Der deutsche Basketball hat die Ära Nowitzki nicht genutzt
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Der deutsche Basketball hat die Ära Nowitzki nicht genutzt

Eine fehlende deutsche Basketball-Identität macht Dirk Nowitzki noch immer zum Stiefkind des deutschen Sports.

Er gehört zu den besten Sportlern, die Deutschland hervorgebracht hat. Schaut man auf die Liste der besten Punktesammler der NBA, steht der Name Dirk Nowitzki an siebter Stelle. Hinter ihm: Spieler wie Larry Bird, Moses Malone oder Hakeem Olajuwon. Mittlerweile sind es siebzehn Jahre, in denen „Dirkules in der NBA seine Gegenspieler zur Verzweiflung bringt und sich zu einem Spieler entwickelt hat, der das Spiel des europäischen Power Forwards revolutioniert hat. In den Augen der amerikanischen Fans ist er schon längst einer von ihnen, ein Texaner und mittlerweile ist die NBA ohne einen Nowitzki mit seinem Step-Back-Fade-Away fast nicht mehr vorstellbar.

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Foto: imago/ ZUMA Press

Nun steckt er in den letzten Zügen seiner Karriere, doch obwohl der 36-Jährige eigentlich alles geschafft hat, was man in der NBA erreichen kann, ist das Echo auf die großen Erfolge in der deutschen Gesellschaft eher verhalten. Für einen Großteil der deutschen Bevölkerung scheint Basketball einfach immer noch zu fremd und ein Sportler wie Dirk Nowitzki in den USA zu weit weg zu sein. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass sich einige von ihnen aktiv dagegenstellen, einer Person zu huldigen, die in Amerika schon jetzt zur Legende ausgerufen wurde.

Doch warum ist das so? Wurde der damalige Hype, den ein Spieler wie Dirk Nowitzki im eigenen Land hätte kreieren können, verschenkt? Mit ihm hätte der deutsche Basketball endlich aus der Ecke des ewigen Nischensportes hervorkommen können. Wie kann es sein, dass Dirk Nowitzki—trotz seines für einen deutschen Basketballer noch nie zuvor dagewesenen Erfolgs—immer noch als das Stiefkind des deutschen Sports behandelt wird?

Vieles wird wohl an König Fußball liegen, der Randsportarten wenig Raum lässt, sich zu entfalten. Doch Nowitzkis Erfolge hätten einen viel größeren Hype in Basketball-Deutschland generieren müssen und den Deutschen eine Basketball-Identität geben können.

Foto: imago / Icon SMI

Dabei geht es nicht nur um seine Erfolge auf amerikanischem Boden. Dirk Nowitzki bewies auch im internationalen Basketball-Geschäft, dass er ein Spieler ist, den man jeder Zeit auf seiner Rechnung haben sollte, weil er in wenigen Minuten das Spielgeschehen an sich reißen kann. Dies stellte er 2001 eindrucksvoll unter Beweis und führte die deutsche Mannschaft bei der Europameisterschaft in der Türkei zu einem vierten Platz. Ein Jahr später, bei der Weltmeisterschaft in Indianapolis, konnten wir sogar Bronzemedaillen sehen, die um die Hälse unserer deutschen Spieler hingen. Allen voran ein zum MVP gekrönter Nowitzki. Wäre dies nicht der perfekte Zeitpunkt gewesen, um eine Großoffensive für den deutschen Basketball zu starten und auf die Welle des Hypes dieser Galionsfigur des Basketballs aufzuspringen, ja sich von ihr tragen zu lassen? Es lag da wie auf dem Präsentierteller und blieb unbeachtet liegen.

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Doch auch dem Deutschen Basketball Bund kann man eine gewisse Schuld ankreiden, denn er schaffte es in den bisherigen 17 NBA-Jahren von Nowitzki nicht, ein Turnier nach Deutschland zu bringen. Sicher etwas, dass auch an Dirk Nowitzki nagt. Denn der Würzburger hat immer alles für die Nationalmannschaft gegeben.

