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Clubkultur

​Zwischen Techno und Raketen: Booker Asaf Samuel spricht mit uns über „The Block" in Tel Aviv

Asaf sprach mit uns über Clubkultur in Tel Aviv und das "Wir können alle gleich sterben also lasst diesen Tag den besten aller Zeiten sein"-Gefühl.
Text

Als ich einem knappen Jahr zum ersten Mal nach Tel Aviv gereist bin, hat mich die Stadt mit größter Wärme empfangen. Unser Künstlernetzwerk in München hatte den Empfang mit viel Leidenschaft vorbereitet und ich traf genau die Leute, die man treffen will, wenn man das erste Mal in eine Szenemetropole wie die israelische Wüstenstadt Tel Aviv kommt. Einer von diesen Leuten ist Asaf Samuel. Asaf hat über Jahre hinweg die stadtbekannte Bar Michatronix betrieben, besitzt seit einem Jahr den Undergroundclub TAHAT, was in deutscher Übersetzung nichts anderes als Arsch bedeutet und ist einer meiner Meinung nach einer der begabtesten DJs im nahen Osten. Im Juni hat sein frisch gegründetes Label Malka Tuti sein erstes Release gehabt und seit einiger Zeit ist Asaf auch Resident und prägender Teil von Tel Avivs bedeutendstem Club „The Block".

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THUMP: Hasst du alle Deutschen?
Asaf Samuel: Hass ist ein großes Wort, ich hasse niemanden. Ich mag einige Leute nicht, aber selbst das hat wahrscheinlich irgendwas mit mir selbst zu tun.

Als ich euch besucht habe, habe ich eine besonders familiäre Atmosphäre in euren Kreisen bemerkt. Seid ihr da einzigartig oder ist das einfach mit der israelischen Mentalität verknüpft?
Mir gefällt zwar der Gedanke, dass wir etwas Besonderes sind, aber die meisten Leute in Tel Aviv sind super warmherzig und immer offen. Nenn es den "wir sind alle eine große Familie"-vibe oder das "wir können alle gleich sterben also lasst diesen Tag den besten aller Zeiten sein"-Gefühl.

Im August bist du Teil der Familie von „The Block" geworden. Wie könnt ihr dort jede Woche so große Bookings wie Seth Troxler, Dixon, Ben Klock und Âme realisieren und worauf werdet ihr euch in der Zukunft konzentrieren?
Ich habe dort seit längerem meine Residency und bekomme nun regelmäßig einen der Räume, um unsere 84%Creativity Label Night zu veranstalten und unsere Freunde aus Übersee einzuladen. Ich glaube wirklich an die Art und Weise wie „The Block" seinen Vibe aufrecht erhält. Keine Handys auf dem Dancefloor, der Main Floor ist ein Nichtraucherbereich und die Anlage eine der besten der Welt. Wenn du also alles zusammenzählst, brauchst du dann auch das beste Booking auf der Welt.

Ich hab gehört, der Besitzer von „The Block" muss ein ziemlicher Sound- und Gear-Nerd sein, der mehr Zeit an der Endstufe als vorne im Club verbringt. Stimmt das?
Yaron ist ein Genie. Ich erinnere mich noch daran, als ich meinen ersten Gig gespielt habe. Da ist er alle zwei Minuten in den Hinterraum gegangen. Ich war mir sicher, dass er dort die ganze Zeit am rotzen ist und dann hat sich herausgestellt, dass er den Sound justiert hat—durchgehend. Er kam dann zu mir und sagte, dass jeder Track seine eigenen perfekten Konditionen verdient hat, um optimal zur Geltung zu kommen. Er meint, Frequenzen, die möglicherweise jemand wahrnehmen könnte. Es ist ohne Frage sehr inspirierend, ihn in Aktion zu sehen.

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Woher kommt es, dass in Israel besonders deutsche Acts so gehyped werden?
Das muss wohl an der Easyjet-Route liegen (lacht). Und mittlerweile werden deutsche Acts auch nicht mehr so gehyped. Jeder Club, jede Bar, ja wahrscheinlich jedes Restaurant hatte zwischen 2009 und 2013 einen Berliner an den Platten gehabt. Irgendwann war der Bogen aber überspannt, weil es die Promoter übertrieben haben. „Ein DJ aus Berlin. Wow!"

