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Warum die Bayern-Fans in London schweigen werden und die Engländer darüber jubeln

Die Bayern-Fans wollen wegen zu hoher Ticketpreise beim FC Arsenal die ersten fünf Minuten schweigen. In England wird der Protest gefeiert.
Imago/Bernd Müller

Wenn der FC Bayern heute Abend beim FC Arsenal spielt, wird der Fanblock der Münchner in den ersten fünf Minuten leer sein. Das Emirates Stadium wird dann wohl extrem leise sein. Schließlich wurde die englische Fankultur schon so weit demoliert, dass die Engländer die Bayern für diesen Boykott bereits bewundern.

Noch heute gerät man ins Schwärmen, wenn man über die englische Fankultur spricht. Die Gesänge hunderter britischer Fans sind erfinderisch und gehen unter die Haut. Die Leidenschaft der Anhänger auf der Insel zu ihren Klubs ist unglaublich. Doch trotz Milliarden-Einnahmen für die Vereine durch die absurd hohen TV-Gelder steigen die Ticketpreise stetig an. Die Bayern-Fans wollten da nicht mitmachen.

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Britische Fußball-Fans wissen, wie man Hits covert

Mit allen Gebühren und Versand zahlen die Fans des Rekordmeisters umgerechnet 100 Euro für die 90 Minuten in London—wohlgemerkt bei einem Vorrundenspiel. Daraufhin schlossen sich nach Aufruf der Fanvereinigung Club Nr. 12 über 200 Fanklubs dem Boykott „Without Fans Football is not worth a Penny" an und wollen erst in der fünften Minute in der Arena Platz nehmen.

Die Briten feierten den Vorstoß der Münchener Fans. In den letzten Jahren hatten die Fans der Bayern, aus Dortmund und aus Schalke bei ihren Auswärtsspielen beim FC Arsenal die Stimmunghoheit im Emirates. Die englischen Fans schauten mit neidischen und wehmütigen Blicken zu ihnen in den Auswärtssektor herüber. Stehende, voller Inbrunst singende und Rabatz machende Fans gibt es im Mutterland des Fußballs schon lange nicht mehr.

„Eine solche Preisgestaltung macht jungen und sozialschwächeren Fans den Stadionbesuch unmöglich, zerstört mittelfristig die Fankultur und damit die Basis des Fussballs", erklärt der Club Nr. 12. Den Bayern-Fans geht es aber um mehr als nur den Protest bei einem Spiel. Die ausufernde Preisgestaltung im Profifußball und die sich damit ergebenden Veränderungen in den Stadien sollen thematisiert werden. „Wir wollen Verbände und Vereine an ihre soziale Verantwortung erinnern und sie davor warnen, weiter an dem Ast zu sägen, auf dem wir alle und auch sie selber sitzen."

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Kampagnen wie „20's plenty" aus England oder „Kein Zwanni—Fußball muss bezahlbar sein" setzen sich schon seit Jahren für moderate Eintrittspreise, bezahlbar für alle Gesellschaftsschichten, ein. Die Sorge: Der Volkssport Fußball schließt Teile der Gesellschaft aus. „In England ist diese Entwicklung bereits eingetreten", warnt der Club Nr. 12.

Kein Wunder also, dass die gescholtenen Fans auf der Insel den Boykott der Anhänger aus München mit Freude aufnahmen. Auch große Fanbündnisse des FC Arsenals wie „Highbury Harry" symbolisieren sich: „Es ist großartig, dass die Aktion des Club Nr. 12 und der Bayern-Fans die inakzeptable Gier, die in der Premier League existiert, ein weiteres Mal verdeutlicht wird."

It's great that this proposed action by @clubnr12 & Bayern fans further highlights the unacceptable greed that exists in the Premier League.
— Highbury Harry (@BlackScarfAFC) 14. Oktober 2015

Mittlerweile schreiben nicht nur die englischen, sondern auch weltweit Medien über den Protest der Bayern-Fans. Der Aufhänger ist immer der gleiche: Der Preiswahnsinn in England! Die englische Zeitung „The Mirror" berichtet gar, dass eine Dauerkarte bei europäischen Spitzenmannschaften wie dem FC Bayern oder dem FC Barcelona weniger kostet, als bei allen anderen Klubs in den vier (!) oberen Ligen in England und Schottland!

In einem Rechenbeispiel erinnern die Bayern-Fans zudem an das erste Europapokal-Aufeinandertreffen beider Mannschaften in der Saison 2000/2001. Dort zahlten sie lediglich 19,50 Pfund für eine Eintrittskarte, was in nur 15 Jahren eine Preissteigerung von 328 Prozent bedeutet.

Die Bayern-Fans und auch die Fankultur hat schon vor dem Boykott so viel Aufmerksamkeit erregt, dass die horrenden Ticketpreise in der breiten Öffentlichkeit thematisiert werden. Der Fußball will auf stimmungsvolle Stadien kaum verzichten und bei den Vereinen könnte es durch solche Aktionen zu einem Umdenken kommen. Den Fans kann diese Entwicklung nur recht sein.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie