Robert Meyer als Phantom der Oper
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Robert Meyer
10 Fragen

10 Fragen an einen Musicaldarsteller, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Schlaft ihr alle miteinander? Was würde Dieter Bohlen zu deinem Gesang sagen? Besitzt du überhaupt Schamgefühl?

Wenn Robert Meyer sich auf seiner Website selbst beschreibt, liest sich das wie ein minimalistisches Tinderprofil: Blaue Augen, sportliche Figur, 1,84 Meter Körpergröße. Dabei sind die wichtigsten Qualifikationen des 37-Jährigen keine halbnackten Spiegelselfies, sondern seine Tenorstimme und sein tänzerisches Können.

Robert ist Musicaldarsteller, aber dazu musste ihn sein bester Freund erst überreden. "Bis zur Oberstufe fand ich Musicals mega peinlich", sagt Robert. Auf der Bühne des Schulmusicals habe er dann gemerkt, dass ihm Singen, Tanzen und Schauspielern doch ziemlich viel Spaß machen. Nach dem Abi und einem Workshop an der Stage School bekamen sein Kumpel und er dort einen Vertrag angeboten. Seitdem lebt Robert in Hamburg, der Musicalhauptstadt Deutschlands, und tritt in Shows auf, deren Tickets als Erinnerung den Kühlschrank von Musicalfans dekorieren.

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Robert stand schon für "We will rock you", "Tanz der Vampire", "Shrek" oder als das Phantom in "Phantom der Oper II" auf der Bühne. Und bei den Auftritten, sagt er, klatschen sich nicht nur ältere Frauen aus Vororten die Hände wund: "Bei 'Tanz der Vampire' gab es ein Mädel um die 20, die gefühlt bei jeder Show war." Wenn man ihn fragt, ob Musicaldarsteller die Schlagersänger unter den Schauspielern sind, lacht Robert und schüttelt den Kopf. Zumindest sind Musicals nicht nur am Broadway, sondern auch in Deutschland so beliebt, dass dort teilweise über einen Tag verteilt 3.000 Menschen im Publikum sitzen – mehr als mittlerweile in den Megapark auf Mallorca passen.

Wir haben Fragen.

VICE: Arbeitest du als Musicaldarsteller, weil du zu schlecht für die Oper bist?
Robert: Ich kenne die Klischees, Musicaldarsteller könnten zwar alles ein bisschen, aber nichts so richtig. Ich habe zwei, drei Opern gesehen, bevor ich zum Musical kam und fand das leider gähnend langweilig. Zu meinem Pech waren die aber auch nicht gut. Die Sänger haben nur gesungen, ohne große Emotionen. Irgendwann habe ich dann in der Staatsoper in Hamburg doch großartige Sänger und eine tolle Darbietung erlebt. Musicals sind ein anderes Fach. Wir müssen nicht nur klassisch singen können, sondern auch Rock oder Pop draufhaben, tanzen, genau so Mimik und Gestik der Rolle beherrschen, interagieren. Ich hätte vielleicht die gesanglichen Grundlagen, aber könnte damit keinen Opernsänger ersetzen. Und andersherum wäre es genauso.

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Robert

Welches Publikum hasst du?
Die meisten Leute sind super. Aber es gibt auch unverschämte Menschen, die in der ersten Reihe sitzen und ihre Gläser auf der Bühne abstellen, sich während der Show laut unterhalten oder ihre Füße auf den Bühnenrand legen. Diese Leute können wohl nicht zwischen Theater und Kino unterscheiden, sie verstehen nicht, dass wir sie von der Bühne sehen und hören können. Alles was das Stück stört, ist scheiße – für uns und für die anderen Zuschauer.

Aber anstrengend sind die etwas zu begeisterten Fans, die zwar das Musical total feiern, aber dann anfangen laut mitzusprechen. Das kann einen aus dem Takt bringen. Es gab auch schon Leute, die Gags gespoilert haben. Ich stehe auf der Bühne, habe meinen Text, mache zur Wirkung kurz eine Pause, und dann sitzt jemand vorn im Publikum und sagt in dieser Pause die Pointe.

Verkraftet es dein Ego, wenn du nur eine Nebenrolle bekommst?
Es klappt nicht immer alles, daran sollte man sich in dem Job gewöhnen. Ich habe schon viele Castings mitgemacht, in manchen Monaten vier bis fünf, dann mal wieder keins. Wenn es nicht klappt, bin ich natürlich enttäuscht, aber ich weiß, dass es viele andere gute Darsteller gibt und es an Kleinigkeiten liegen kann.

Ich hatte bisher Glück und habe tolle Rollen bei "Tanz der Vampire" oder als das "Phantom der Oper" bekommen. Es gab auch mal eine Zeit da hat gar nichts geklappt und ich habe angefangen an mir zu zweifeln. Und Zweifel kratzen mächtig am Ego. Aber es war nie so schlimm, dass ich in eine depressive Phase abgerutscht bin. Wenn man standhaft und ehrgeizig ist, klappt immer irgendwas.

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Und ansonsten kenne ich Leute, die was ganz anderes gemacht haben, Synchronsprecher oder Musiklehrer geworden sind. Es gibt so viel mehr Möglichkeiten, als nur auf der Bühne zu stehen.


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Schlaft ihr alle miteinander?
Ja, immer vor der Show. Mit dem Regisseur auch noch und der ganzen Crew (lacht). Nein, ernsthaft wir verbringen alle viel Zeit miteinander, auch emotional auf der Bühne, aber es gibt keine regelmäßigen Techtelmechtel. Hin und wieder kommt es zu Pärchenbildungen am Arbeitsplatz. Das muss man nicht geheim halten, denn meistens freuen sich alle Kollegen, wenn sich was anbahnt.