Ich war überrascht, wie offen in den Nachtclubs Tel Avivs Drogen konsumiert werden, haben die alle keine Angst vor den Girls mit den G36 Gewehren?
Die meisten Konsumenten rauchen nur Pot und wollen ein bisschen Ruhe von dem ganzen Lärm und Stress den ein Leben in Tel Aviv mit sich bringt. Die Leute arbeiten hier sehr viel und entspannen sich bei einem nicen Spliff. Für die meisten gehört das hier zum Lebensstil dazu. Vom Doktor, über den Anwalt bis hin zum 18 Jährigen Hip Hop Produzenten. Solange du das in einem entspannten Umfeld machst will dir keiner an die Eier. Die Polizei konzentriert sich hier auf die großen Hunde, nicht auf die kleinen Kläffer.

Als ich das erste Mal einen Club in Tel Aviv betrat, wurde ich von einer unbeschreiblichen Energie überwältigt. Siehst du Verbindungen zwischen der israelischen Habachtstellung und dem einzigartigen Vibe in Tel Aviv? Was verbindest du mit dem Satz "we will not stop dancing" (Dolphinarium Attentat - Anm. d. Redaktion) und glaubst du, dass dieses Ereignis noch immer in den Köpfen der jungen israelischen Clubgänger herumschwirrt?
Diese Verbindung von der du sprichst ist unbestreitbar sehr stark. Die Leute hier, sei es bewusst oder unbewusst, leben jeden Tag so, als wäre es einer ihrer letzten auf diesem Planeten. Das liegt an unseren blutigen Vergangenheit, der problematischen Gegenwart und ja, die Zukunft sieht auch nicht besonders strahlend aus. Seit der vergangenen Wahl ist wirklich die Luft raus. Tel Aviv war geblendet von Lügen einer besseren Zukunft, aber das Volk hat gesprochen und wieder einmal führt Bibi (Benjamin Netanjahu - Anm. d. Redaktion) unser Land in eine ungewisse, aber gewiss schlechtere Zukunft.

In diesem Jahr hast du mit deinem Freund Katzele das Label Malka Tuti gegründet. Was plant ihr nach dem ersten Release von deiner Freundin Xen und Red Axes?
Wir hatten zwei Möglichkeiten, entweder in Rente zu gehen oder einen zweiten Release zu machen. Wir haben uns für die zweite Option entschieden. Ihr könnt ihn euch auf Juno vorbestellen.

In deinem eigenen Club "TAHAT" hostest du regelmäßig Events mit arabischer elektronischer Musik. Wie präsent ist der Israel-Palästina Konflikt in eurem Alltag?
Zuallererst ist es eines meiner Lieblingsgenres. Je langsamer desto besser. Wir glauben, dass alles was wir tun einen Unterschied machen kann. Wir können einen weiteren Ziegel der "Hassmauer" abbrechen, die unsere Regierungen erschaffen. Wenn du israelische und arabische Leute zusammen zu arabischer Musik in einem israelischen Club tanzen siehst, dann kannst du es förmlich spüren wie sich etwas verändert. Langsam und vielleicht auch unterschwellig, aber es passiert. Tel Aviv mag eine Blase sein, aber ich denke, dass sie die Macht hat mehr zu beeinflussen als es scheinen mag.

Warum entscheiden sich trotz dieses einzigartigen Vibes so viele junge Israelis in Europa und speziell in Berlin zu leben?
Nun es liegt wohl daran, dass Berlin billiger ist. Berlin ist offener für subversive Ideen und stellt man Kapitalismus und Sozialismus gegenüber, dann ist es kosmopolitischer und weniger homogen als Tel Aviv. Du musst nicht 6 Tage die Woche arbeiten, um dann festzustellen, dass dein ganzes Geld für Miete, Steuern und Rechnungen drauf geht. Somit hast du mehr Zeit dich selbst, deine Realität und die Gesellschaft zu erkunden. Auf der anderen Seite ist es hier fast das ganze Jahr kalt, was mich das alles nicht so ganz begreifen lässt.