.

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Das Spiel selber war ziemlich langweilig und endete torlos, das konnte aber nicht die Stimmung der Fans im Stadion trüben. Die Frankfurter Ultras zeigten ihren Freunden aus England, wie perfekte Choreos und wilde Bengalo-Shows auszusehen haben. Bei Letzteren wäre es in England wohl zu einem Spielabbruch gekommen. Die Oldham-Fans sind unter den tausenden mitreisenden Eintracht-Fans eine kleine Berühmtheit und werden stets freundlich empfangen. Die wiederum drücken ihre Zuneigung dadurch aus, dass sie Frankfurt-Hymen in einigermaßen fließendem Deutsch mitsingen können.

An einem der Abende kam es in der Fankneipe der Adler und Eulen an der Warschauer Straße zu einem hässlichen Zwischenfall, als sie von Berliner Hooligans angegriffen wurden. Doch anstatt gewalttätig zurückzuschlagen, wie man es vielleicht—den Stereotypen folgend—von englischen Fußballfans erwartet hätte, blieben sie friedlich und waren vor allem eins: schwer enttäuscht. Diese Fußballanhänger stehen nämlich für eine neue, vorbildliche Fankultur und zeigen, dass ein Sport, den die ganze Welt liebt, auch—und gerade—zwischen unterschiedlichen Fanlagern nicht in unsportliche Hassexzesse ausarten muss.