Menschen

Wir haben alle Bundesligaclubs gefragt, was sie für Spieler tun, die nach rassistischen Angriffen vom Platz gehen

Manche schickten uns ausführliche Antworten, andere gar keine.
Moussa Marega wird von Teammitgliedern nach rassistischen Angriffen davon abgehalten, das Spielfeld zu verlassen
Foto: imago images | GlobalImagens

Fast nirgendwo leben Rassisten ihren Hass vor so großem Publikum aus wie in Fußballstadien. Im Spiel zwischen den portugiesischen Vitória Guimarães und dem FC Porto Mitte Februar war es wieder so weit: Porto-Stürmer Moussa Marega wurde nach seinem Tor zum 2:1 in der 60. Spielminute von gegnerischen Fans rassistisch beleidigt. Immer wenn der malische Nationalspieler sich dem Ball näherte, prasselten aus dem gegnerischen Fanblock Affenlaute auf ihn nieder. Marega wollte das nicht länger akzeptieren und beschloss, das Spielfeld zu verlassen.

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Seine Mitspieler reagierten jedoch anders, als man das vom eigenen Team hätte erwarten können. Sie hielten Marega zurück und isolierten ihn dadurch umso mehr. Schlimmer noch, sie sorgten so dafür, dass es so aussah, als sei er derjenige, der sich falsch verhält. Hier schien die Sorge um das Spielergebnis größer als die um den eigenen Mitspieler. Marega blieb bei seiner Entscheidung und ging in die Kabine. Der Schiedsrichter gab ihm dafür die Gelbe Karte – eine weitere Erniedrigung. Porto gewann das Spiel übrigens 2:1, aber darum ging es anschließend nicht mehr.

Videos des Vorfalls verbreitete sich schnell im Netz und entfachten eine Debatte um eine Frage neu, die wir seit Jahren immer und immer wieder diskutieren müssen: Wie sollen Spieler, Offizielle und Fans mit Rassismus in Stadien umgehen? Und wie verhalten sich deutsche Vereine dazu?

Also haben wir alle 18 Bundesligaclubs gefragt, was sie tun würden, wenn ein Spieler nach rassistischen Beleidigungen das Spiel verlässt.

Einige stellten sich in ihren Antworten klar hinter ihre Spieler, manche positionierten sich eher allgemein gegen Rassismus. Andere reagierten – trotz fünf Tagen Zeit und mehreren Kontaktversuchen – gar nicht auf unsere Anfrage.

Spitzentrio – Bayer 04 Leverkusen, Borussia Dortmund, TSG 1899 Hoffenheim

Bayer Leverkusen lieferte die erste und deutlichste Antwort – nicht nur auf unsere Anfrage, sondern auch öffentlich. Der Verein verwies in seiner Mail auf das Statement von Trainer Peter Bosz. Am Mittwoch nach den rassistischen Vorfällen und einen Tag vor dem Spiel gegen Porto sagte er auf die Frage, was sein Team in so einem Fall konkret tun würde: "Dann gehen wir alle mit!" Daran bestehe kein Zweifel, denn: "Wir sind alle gleich. Wie man aussieht, ist nicht interessant. Wenn es einen von uns trifft, dann hat das Auswirkungen für uns alle."

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Borussia Dortmund brachte in seiner Antwort auf den Punkt, um wen es hier eigentlich geht: "In der von Ihnen beschriebenen Situation wäre es völlig selbstverständlich, dass nur der Spieler zählt und wir diesen nach Kräften unterstützen würden." So ist das: Es geht nicht um den Verein oder um irgendwelche Funktionäre. Sondern um den Menschen, der rassistisch beleidigt wird. Punkt. Andernfalls zieht der BVB harte Konsequenzen: Wer sich rassistisch äußert, könne nicht Teil der BVB-Familie sein und werde aus dieser entfernt, heißt es in der Antwort.

Der TSG 1899 Hoffenheim drückt sich zunächst um eine konkrete Antwort – jede Situation sei anders. Das ist ein bisschen verwunderlich, denn danach schiebt der Verein einen Satz nach, der deutlicher wird, als die Statements der meisten anderen Vereine: "Sollte es zu solch einem unglaublichen und inakzeptablen Vorfall von Diskriminierung kommen, wäre neben dem gemeinsamen Protest gegen solche Äußerungen auf dem Platz, das Verlassen des Spielfelds auf jeden Fall eine Handlungsoption."


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Vorne mit dabei – SV Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, FC Schalke 04, Fortuna Düsseldorf, FSV Mainz 05

Auch diese Vereine würden ihre Spieler unterstützen, drücken das aber weniger deutlich aus.

Werder Bremen lehnt in seinem Statement Rassismus klar ab – wie alle Vereine, die VICE geantwortet haben. Und in der konkreten Situation? Man würde dem Spieler die größtmögliche Unterstützung zukommen lassen und gemeinsam schauen, wie diese genau aussehen könnte, teilt Bremen mit. Reichlich schwammig, aber dann verweist der Verein auf ein Zitat des Spielers Davie Selke aus der Sport Bild, in dem er sich wesentlich klarer dazu äußert: "Wenn ich Opfer von Rassismus werde, gehe ich direkt in die Kabine. Wenn man weiterspielt, setzt man doch das Signal, dass es normal ist, was da passiert. Es ist aber nicht normal. Man sollte aufhören zu spielen, bis der Täter das Stadion verlassen hat." Geht doch.