Foto: imago/Camera 4

Bis heute blieb ein großes Turnier in Deutschland aus, obwohl mit Veranstaltung der Vorrunde der EM in diesem Jahr schon ein Teilerfolg erzielt wurde. Doch in der Vergangenheit waren es Länder wie die Türkei, Schweden oder Serbien, in denen die europäischen Nationalmannschaften aufeinander trafen, um den Meister unter sich auszumachen. Eigentlich hätte man schon viel früher von Verbandsseite eingreifen müssen. Doch Vergleiche mit den kleineren Nationen, die vorherige EMs veranstalteten, sieht der Verband als schwierig.

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„„Es ist ein riesiger Unterschied, in Staaten wie Polen oder Litauen eine EM zu veranstalten, denn dort gibt es Bezuschussungen für solche Großveranstaltungen", sagt Christoph Büker, Pressesprecher des Deutschen Basketball Bundes. „„Eine Europameisterschaft in Deutschland ist immer mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden und bei einem Fehlschlag kann man mal schnell den gesamten Verband gegen die Wand fahren."

Doch es sind diese Events, die Basketball-Identität im eigenen Land fördern, und für so etwas Essentielles sollte man kalkulierte Risiken eingehen. Wirtschaftsstarke Sponsoren gäbe es in Deutschland allemal.

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In der Vergangenheit haben wir eigentlich viel zu viel auf ihn geachtet, immer ging es um Nowitzki und auch zur diesjährigen EM fragt jeder nach ihm.

Auch den Hype um Nowitzki sieht Büker als dagewesen und nicht verschenkt. „Ganz im Gegenteil. „In der Vergangenheit haben wir eigentlich viel zu viel auf ihn geachtet, immer ging es um Nowitzki und auch zur diesjährigen EM fragt jeder nach ihm."

Doch was noch immer fehlt ist eine deutsche Basketball-Identität. Nicht ganz unbeteiligt war wohl auch das Verhalten der Basketball-Bundesliga in der Vergangenheit. Lange wurde die Strategie verfolgt, mit amerikanischen Spielern die deutsche Liga „attraktiver zu machen. Meist Akteuere, die kurz in der Liga zockten, um dann weiter zu ziehen und von dem nächsten Importspieler ersetzt zu werden. Ein Teufelskreis, in dem die jungen Nachwuchs-Talente am Meisten litten. Ihnen fehlte der natürliche Raum, um sich zu entfalten. Meist wurden in der Vergangenheit von den Trainern der deutschen Profiligen komplette Spieler gefordert. Doch ohne ausreichend Spielpraxis ist es nahezu unmöglich, zu einem solchen zu werden. Demnach ist es auch verständlich, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen in der breiten Masse keinen großen Pool von international konkurrenzfähigen Spielern bieten kann.

Doch so langsam scheint ein Umdenken eingesetzt zu haben. Durch die Deutschen-Quote sind die Vereine gezwungen, ihre Spieler auszubilden und an das Spiel heranzuführen, um deutsche Spieler zu entwickeln und potentielle Überflieger schnell in der Nationalmannschaft integrieren zu können. Bewusst oder unbewusst scheint sich also auf eine Post-Nowitzki-Ära vorbereitet zu werden. Die neuen Zugpferde: Dennis Schröder, Tibor Pleiss oder Maxi Kleber. Es ist das Team, das im Vordergrund stehen soll, und vielleicht schafft der deutsche Basketball es, sich durch eine größere Identifikation über das Team ein Wir-Gefühl zu erarbeiten und Basketball von seinem Nischen-Dasein zu erlösen. Etwas, das mit einem der ganz Großen des Basketballs, einem „Dirkules, versäumt wurde.

Foto: Dennis Schröder während der EM-Qualifikation 2014/2015 ; Imago/Camera 4

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