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Selbstdarstellung

Der Präsident lädt zu Brot und Spielen

Mit sportlichen Großveranstaltungen und gekonnter Selbstdarstellung versucht Wladimir Putin davon abzulenken, dass die russische Wirtschaft am Boden liegt. Das Ziel ist es, Russland zum „Zentrum der Sportwelt" zu machen.
Foto: Creative Commons/CC BY 2.0

Vor Kurzem schoss Wladimir Wladimirowitsch Putin ganze acht (!) Tore bei einem Eishockey-Showmatch in Sotschi. Teil dieses inszenierten Spiels waren neben dem russischen Verteidigungsminister auch die beiden russischen NHL-Veteranen Pavel Bure und Valeri Kamensky, die Putin bei seinem Scoring-Rausch tatkräftig assistierten.

Wie es sich für ihn gehört, verwandelte Wladi seine Tore in spektakulärer Manier, während seine Verteidiger angsterfüllt klein beigaben. Vieles hing wahrscheinlich auch damit zusammen, dass sie der alleinige Gedanke, in einem sibirischen Gulag zu enden, wenn sie Putin zu hart rangenommen hätten, erstarren ließ.

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Große sportliche Ereignisse scheinen momentan in Russlandhoch im Kurs zu stehen. Denn obwohl es nur ein Showmatch war, geisterten Berichte über Putins Torgefährlichkeit auf dem Eis für die nächsten Tage durch die internationalen Medien. Durch dieses Show-Event hatte Putin es mal wieder geschafft, die Blicke der internationalen Medienwelt auf sich und Russland zu ziehen. Etwas, das er beherrscht wie kein anderer.

Foto: imago/ITAR-TASS

Auch in der Vergangenheit kamen wir bereits in den Genuss eines russischen Präsidenten, der Wölfe jagte, einen Hang-Glider flog, mit freiem Oberkörper durch die russische Steppe ritt und sich dadurch dem eigenen Volk als Draufgängertyp (und Retter des russischen Volkes) präsentierte. Putin ist sich über die Macht der Bilder bewusst und liebt die Inszenierungen seiner selbst. Anhand seiner sportlichen Demonstration von Stärke scheint er auch indirekt auf das Bild von Russland Einfluss nehmen zu wollen. Eines kann man dem Mann mit dem versteinert wirkenden Gesicht bei seinen Eskapaden wirklich nicht absprechen: Wladi ist eine verdammte Sportskanone. Doch wieso identifiziert sich Putin so sehr mit Sport? Welchen Nutzen zieht er daraus?

Brot und Spiele hat schon bei den Römern funktioniert. Und Putin versucht, dieses Prinzip auf seine Weise umzusetzen. Seine Person wirkt dabei als Hauptcharakter in einer glorifizierenden Propagandamaschinerie. Sie zeigt ihn als sportlichen Sympathieträger und starken politischen Helden, der auch noch mit 62 Jahren seine Gegner aussticht. Sei es beim Eishockey oder im Judo, beim Jagen oder beim Reiten.

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Es geht um die Demonstration von Stärke. Eine Eigenschaft, die er für sich als Person einfordert und auch für sein Land. Dafür benutzt er auch sportliche Großereignisse, wie Olympiaden und Weltmeisterschaften, um von den weltlichen Problemen Russlands abzulenken. Im April 2015 lag die Inflationsrate des Rubels bei 16,4 Prozent, doch wen kümmert das, wenn man durch prestigeträchtige Großevents wie Olympische Spiele, eine Weltmeisterschaft oder ein Formel-1-Rennen im eigenen Land das Volk eines Besseren belehren kann, richtig?

