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revierderby

Wie weit Schalke vom BVB wirklich entfernt ist

Junior Caicara sieht Schalke „auf Dauer auf Augenhöhe mit dem BVB". Was sich nach Träumereien anhört, könnte tatsächlich eintreten. Eine Analyse.
Foto: Nikita Kakowsi

„Dortmund wird niemals ein Vorbild für uns sein", erklärte Schalke-Coach Andre Breitenreiter vor dem heutigen Derby im Interview mit dem kicker. Anfang des Jahres hatte er noch im Gespräch mit der Bild verkündet, dass der BVB ein „positives Beispiel" für Schalke sei. Denn langfristig wolle er „eine Mannschaft mit jungen Spielern, unterstützt von einigen gestandenen Profis, entwickeln, die in zwei bis drei Jahren um Titel spielt."

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Weil sein Abwehrspieler Junior Caicara schon davon sprach „auf Dauer wieder auf Augenhöhe mit Borussia Dortmund zu sein", führte Breitenreiter jedoch aus, dass die Knappen „davon weit entfernt" seien. Wenn es nach Verein, Spielern und auch Fans ginge, würden die ambitionierten Schalker aber liebend gerne auf einer Stufe mit dem verhassten Rivalen stehen.

Der @S04 ist näher an einem direkten Abstiegsplatz als am @BVB. #Augenhöhe
— HOSE | Jens (@Baumwollhose) 2. April 2016

Im 170. Revierderby könnten die Vorzeichen von Schalke und Dortmund schließlich verschiedener nicht sein. Der BVB hat sich als der momentan beste Bundesliga-Zweite aller Zeiten schon für die Champions League qualifiziert und schielt noch auf drei mögliche Titel. Der FC Schalke steht 23 Punkte dahinter nur auf Platz sieben und muss sogar um die Teilnahme am internationalen Geschäft bangen. In der Europa-League und dem DFB-Pokal mischen die Knappen auch nicht mehr mit. Aber wie weit ist der FC Schalke wirklich vom BVB entfernt?

Jugendarbeit

Der FC Schalke ist in Deutschland mittlerweile einsame Spitze in Sachen Jugendarbeit. In der prestigeträchtigen U-19-Bundesliga sind sie amtierender Meister und mit drei Titeln auch Rekordsieger. Kein Team der Bundesliga ebnete in den letzten Jahren zudem für so viele Eigengewächse den Weg in die nationalen und internationalen Wettbewerbe. Mit Fährmann, Matip, Höwedes, Meyer, Sané, Kolasinac sind zahlreiche Säulen des Teams aus der Knappenschmiede. Die Musterschüler Özil, Neuer und Draxler sorgen derweil bei anderen Vereinen international für Aufsehen.

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Stadion und Trainingszentrum

Die hochmoderne Schalker Arena bietet über 60.000 Zuschauern Platz und ist ein UEFA-Stadion der Kategorie 4, der höchsten Klassifikation des europäischen Fußballverbandes. Laut Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies ist diese vom Verein bis 2018 endgültig abbezahlt. Auf dem Gelände des ehemaligen Parkstadions direkt neben der Arena entsteht seit Anfang letzten Jahres ein neues Trainingsgelände samt Besucherzentrum für bis zu 25 Millionen Euro. Das Schalker Nachwuchsleistungszentrum erhielt zuletzt von der belgische Agentur Double PASS im Auftrag von DFB und DFL die bestmögliche Auszeichnung von drei Sternen.

Fans

Die Schalker Fans gehören zu den stimmungsvollsten und reisefreudigsten in Deutschland. Mit über 61.013 Besuchern im Schnitt bei Heimspielen belegt der Verein in dieser Saison den dritten Platz in der Zuschauertabelle der Bundesliga. Europaweit standen sie in der letzten Saison auf Platz 6. Laut einer Hochrechnung von Statista sind etwa 1,8 Millionen Deutsche Fans von Schalke 04—was hinter Bayern, BVB und HSV Platz 4 bedeutet. Mit 2,8 Millionen Facebook-Likes rangieren sie auf Platz drei in Deutschland.

Profikader und sportliche Leitung****

Der Schalker Kader hat durchaus Potenzial und auch jede Menge Champions-League-Erfahrung, wo man sich selbst langfristig sieht. Neben erfahrenen Stützen wie Fährmann, Höwedes oder Huntelaar wuseln junge und vor allem hochtalentierte Könner wie Sané, Goretzka oder Meyer herum. Mit einem Kadermarktwert von knapp 200 Millionen Euro stehen die Knappen hinter Leverkusen und vor Wolfsburg auf Platz vier in der Liga. Trainer Andre Breitenreiter wird jedoch immer wieder kritisiert und ist wegen einer bisher wenig erfreudigen Saison nicht mehr unumstritten. Auch Manager Horst Heldt wurde vielfach kritisiert und muss am Ende der Saison gehen. Mit Christian Heidel folgt der Mainzer-Erfolgsarchitekt. Heidel hatte mit den Trainer-Transfers Klopp, Tuchel und zuletzt Schmidt ein sehr gutes Händchen und formte mit wenig Geld einen Bundesliga-Mittelfeldverein. Bei Schalke soll er das viele Geld endlich sinnvoll investieren.

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Gelder und Sponsoren

Schalke hat im Geschäftsjahr 2015 mit 264,5 Millionen Euro den höchsten Umsatz seiner Vereinsgeschichte erzielt, was nicht viel weniger als die 276 Millionen Euro der Dortmunder in der abgelaufenen Saison sind. Diese Steigerung von 49,1 Millionen im Gegensatz zum Vorjahr liegt vor allem an den hohen Transfererlösen (wie etwa durch den Verkauf von Julian Draxler) und kontinuierlich steigenden Sponsoring-Erlösen. Die Schalker spielen mit Bayern, Wolfsburg und dem BVB in Sachen Trikotwerbung in einer anderen Liga als alle anderen Klubs. Während der Ligaschnitt bei rund 9 Millionen Euro liegt, verdienen BVB und Schalke rund doppelt so viel, Wolfsburg und Bayern mehr als dreimal so viel. Mit einem Konzernjahresüberschuss von 22,5 Mio. Euro konnte der FC Schalke zudem seine Verbindlichkeiten (im Jahr 2010 noch um die 250 Millionen) auf 146 Millionen verringern.

Fazit

Wenn es um Infrastruktur, die heimischen Fans oder auch Sponsoreneinnahmen geht, scheint der FC Schalke schon längst auf Augenhöhe mit dem BVB zu sein. Die Integration von hochveranlagten Nachwuchsspielern bei den Profis funktioniert sogar noch effizienter als in Dortmund. Dennoch hat der BVB noch immer die Nase vorn: Die Dortmunder haben durch die Erfolge in den letzten Jahren weltweit Sympathien (weit über 14 Millionen Facebook-Fans) erarbeitet und sind hinter dem FC Bayern der mit Abstand größte Verein der Bundesliga.

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Während man auf Schalke mit Trainer Breitenreiter nicht immer zufrieden ist und der neue Manager Heidel erst noch kommt, arbeitet der BVB mit den bisherigen Glücksgriffen von zahlreichen Transfers und Taktikfuchs Tuchel wesentlich effizienter als die Schalker—nicht nur sportlich. Trotz der deutlich geringeren Einnahmen leisten sich die Knappen einen fast genauso teuren Kader leisten wie die Schwarz-Gelben. Der ähnlich hohe Umsatz ist in diesem Jahr aber lediglich mit den Einnahmen aus den Transfers von Draxler, Farfan und Papadopoulos zu erklären. Zudem hat der BVB seit Sommer keine Schulden mehr und kann somit wesentlich mehr Geld in den sportlichen Bereich stecken.

Schalke auf Augenhöhe. Hier ein Schaubild. #BVB pic.twitter.com/7Xbq615paR
— Boba Fett (@WBCenobyte) 3. April 2016

Schalke ist—zur Freude der eigenen Anhänger—noch einer der letztenKlubs in der Liga, die sich „eingetragener Verein" nennen dürfen und somit im Besitz sämtlicher Vermögenswerte sind. Das ist im kapitalistischen Fußballbusiness nicht immer von Vorteil: Der BVB zog wie der FC Bayern mit Evonik, Puma und Signal Iduna strategische Partner an Land, die sich in den Vereine für viel Geld einkauften. Schalkes Finanzvorstand Peter Peters schloss eine Ausgliederung der Fußball-Abteilung in den nächsten Jahren jedoch auch nicht kategorisch aus.

Schalke ist—ausgenommen von den Werksklubs und den von Red Bull hochgepumpten Leipzigern—wohl der Verein mit den besten Voraussetzungen, um langfristig zum BVB aufzuschließen. Wenn Christian Heidel im nächsten Jahr eine schlagkräftige Mannschaft mit einem Matchplan zusammenstellt und der Verein sich sogar für eine Öffnung für strategische Partner entscheidet, können die Knappen sogar mittelfristig wieder „auf Augenhöhe mit Borussia Dortmund" stehen. Denn bei all der Rivalität: Der BVB sollte für Schalke ein Vorbild sein.

Folgt Benedikt bei Twitter: @BeneNie