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Warum Großsponsoren die FIFA niemals fallen lassen werden

Ein Boykott von Sponsorenseite bringt zudem nichts. Doch Großunternehmen sollten endlich ihren Einfluss geltend machen, um die FIFA zu Reformen zu zwingen.
GEPA/USA TODAY Sports

Reuters, der Guardian, die Washington Post und auch Photoshop-affine Reddit-User haben im Zuge der umstrittenen Wiederwahl von Sepp Blatter die Aufmerksamkeit auf die wichtigsten Werbepartner der FIFA gerichtet und dabei folgende These aufgestellt: Würden die Unternehmen drohen, der FIFA den Rücken zuzuwenden, könnte man endlich den längst überfälligen Paradigmenwechsel erzwingen. Doch in Wahrheit ist die FIFA weitaus weniger abhängig von ihren Werbepartnern, als das von den verschiedenen Kommentatoren dargestellt wurde.

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Ex-FIFA-Vizepräsident Jack Warner fällt auf den Artikel eines US-Satiremagazins rein

So oder so: Um ein wirklich starkes Zeichen zu setzen, müssten sich die großen Konzerne zusammentun und der FIFA unisono mitteilen, dass man in Zürich erst dann wieder mit offizieller Unterstützung rechnen könne, wenn die FIFA ihren Saustall aufgeräumt hat (was natürlich auch den Rücktritt von Herrn Blatter miteinschließen müsste). Doch selbst wenn Adidas, Coca-Cola, Hyundai und Visa tatsächlich zu diesem historischen Schritt bereit wären, gäbe es da immer noch das berüchtigte russische Erdgasunternehmen Gazprom, dessen Sprecher erst vor Kurzem verlauten ließ, dass die jüngsten rechtlichen Schritte gegen die FIFA die langjährige Partnerschaft in keinster Weise beeinträchtigen würden. Unterstützung aus Russland kann man sich also schon mal abschminken. Und warum sollte Gazprom auch der FIFA ans Bein pissen? Die Verbindungen des Unternehmens zu Putin sind gut dokumentiert. Und der Ausrichter der nächsten Fußball-WM heißt nun mal Russland.

Wladimir Putin ist eine Tor-Maschine!

Doch viel wichtiger: Sponsorengelder sind eh nicht die wichtigste Einnahmequelle der FIFA. Denn in Zürich macht man das meiste Geld mit dem Verkauf von TV-Übertragungsrechten. Laut Analytic Partners, einem US-Unternehmen für Marketingberatung, hat die FIFA an der letzten WM in Brasilien vier Milliarden Dollar verdient: Davon gingen zwar auch 1,4 Milliarden Dollar auf das Konto von Sponsorengeldern, doch mit dem Verkauf von TV-Rechten hat man hingegen sogar 2,6 Milliarden Dollar machen können (dass man überhaupt die Dienste von Analytic Partners in Anspruch nehmen muss, liegt an der Schweizer Gesetzgebung, die die FIFA—obwohl eine NPO—von der Pflicht befreit, einen öffentlich zugänglichen Geschäftsbericht vorzulegen). Und eins steht mal fest: Die TV-Sender werden bestimmt keinen Rückzieher machen, denn erstens haben sie Unmengen von Geld für die Übertragungsrechte auf den Tisch gelegt und zweitens wäre der Prestigeverlust enorm. Die Fußball-WM ist nun mal weiterhin das wichtigste und beliebteste TV-Event der Welt.

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„Mann, ist das wieder spannend. Jetzt erstmal 'ne Coke!" Foto: USA TODAY Sports

Was uns zu einem weiteren Grund bringt, warum die Großsponsoren der FIFA nicht den Rücken zuwenden werden: Es ging ihnen bei dem FIFA-Deal noch nie um ethische Gesichtspunkte. Stattdessen geht es schon immer um einen genauso simplen wie überzeugenden Punkt: Die Leute werden trotz Blatter und möglicher weiterer Korruptionsskandale auch bei der nächsten WM wieder einschalten.

Letzten Dezember habe ich mich zu dem Thema mit Stephen McKelvey, Professor an der University of Massachusetts, unterhalten, der zu mir meinte: „Am Ende kaufen die Sponsoren mit ihrem Geld nicht die FIFA, sondern die vielen Millionen Fußballfans."

Doch da man davon ausgehen kann, dass die bestimmt nicht Großereignisse ihrer Lieblingssportart boykottieren werden, stellt sich die Frage, wie man das Problem überhaupt lösen kann.

Die Antwort darauf könnte so aussehen, dass wir von namhaften Sponsoren fordern, dass sie ihre mit der FIFA geschlossenen Partnerschaften dazu nutzen, mehr Einfluss auf Blatters Spaßverein zu nehmen und so einen Wandel zum Positiven zu bewirken.

Dass das durchaus funktionieren kann, zeigt uns der US-Telekommunikationskonzern Verizon. Dessen CEO Lowell McAdam hat auf die immer lauter werdenden Rufe, aufgrund der zahlreichen Fälle von häuslicher Gewalt doch endlich die Finger von der NFL zu lassen, geantwortet, dass—statt Rückzug—vielmehr eine noch engere Partnerschaft mit der NFL nötig sei. Denn nur so könne man dem Problem wirklich an den Kragen gehen. Schon seit 1997 investiert Verizon in Programme zur Bekämpfung häuslicher Gewalt und gibt seine Erfahrungen regelmäßig an die NFL weiter. McAdam weiter: „Aufgrund unseres langjährigen Engagements in diesem Bereich sind wir überzeugt davon, dass niemand etwas davon hat, wenn wir jetzt einfach unsere Partnerschaft mit der NFL beenden. Um weiter effektiv gegen häusliche Gewalt vorzugehen, werden wir mit der NFL noch enger zusammenarbeiten."

Genau eine solche Einstellung sollten auch die FIFA-Werbepartner an den Tag legen. Sie sollten in Programme investieren, die sich für die vielen unterdrückten Gastarbeiter in Katar einsetzen. Sie sollten Initiativen auf den Weg bringen, die eine umfassende Reform des katarischen Arbeitsrechts anvisiert. Und vor allem sollten sie durchsetzen, dass die FIFA nicht länger als angebliche „Vermittlungsinstanz" im Weg steht. Natürlich mag es ein wenig blauäugig klingen, sich darauf zu verlassen, dass sich profitorientierte Konzerne für eine gute Sache einsetzen. Doch das ist noch allemal besser, als darauf zu spekulieren, dass die FIFA plötzlich so etwas wie ein Gewissen entwickelt. Die (vorübergehende) Lösung kann also nur lauten, dass man den FIFA-Werbepartnern nicht etwa zum Rückzug rät, sondern vielmehr ihre Hilfe und aktive Mitarbeit einfordert.