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Die UEFA Nations League—eine Klassengesellschaft steigert den Profit

Die Nations League soll Freundschaftsspiele ersetzen und laut UEFA für mehr Wettbewerb sorgen. Doch es geht mal mal wieder um viel mehr—um viel mehr Geld.
Photo: Oliver Weiken/EPA

Als die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Irland und Georgien seine zwei letzten EM-Qualifikationsspiele bestritt, war mir wieder bewusst, warum die meisten Länderspiele—wenn nicht gerade Welt- und Europameisterschaften auf dem Programm stehen—ziemlicher Käse sind.

Mannschaften, die bei der WM noch tollen Fußball zeigten und ganz vorne landeten (wie Deutschland oder die Niederlande), lieferten in der EM-Quali bisweilen Leistungen ab, die einen kurzzeitig auf die Idee brachten, der neuesten Rosamunde-Pilcher-Verfilmung im ZDF doch mal eine Chance zu geben. Denn wie man es auch dreht und wendet: Spiele gegen Mannschaften wie Kasachstan und Gibraltar sind einfach nicht spannend und motivieren die favorisierten Teams augenscheinlich auch nicht zu Topleistungen. Um das zu ändern und Länderspiele wieder attraktiv zu machen, hat die UEFA einen Plan ausgeheckt. Und der heißt „Nations League".

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Auch wenn das endgültige Format der Nations League noch nicht feststeht, ist geplant, die 54 Mitgliedsverbände der UEFA basierend auf ihrem UEFA-Koeffizienten—also nach Spielstärke—in vier Divisionen (A, B, C, D) einzuteilen. Jede Division soll in vier Gruppen à drei oder vier Nationalmannschaften unterteilt werden. Die vier Gruppensieger der besten Staffel (A) machen dann im Playoff-Modus den Nations-League-Gewinner untereinander aus, während in den restlichen Ligen um den Auf- und Abstieg gespielt wird (ähnlich dem Davis-Cup-System im Tennis). Das Abschneiden bei der Nations League wirkt sich außerdem auf die Lostopfaufteilung für die EM-Qualifikationsgruppen aus.

Des Weiteren qualifizieren sich über die Ergebnisse aus der Nations League 16 weitere Nationalmannschaften für die Playoffs der Europameisterschaft, die es über die normale EM-Quali nicht geschafft haben (die zwei Besten einer jeden Gruppe sind weiterhin direkt qualifiziert). Diese 16 Mannschaften spielen dann in vier Gruppen à vier Mannschaften im Ausscheidungsmodus (mit Hin- und Rückspiel) um vier verbleibende EM-Tickets. Wer der Meinung ist, dass das alles ziemlich kompliziert klingt, hat meine volle Zustimmung.

Losgehen soll es übrigens nach der WM 2018 in Russland. Und warum das Ganze?

Weil man glaubt, dass Nationalmannschaften weniger Freundschaftsspiele und mehr Pflichtspiele brauchen. Vor allem solche, bei denen der Gegner häufiger Spanien oder Frankreich statt Gibraltar oder Färöer Inseln heißt.

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Und natürlich auch noch aus einem weiteren typischen UEFA-Grund. Um die eh schon Reichen noch reicher zu machen.

Die Nations League würde Duelle zwischen Deutschland und Spanien wahrscheinlicher machen. Aber dadurch vielleicht auch weniger speziell | Foto: PA Images

Sepp Blatter wurde mal von einem verärgerten FIFA-Kollegen als echter „Concierge" bezeichnet. Damit war gemeint, dass er sich alle wichtigen Namen ausgezeichnet merken kann, freundlich-diskret lächelt, wenn ein Geldschein rüberwandert und sich keiner festen Ideologie verschrieben hat, außer der, stets denen zu dienen, die ihn an der Macht lassen. Dieselbe Beschreibung trifft auch ganz gut auf UEFA-Präsident Michel Platini zu.