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Eintracht Frankfurt verzichtet ganz auf eine lang ausgeführte Antwort und verweist direkt auf ein Zitat von Manager Fredi Bobic. "Wenn sich jemand, wie zuletzt beim Spiel in Münster, fehl verhält, dann muss man mit dem Finger auf den zeigen", sagte Bobic. "Derjenige muss dann raus. Und zwar lebenslang. Sonst gewinnen die. Ich will so Leute in keinem Stadion mehr sehen." Und was können Spieler tun? Da nimmt Bobic Druck raus. Man könne vom Platz gehen, man könne aber auch das Spiel vorzeitig beenden.

Hertha BSC verweist auf seine antirassistische Haltung und auf einen Vorfall, als der Verteidiger Jordan Torunarigha in der Partie gegen Schalke Anfang Februar von gegnerischen Fans rassistisch beleidigt wurde. Hertha hatte sich öffentlich hinter Torunaringha gestellt. Schalke wiederum hatte Ermittlungen gegen die eigenen Fans eingeleitet.

Schalke beantwortet unsere Frage knapp aber passend: "Wir würden diesem Spieler – ob aus unserer oder der gegnerischen Mannschaft – natürlich alle erdenkliche Unterstützung zukommen lassen. Rassismus und Diskriminierung haben keinen Platz in einer demokratischen, weltoffenen Gesellschaft und entsprechend auch nicht in einem Fußballstadion."

Auch Fortuna Düsseldorf würde in dem Beispielfall den Spieler bedingungslos unterstützen. "Dies würde sich durch eine klare öffentliche Haltung sowie eine mögliche Überführung der Täter ausdrücken. Wir hoffen, dass dieser Fall nie Eintritt. Daher ist der Verein zudem sehr aktiv durch Maßnahmen gegen Diskriminierung und Fremdenhass."

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Der FSV Mainz 05 hat bei Auswärtsspielen selbst schon die Erfahrung gemacht, dass Spieler Opfer rassistischer Anfeindungen wurden. "Wir haben unsere Spieler in der damaligen Situation natürlich vollumfänglich unterstützt", schreibt der Verein, ohne konkret zu werden.

'Rassismus ist schlecht'-Statements – RB Leipzig, SC Freiburg, FC Augsburg, VfL Wolfsburg

Manche Clubs lieferten eher allgemeine Antworten.

RB Leipzig teil mit, man lehne Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ab. Bei rassistischen Äußerungen sei der Stadionsprecher vorbereitet, "sofort Einfluss zu nehmen." Außerdem könne der Verein mit der in der heimischen Red Bull Arena vorhandenen Aufzeichnungstechnik die Verursacher ermitteln und von der Polizei abholen lassen.

Der SC Freiburg verweist auf seine Satzung, in der es über den Verein heißt: "Er tritt verfassungs- und fremdenfeindlichen, rassistischen und sexistischen Bestrebungen entschieden entgegen."

Der FC Augsburg "setzt sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in jeglicher Form ein". Im eigenen Stadion sei kein Platz für ausländerfeindliche und anderweitig diskriminierende Angriffe.

Der VfL Wolfsburg bittet in seiner Antwort um Verständnis, dass man nicht näher auf die Frage eingehe – ohne Begründung. Von jeglicher Form von Gewalt und Diskriminierung distanziere man sich natürlich. Spieler würde man in solchen Situationen jedwede Unterstützung zukommen lassen.

Nachzügler – 1. FC Köln

Der 1. FC Köln bat sich noch etwas mehr Zeit aus. Ein Sprecher erklärte am Telefon, dass es komplex sei, so eine hypothetische Situation allgemeingültig zu beantworten. Wir werden diesen Artikel updaten, sobald uns die Antwort vorliegt.

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Trotz mehrerer Kontaktversuche und Gelegenheiten zu antworten, reagierten der FC Bayern München, der 1. FC Union Berlin, Borussia Mönchengladbach und der SC Paderborn 07 bis zum Veröffentlichungszeitpunkt gar nicht auf unsere Anfrage.

Sollte dich die (Nicht-)Antwort deines Teams beunruhigen, ist das kein Grund, um still zu bleiben. Die Verantwortung, mit solchen Situationen umzugehen, sollte nicht auf den Schultern einzelner Spieler liegen, die dazu noch Betroffene sind. Teams und Fußballfans sollten gemeinsam an Lösungen arbeiten, die den einzelnen schützen und das Spiel für alle zu einer positiven Erfahrung machen. Es gibt auch Vereine mit dezidiert linker Fankultur, die sich gegen Rassismus aussprechen. Nach dem rassistisch motivierten Terroranschlag von Hanau hielten beispielsweise Anhänger des brandenburgischen Regionalligisten Babelsberg 03 Schilder mit den Namen der Ermordeten in die Luft.

Wie Teams aus der englischen Premier League auf unsere Frage antworteten, kannst du hier nachlesen.

Update vom 26. Februar, 16:15 Uhr: Der 1. FC Köln hat sich kurz nach der Veröffentlichung gemeldet und verweist auf seine "klare Haltung gegen Rassismus". Die Stadionordnung verbiete "die Äußerung und Verbreitung rassistischer, fremdenfeindlicher oder rechtsradikaler Parolen". Man müsse immer im Einzelfall entscheiden, grundsätzlich gelte jedoch: "Der 1. FC Köln steht zu seinen Spielern und unterstützt sie in jeder Situation."

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