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Chaos-Club Standard Lüttich—Wenn ein Spieler seinen Trainer für Einsätze bezahlt

Standard Lüttich produziert nicht nur Weltkassespieler, sondern regelmäßig auch Negativ-Schlagzeilen. Gerade findet eine beispiellose Hetzjagd der belgischen Medien gegen die Spieler von Standard statt.
Foto: Imago

Manche nennen es mediale Schlammschlacht, andere boulevardeske Großfahndung. Auslöser des Wirrwarrs in der belgischen Medienlandschaft ist der Chaos-Club Standard Lüttich—wer auch sonst. Was war passiert?

Bruno Venanzi, neuer Hauptanteilseigner und seit Juni Vorsitzender von Standard Lüttich, war zu Gast in der Web-TV-Sendung „Carrément Steph". Und irgendwann ließ er einfach die Bombe platzen: „Ich habe erfahren, dass es in der vergangenen Saison einen Spieler gab, der den Trainer bezahlt hat, um zu spielen. Und der Trainer hat die Zahlungen angenommen", erzählte Venanzi dem belgischen Sportjournalisten Stéphane Pauwels. Booom. Der eigentliche Knall sollte aber danach erst folgen, denn Venanci ging weder auf Tarife, Zahlungsbeträge noch auf Namen ein. Belgiens Medien suchen nun eifrig nach potenziellen Tätern und spekulieren wild.

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So einfach sollte sich die Suche jedoch nicht gestalten: In der letzten Saison kamen beim belgischen Spitzenclub drei Trainer und 36 Spieler zum Einsatz. Sie alle eint die Wut über die Beschuldigungen und Spekulationen. Vor allem die drei Coaches Guy Luzon, Ivan Vukomanovic und José Riga wehren sich gegen die Vorwürfe der Korruption und äußerten sich bei verschiedenen Medien. „Wahnsinn, so was abzulassen, ohne alles aufzuklären", erklärte der serbische Übungsleiter Vukomanovic. Der Israeli Luzon drohte mit einer Klage, sofern er nicht in 48 Stunden entlastet wird und Riga fühlte sich „nicht angesprochen"—doch der belgische Trainer muss mit den meisten Fragen rechnen.

Die Zeitung Sudpresse hat die große Hetzjagd nach einem Schuldigen gestartet. Aus anonymer Quelle erfuhr das Blatt, dass Riga vom Mittelfeldspieler Jonathan Legear Geld erhalten haben soll. Das Motiv von Legear war wohl eine Vertragsklausel: Durch Einsätze in den Playoffs hätte sich sein Vertrag beim belgischen Tabellenvierten automatisch bis 2016 verlängert. Der 28-Jährige weist die Vorwürfe auf Twitter jedoch zurück. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen", teilte Legear mit.

Rien rien rien à me reprocher. Moi aussi je suis un supporter du Standard!
— Jonathan Legear (@LegearJonathan) 9. September 2015

Bei der belgischen Onlineplattform dhnet.be reagiert Legear dann nochmals auf die Berichterstattung über ihn:

Ich werde die Sudpresse wegen Verleumdung verklagen! Mein Ruf ist beschädigt—wie auch der meiner Familie, meines Sohnes und meiner Frau. Jede dieser unverschämten Anschuldigungen, die meinen Namen schaden, sind unbegründet. Weder ich, noch mein Umfeld haben einen Trainer bezahlt um zu spielen. Ich verlange eine Entschuldigung von Sudpresse aber dabei belasse ich es nicht.

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Nach der belastenden Berichterstattung über ihn, die lediglich aus Indizien besteht, steht Legear laut eigenen Angaben aber sein Verein Standard Lüttich zur Seite und arbeitet mit der Spielervereinigung zusammen. Sowohl Legear als auch sein früherer Trainer José Riga erwägen eine Klage gegen die Vorwürfe der Sudpresse. Auch der Belgische Fußballverband (KBVB) hat mittlerweile eine Untersuchung angekündigt und falls die Vorwürfe bewiesen werden können, drohen den Beteiligten Sperren.

Le Standard me soutient!Le club a écrit au syndicat des joueurs, Sporta, pour leur dire.Merci à tous!
— Jonathan Legear (@LegearJonathan) 9. September 2015

Doch es wäre nicht Standard Lüttich, wenn die Probleme nicht noch etwas tiefer sitzen würden. Venanzi, der den Club vom vorherigen Lütticher Patron Roland Duchâtelet übernahm, teilte in der Webshow noch ganz nebenbei mit, dass der Verein in der letzten Saison—als er noch nicht da war—einen Verlust von sechs Millionen Euro einfuhr. Geschäftsmann Duchâtelet, der auch bei Charlton Athletic, dem spanischen Zweitligisten Alcorcón und dem deutschen Traditionsclub Carl Zeiss Jena mitmischt, ist froh den Chaos-Club aus Lüttich los zu sein. Die Beschuldigungen, die in seine Amtszeit fallen, dürften den Mäzen jedoch nicht gefallen.

Es ist das Chaos, dass es beim zehnmaligen belgischen Meister Standard Lüttich immer wieder gibt. Erst Ende August trennte sich Standard nach nur fünf Spieltagen und einem enttäuschenden Saisonstart von seinem serbischen Trainer Slavo Muslin. Lüttich verpasste auch den Einzug in die Gruppenphase der Europa League. Die Korruptionsaffäre mit mediale Hetzjagd ist nur ein weiterer trauriger Höhepunkt in den turbulenten Wochen in der wallonischen Stadt. Ein Ende ist jedoch nicht in Sicht: Lüttichs neuer Trainer ist seit ein paar Tagen das 34-Jährige Trainertalent Yannick Ferrera, der mit Sint-Truiden in die erste Liga aufstieg und mit viel Geld jetzt nach fünf Spieltagen abgeworben wurde. Der Präsident von Sint Truiden ist übrigens der mächtige Roland Duchâtelet. Fortsetzung folgt…

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