Seit acht Jahren steht er mittlerweile an der Spitze des europäischen Fußballverbands und in dieser Zeit hat er mehr als einmal dafür gesorgt, dass sich die Gewichte zugunsten der Fußballgroßmächte verschoben haben. Das Prinzip des „Financial Fair Play" war vielleicht die Idee der European Club Association, umgesetzt und eingeführt wurde es jedoch vor allem dank der Unterstützung Platinis. Und auch wenn dabei angeblich ehrenwerte Ziele verfolgt werden sollten, sieht die Realität doch eher so aus, dass der Status quo und die Interessen der großen, wohlhabenden Vereine Europas geschützt werden.

Dreimal dürft ihr raten, wer von den gelockerten Financial-Fairplay-Regeln profitieren wird

Ebenfalls unter der Ägide Platinis ist die Reformierung der Champions League geschehen. In diesem Zusammenhang besonders bedeutsam: der Verteilungsschlüssel der Siegprämien. Denn der sorgt natürlich dafür, dass die Reichen noch reicher werden.

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Der Gewinner der diesjährigen Champions League wird über 100 Millionen Euro einstecken, wohingegen man für das Erreichen der Gruppenphase mit gerade mal einem guten Zehntel davon abgespeist wird. Und genau eine solche Umsetzung ist unter Platini auch für die Nations League denkbar, bei der die Nationalverbände an der Spitze der Pyramide mit deutlich höheren Einnahmen rechnen könnten. Denn logischerweise wird es für Spiele in der Division A mit ihren hochkarätigen Mannschaften deutlich mehr Fernsehgelder geben als für Duelle zwischen den Färöern und Gibraltar. Und genau das zeigt, worum es bei der Nations League geht: Man schafft künstlich eine weitere Plattform zum Geldgenerieren für die großen Verbände. Von der Nations League haben kleinere Verbände faktisch keinen Vorteil, außer dass sie gegen andere schlechte Vereine spielen müssen und so auch mal zu einem bedeutungslosen und medial kaum beachteten Sieg kommen können. Auch wenn das bei der UEFA natürlich alles viel schöner klingt: „Diese Teams müssen jetzt nicht mehr Niederlagen in Serie hinnehmen, sondern können auch endlich Spiele gewinnen." Die UEFA, dein Freund und Helfer!

Die Einführung der Nations League zeigt zudem das Spannungsverhältnis und den immer wieder aufflackernden Konflikt zwischen Klubs und Verbänden. Denn auf Vereinsseite ist man mitnichten zufrieden mit der neuesten UEFA-Erfindung. So meinte Jürgen Klopp zu dem Thema nur: „Spieler und Trainer wurden sicher nicht gefragt."

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Denn am Ende sind es die Spieler, die ihre Knochen hinhalten müssen. Schließlich ersetzt ja die Nations League nicht die EM-Quali, sondern wird zusätzlich zu dieser eingeführt. Stichwort: Mehrbelastung.

Haben wir die Belastungsgrenze im Fußball erreicht?

Übrigens sind die Europäer nicht die einzigen, die versuchen, mit ihren Nationalmannschaften auch fernab von WMs und EMs eine Menge Geld zu verdienen. Bestes Beispiel: das brasilianische Team. Schon seit einigen Jahren tingelt die Seleção auf ihrer clever ausgeklügelten „Brasil World Tour" durch die Welt und lässt sich für diese belanglosen Freundschaftsspiele von den jeweiligen Standorten fürstlich bezahlen. Bis zu drei Millionen Dollar verdient der brasilianische Verband an solchen Auftritten.

Anfang des Jahres spielte Brasilien gegen Chile im Londoner Emirates Stadium. Dieser Typ war so begeistert, dass er gleich mal den Platz stürmen musste | Foto: PA Images

Also sind wir wieder beim alten Dilemma. Häufige Länderspiele gegen klare Underdogs sind langweilig. Daran wird auch der neueste Vorschlag der UEFA nichts ändern, da ja weiterhin konventionelle EM-Qualifikationen vorgesehen sind. Dabei ist der Grundgedanke hinter der Nations League durchaus einleuchtend. Man trifft durch die Einteilung in verschiedene Divisionen eine qualitative Vorauswahl und verhindert so das Aufeinandertreffen von „Fußballgroßmächten" auf „Fußballzwerge". Das Problem ist leider, dass die UEFA mit der Nations League einfach nur noch mehr Geld verdienen will, anstatt ihn zu einem viablen Gegenentwurf zur herkömmlichen EM-Quali auszuarbeiten.