Es ist das machohafte Auftreten, mit dem er Macht demonstriert und seinem Russland zum alten Glanz zurück verhelfen will. Seine Inszenierung durch Sport spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Bei seinen Abenteuern zeigt er sich als harten Typen, der weder vor Spitzensportlern, Tigern noch großen Höhen zurückschreckt. Überträgt man diese Herangehensweise auf seine Politik, wird schnell klar, dass ein solcher Präsident natürlich auch keine Angst vor Amerikanern und schon gar nicht vor angedrohten Wirtschaftssanktionen in Hinblick auf seine skrupellose Außenpolitik im Ukraine-Konflikt hat.

Foto: imago/ITAR-TASS

Vor diesem Hintergrund sollte man es dann auch nicht zu ungewöhnlich finden, dass Putin für ein Foto neben einem frisch erlegten Tiger posiert. Doch um ehrlich zu sein, ist es schon ein wenig befremdlich, wenn man sich vor Augen führt, dass dieser mit freiem Oberkörper durch die Prärie ziehende, wildkatzenjagende Typ gleichzeitig das flächenmäßig größte Land dieser Erde regiert.

Foto: imago/ITAR-TASS

Auch zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi zeigte Putin, wie viel Liebe zum Sport in ihm steckt. Das Resultat: die teuersten Spiele in der Geschichte und eine 37,5 Milliarden Euro Propaganda-Show der Extraklasse. Diese Spiele bewiesen eindrucksvoll, dass Sport für Putin viel mehr ist als nur einfache Leibesertüchtigung. Es ist eher eine überzogene Selbstdarstellung Russlands, die aus dem Protzen gar nicht mehr herauskommt. Was man in Sotschi sehen konnte, war eine marode Fassade Russlands überdeckt von einem Mantel von Glanz und Gloria. Obwohl die Winterolympiade aus finanzieller Sicht eine einzige Katastrophe war und Sotschi heute einer Geisterstadt gleicht, steht mit der Fußball-WM 2018 schon das nächste Großereignis vor der Tür. Wieder ein Event, das die Möglichkeit bietet, Stärke zu beweisen, zu zeigen, dass in Russland alles im Lot ist. Ganz nebenbei bietet sich die Chance, die bröckelnde Infrastruktur vieler Städte aufzubessern. Russland soll zum „Zentrum der Sportwelt" werden, hieß es kürzlich aus dem Sportministerium, und mit sportlicher Dominanz lässt sich gut angeben. In Russland macht man sich also nicht viel aus gefloppten Winterspielen—geschweige denn, dass man etwas dazu gelernt hätte.

Denn mit der Fußball-WM 2018 scheint alles in dieselbe Richtung zu gehen. Unfassbare 30 Milliarden Euro wurden angesetzt, um neue Stadien und Hotels zu bauen und die Infrastruktur der ausrichtenden Städte auf Vordermann zu bringen. Insgesamt mehr als doppelt so viel wie für die WM in Brasilien. Aber vor dem Hintergrund einer katastrophalen Menschenrechtssituation, Regimekritikern, die auf mysteriöse Weise zum Schweigen gebracht werden, sowie des weiterhin schwelenden Ukraine-Konflikts wird immer hartnäckigere Kritik an der FIFA laut, die sich um die politische Situation in den Ausrichterländern nicht wirklich zu scheren scheint. Mittlerweile wird nicht nur von einigen deutschen Politikern eine Verlegung der Spiele gefordert, sondern auch ein kompletter Boykott von Seiten der Europäischen Union in Betracht gezogen. In einem Gespräch mit der FAZ äußerte sich der frühere Präsident des Deutschen Fußballbunds, Theo Zwanziger, dass, im Hinblick auf den Ukraine-Konflikt, Putin vielleicht noch „über den Sport zum Einlenken zu bringen sei", doch der Zeitpunkt über einen Entzug der WM sei noch nicht gekommen. Und so wird Putin weiter sein Schaulaufen für den Standort Russland fortsetzen, Tiger erlegen oder wie ein russischer James Bond mit einem Hang-Glider durch die Lüfte fliegen.

Folgt Jermain auf Twitter: @jayraff