Man sollte nur aufpassen, dass nicht das große Drama ausbricht. Ich erinnere mich an ein Darsteller-Paar, da hat der Typ irgendwann festgestellt, dass er schwul ist und sich von ihr getrennt. Er war dann mit einem Mann aus dem Cast zusammen. Das war ziemlich hart. Alle drei haben das Musical zu Ende gespielt, aber ich kann mir vorstellen, dass es nicht so leicht war, besonders für sie nicht.

Legst du als Musicaldarsteller dein Schamgefühl komplett auf Eis?
Nicht komplett. Ich kann Wut, Trauer, Zorn alles spielen. Aber ich möchte nicht nackt auftreten. Da ist mein Schamgefühl dann doch zu groß. Und es gibt Dinge, die mir echt peinlich waren.

Ich musste einmal "Macho Macho" singen und dabei die Hosen runterlassen. Dann stand ich in einer Superman-Unterhose auf der Bühne. Vor dieser albernen Szene hatte jemand aus dem Publikum einen Schlaganfall, es wurde unterbrochen, die Sanitäter kamen rein. Ich dachte mir: Ich kann nicht die Hosen runterlassen, wenn jemand gerade fast tot umgefallen ist. Aber die Show musste weitergehen. Und dem Mann ging es zum Glück am nächsten Tag besser.

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Robert Meyer

Wie viele Pickel verdankst du der fetten Theaterschminke?
Bis jetzt hatte ich immer Glück. Das dickste Make-Up gab es bei "Tanz der Vampire", da war mein ganzes Gesicht weiß angemalt. Und während der Show musste ich komplett abgeschminkt und dann wieder neu geschminkt werden, weil das zur Rolle gehört. Für die Haut ist das natürlich scheiße. Aber erstaunlicherweise blieb ich von Ausschlägen und Pickeln verschont. Für jede Show gibt es eine Vielzahl an ausgebildeten Hair- und Make-up-Stylisten, die versuchen ihr Bestes. Aber klar, es gibt Leute, die auf die Schminke reagieren und nicht so gut davonkommen wie ich.

Wie oft langweilt dich dein Job, weil ihr ein Stück zu oft aufführt?
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich immer Bock habe. Bei teilweise acht Shows in der Woche, denke ich mir schon mal: Boa, jetzt nicht schon wieder. Aber mit der Zeit stellt sich eine Routine ein. Mir kann gar nicht langweilig werden, weil mir auf der Bühne dann trotzdem viel abverlangt wird. Es gibt Tage, da ist es super, zur Arbeit zu gehen und es gibt Tage, da muss ich mich morgens ein bisschen überwinden, wieder in Maske und Kostüm zu schlüpfen. Das würde mir bei einem anderen Job aber bestimmt nicht anders gehen.

Welche Sachen musst du auf der Bühne machen, die eine Zumutung sind?
Verletzungen sind im Job nicht unüblich. Bei einem Stück gab es eine Drehbühne, die sich mal langsam, mal schnell im Uhrzeigersinn drehte. Dazu gab es noch eine große Requisite, die Kollegen gegen den Uhrzeigersinn drehten. Und wir Darsteller liefen am äußeren Rand entlang. Einem ist die Requisite über den Fuß gefahren, da ist zum Glück nichts passiert. Mir hat es ein paar Mal den Boden unter den Füßen weggezogen. Später wurde dieses Setting dann entschärft, damit sich keiner die Haxen bricht.

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Verletzungen sind nicht unüblich. Bei Stücken mit krassen Tanzeinlagen kommt es zu Rücken- oder Knieproblemen, irgendjemand reißt sich ein Band oder bricht sich was. Das ist unser Berufsrisiko, aber dafür gibt es eine Gefahrenzulage – und auch eine Zweit- oder Drittbesetzung.

Bei Stücken, wo es diese nicht gibt, kann es unangenehm sein, krank auf der Bühne zu stehen. Ich bin schon mit Fieber aufgetreten und fühlte mich extrem schlapp. Aber da muss man durch. Leider war die Show dann sehr energetisch und ich bin körperlich an mein Limit gekommen, weil wir viel rumgeturnt sind. Meiner Stimme hat man zum Glück nichts angehört, weil ich mich sehr darauf konzentriert habe abzuliefern. Eine Kollegin meinte am Ende sogar zu mir, so sauber hätte ich das Ganze noch nie gesungen.

Robert Meyer

Was würde Dieter Bohlen beim DSDS-Casting zu dir sagen?
Ich hatte mal einen tollen Kollegen, der bei "The Voice" mitgemacht hat. Der kann schön poppig singen und Xavier Naidoo hat ihn direkt gefragt, ob er etwas mit Gesang studiert habe. Als er dann sagte, er sei Musicaldarsteller, meinte Naidoo: "Hört man." Und ich dachte mir: Wo hat er denn das gehört?

Würde ich jetzt also zum DSDS-Casting gehen, wäre ich vermutlich auch zu schnell zu erkennen. Keine Ahnung was Dieter Bohlen zu mir sagen würde, entweder "solide gesungen" oder "Was ist das denn für'n Musical-Pathos, den du hier abziehst?" und "Tschüss". Allerdings hätte ich auch keinen Bock, sowas zu machen.

Wie sehr nervt es dich, wenn Leute sagen, das Musical sei nur der billige Abklatsch des Films?
Film ist Film und Bühne ist Bühne. Bei Sweeney Todd ist der Film mega – aber die Musicalvariante auch, weil sie ganz anders ist und beim Zuschauer andere Sinne anspricht. Generell nerven mich solche Aussagen nicht, jeder hat seinen Geschmack. Und hey, manchmal stimmt es.

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