Ich will die Red Hot Chili Peppers nicht in Schutz nehmen, aber beruhigt euch wegen ihres Super Bowl-Auftritts

Der Super Bowl ist jetzt schon vier Tage vorbei, was in Zeiten des Internets eine Ewigkeit ist. Trotzdem hört die Aufregung um den Halbzeit-Gig von den Red Hot Chili Peppers nicht auf: Alle halten den Auftritt für eine der unehrlichsten Darbietungen in der Geschichte des Super Bowls—wenn nicht gar des Rock'n'Rolls—und schreien nach einer Erklärung, warum auf dem Feld so ein blasser Abklatsch vom Original zu sehen war.

Das Internet in Aufruhr—natürlich Normalzustand im Internet—über die schockierenden Anschuldigungen, dass die Red Hot Chili Peppers in der Halbzeitpause anscheinend Playback aufgetreten sind. USA Today liegen die Fotos vor, die diese unglaubliche Verschwörung aufdecken und zeigen, dass die Gitarren von Flea und Josh Klinghoffer weder mit Kabeln noch mit Funkverbindungen ausgestattet sind. „Wut macht sich über die uneingestöpselten Gitarren der Red Hot Chili Peppers beim Super Bowl breit“, lautet eine hysterische Schlagzeile. „Die Red Hot Chili Peppers haben beim Super Bowl nicht mal ihre Gitarren eingestöpselt“, heult eine andere). Und diesen Leuten möchte ich sagen: Herzlich willkommen zur ersten Musikübertragung, die ihr je im Fernsehen gesehen habt.

Jedes Jahr, wenn dieses Thema aufkommt—und es kommt immer auf—lernen wir aufs Neue, dass Auftritte auf großen Bühnen bedeuten, dass die Musik vom Band kommt. Im Jahr 2009 haben sogar Bruce Springsteen und die E Street Band, sonst die unantastbaren Vertreter von allem Unverfälschten und Authentischen im Rock-Kosmos, zu Playback-Spuren gespielt. Der Grund? Es können einfach zu viele technische Probleme auftreten—besonders bei solch einer stürmischen Openair-Veranstaltung wie einer Halbzeitshow—die das Risiko einfach nicht wert sind. In einer normalen Konzertsituation wären solche Sachen sicher kein Problem, aber man wird bestimmt nicht hundert Millionen Leute bitten, sich ein wenig zu gedulden, während der Gitarrist an seinem Stimmgerät herumfummelt und der Schlagzeuger das zehnte Mal seine Snaredrum einstellt. „Hey, Danke, dass ihr heute alle gekommen seid und Danke an die Air Force für das Überfliegen des Stadions zur Eröffnung. Bleibt noch hier für den Auftritt der Seahawks. Ihr findet uns nach dem Spiel draußen am Merch-Tisch.“

Das wird nicht passieren.

„Es ist einfach nicht möglich, eine komplette Band in fünf Minuten mit Mikrofonen auszustatten, alle Einstellungen richtig hinzubekommen und zu erwarten, dass man einen guten Sound bekommt“, sagte Hank Neuberger, Produzent der Grammy-Übertragung, dem Chicago Tribune nach dem Auftritt von Springsteen. „Der Super Bowl macht das schon seit Jahren mit praktisch allen Bands so.“

SO geht ein Fake-Auftritt.

Dasselbe gilt sogar für die Darbietung der Nationalhymne, die deutlich weniger anfällig ist, als der Auftritt einer gesamten Band. Jennifer Hudson hat zu einer vorher aufgenommenen Spur gesungen, als sie den Super Bowl vor ein paar Jahren eröffnet hat. Vielleicht erinnerst du dich auch noch an die Aufregung über den Gesang von Beyoncé bei der Amtseinführung des Präsidenten. Die Liste lässt sich ewig weiter führen. Madonna hat bei ihrem Auftritt im vorletzten Jahr Backing-Tracks benutzt. Die Performance von Whitney Houston, wahrscheinlich die beliebteste musikalische Darbietung aller Zeiten beim Super Bowl, kam sogar komplett vom Band.

Hier ist ein ziemlich guter Indikator dafür, dass das, was du siehst, nicht echt ist: Es passiert beim verdammten Super Bowl. Wenn du das unverfälschte musikalische Erlebnis, das nicht von Glocken und Pfeifen unterbrochen wird, willst, geh und unterstütz heute Abend eine örtliche Band in deiner Stadt. Sogar in einem Rockclub dauert es ungefähr 17 Stunden, bis eine Band, die später vor sechs Leuten durchfallartigen Krach machen wird, mit dem Soundcheck fertig ist. Also stell dir vor, wie das aussieht, wenn man das mit hundert Millionen multipliziert.

Der Bluesrock-Gitarrist Joe Bonamassa war einer der Kritiker, die den Stein über den „Skandal“ ins Rollen gebracht haben und twitterte: „Flea … ich meine, wir alle wissen es, aber um Himmels willen, versuch zumindest die Kinder bei Laune zu halten.“

Flea… I mean we all know, but for god's sake at least try to humor the children. #unpluggedlive pic.twitter.com/ferJuOQpkP

— JOE BONAMASSA (@JBONAMASSA) 3. Februar 2014

Aber zu Fleas Verteidigung: nicht zu versuchen, das Ganze perfekt darzustellen, war vielleicht am ehrlichsten. Als das britische Elektro-Duo Disclosure im Sommer in London beschuldigt wurde, aufzutreten, ohne überhaupt ihr Equipment eingestöpselt zu haben, antworteten sie, dass sie das absichtlich getan hätten, damit nicht der Eindruck aufkommen konnte, sie wollen die Zuhörer täuschen. Vielleicht war das auch die Intention des Bass-Veteranen.

No trickery. No choice, but no trickery

— Flea (@flea333) 4. Februar 2014

Ich stimme der Idee zu, dass Musik dazu gedacht ist, live gespielt zu werden, und lasse mich auch davon überzeugen, dass so etwas wie „Authenzität“ tatsächlich noch existiert, aber wenn du das beim Super Bowl erwartest, dem Sinnbild für alles Mutlose und für die möglichst breite Masse auf der ganzen Welt Verpackte, kannst du nur enttäuscht werden. Das einzig Heuchlerische ist hier die falsche Aufregung über einen Skandal, der keiner ist.

Luke O’Neil hat das alles selbst getippt. Keine Tricks. Folgt ihm bei Twitter: @lukeoneil47

**

Folgt Noisey bei Twitter und Facebook.

MEHR VON NOISEY

Bruno Mars und RHCP machen den Super Bowl auch nicht interessanter

Ein ganzes Jahr lang interessiert sich hierzulande kein Schwein für American Football, und plötzlich ist Super Bowl und alle drehen durch. Und das trotz Bruno Mars. Oder gar wegen ihm?

Auf die Fresse live: Action Bronson ist eine Prügelmaschine

Dies ist eine Warnung an alle, die gern zu Konzerten von Action Bronson gehen—reizt den Koloss nicht. Das kann böse enden.

Eine Playlist für Raucher

Du rauchst gern Zigaretten? Hier ist eine Playlist für dich und deine Sucht.