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Deutsche Wettbetrüger haben die kanadische Liga fest im Griff

Fußball in Kanada ist zu einem Dorado für Wettbetrüger aus Deutschland geworden. Das hat Tradition: Ante Sapina, Hintermann beim Wettskandal 2009, hatte auch in der semi-professionellen kanadischen Liga seine Finger im Spiel.
Photo via Flickr user Joe deSousa

Wettbetrug hat den kanadischen Fußball fest im Griff, und das nicht erst seit Kurzem. Schon 2009 wurden nachweislich Spiele verschoben, doch das Problem hat mittlerweile beschämend große Ausmaße angenommen.

Die Canadian Soccer League (CSL) ist eine semi-professionelle Liga für Mannschaften aus der Provinz Ontario (wo mehr als ein Drittel aller Kanadier leben). Und die jüngst weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat, nachdem das „International Centre of Sport Security" einen Bericht an den Telegraph geschickt hat. In dem 31 Seiten langen Dokument wird behauptet, dass 42 Prozent der letztjährigen CSL-Spiele von auffälligen Wettaktivitäten begleitet wurden und dass alle zwölf Liga-Teams an jeweils mindestens drei verdächtigen Spielen beteiligt gewesen sein sollen. Das mag für jemanden, der noch nie von der CSL gehört hat, schockierend klingen. Doch für diejenigen, die in der Liga seit Jahren spielen oder coachen, sind die Anschuldigungen alles andere als überraschend.

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Ein typisches Spiel in der CSL

Zum ersten Mal überhaupt haben sich jetzt mehrere Spieler sowie der Trainer vom CSL-Team Niagara United zu den Vorwürfen geäußert und sind dabei vor allem auf ein Spiel aus dem letzten Oktober eingegangen. Das nämlich war so offensichtlich verschoben, dass die Niagara-Spieler irgendwann sogar aufs eigene Tor schossen, um das von Wettern gewünschte Ergebnis zu torpedieren.

Waterloo sorgt für Waterloo: das Trauerspiel

Derek Paterson, Stürmer bei den Niagara Falls, war schon vor der Partie am 4. Oktober gegen den SC Waterloo skeptisch, ob alles mit rechten Dingen zugehen würde: „Ehrlich gesagt hatte ich fast schon mit einem auffälligen Spiel gerechnet, weil Waterloo sicher Vierter war und wir keine Chancen mehr auf einen Einzug in die Playoffs hatten", erzählt Paterson. „Und die Quote für ein Unentschieden lag bei 10:1."

Mittelfeldspieler John Bahdi pflichtet seinem Teamkameraden bei. „Schon ab der ersten Minute habe ich den Braten gerochen. Der Gegner hat keinerlei Anstalten gemacht, nach vorne zu spielen. Und das, obwohl sie einen ausgezeichneten Angriff haben und wir mit einer sehr unerfahrenen Aufstellung angetreten sind."

In der 12. Minute fing sich Niagara dann doch das erste Gegentor, wenn auch aus abseitsverdächtiger Position. Bahdi und Paterson regten sich so sehr über den ausgebliebenen Schiripfiff auf, dass sie beide die rote Karte erhielten. Spätestens jetzt würde man bestimmt abgeschossen werden, waren sich die Spieler von Niagara sicher. Doch das Gegenteil trat ein.

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„Wir waren nur noch zu neunt und konnten dennoch fast ohne Gegenwehr auf ihr Tor zurennen", erinnert sich Bahdi. Folglich fiel schon bald das 1:1.

Als man sich schon sicher war, dass Waterloo unbedingt mit einem Unentschieden in die Pause gehen wolle, schossen sie doch noch das 2:1. Doch in der zweiten Halbzeit wurde dann endgültig klar, dass der Spielverlauf von Wettbetrügern entscheidend mitbestimmt wurde. Erst wurde ein Waterloo-Spieler direkt vor der Strafraumgrenze brutal von den Beinen geholt, der Gefoulte—eh schon gefrustet über den sich anbahnenden Skandal—rastete völlig aus und wurde frühzeitig zum Duschen geschickt. Der anschließende Freistoß war eigentlich vor Harmlosigkeit nicht zu überbieten und landete trotzdem zum Ausgleich im Tor.

„Ihr Torwart ist einfach mal viel zu spät abgetaucht und ist sinnlos nach einem Ball gesprungen, den er locker und im Schneckentempo mit dem Fuß hätte klären können", ergänzt Bahdi. Jetzt stand es 2:2 und das Geschehen wurde immer kurioser. Denn trotz drei Feldspielern mehr auf dem Platz unternahm Waterloo keinerlei Versuch, ein Tor zu schießen. Ganz im Gegenteil, man schoss absichtlich daneben.

„In der einen Szene hatte ein Waterloo-Spieler schon unseren Keeper ausgespielt und schoss den Ball weit am Tor vorbei. Es war einfach nur beschämend", sagt Paterson. „Danach hatten wir Abstoß und haben versucht, ein Eigentor zu schießen, um sicherzugehen, dass sie mit unserem Spiel kein Geld gewinnen würden." Doch laut Paterson verhinderte ein Waterloo-Spieler den Treffer, so dass es erneut Abstoß für Waterloo gab. Der landete bei einem Verteidiger, der von seiner Mannschaft angewiesen wurde, ihn ins eigene Tor zu schießen. „Als er zum Schuss ansetzte, standen plötzlich drei Waterloo-Spieler auf der Linie, um das Tor zu verhindern." Direkt danach wurde das Spiel vom Schiedsrichter vorzeitig abgepfiffen, da waren noch keine 70 Minuten gespielt. Doch der Skandal war damit noch lange nicht beendet.

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Die (fehlenden) Folgen

Direkt nach Spielende stürmte Niagara-Trainer McGillivray zum Schiri und forderte ihn auf, ja alle Auffälligkeiten im Spielberichtsbogen festzuhalten. Allein seine Bitte wurde nicht erhört: „In seinem Bericht stand nur drin, wer des Feldes verwiesen wurde. Nur im letzten Absatz wurde noch kurz erwähnt, dass die Heimmannschaft eine Chance hatte, diese aber vergab. Das war alles", kritisiert McGillivray.

Für McGillvray, der zehn Jahre lang in der CSL als Trainer gearbeitet hat, ist es mehr als frustrierend zu sehen, wie tief die CSL und ihr Ruf mittlerweile gesunken sind: „Die CSL war früher mal eine echte Talentschmiede, aber mittlerweile geht's nur noch bergab", so McGillivray.

Der Verband hat nach langem Zögern eine Untersuchung zu den Vorfällen eingeleitet, beide Teams mussten ihre Version zu dem Oktober-Spiel einreichen. Es wurde aber noch keine abschließende Spielbewertung mitgeteilt. Die käme für McGillivray und sein Team aber so oder so zu spät, sie haben nämlich der CSL den Rücken gekehrt.

Doch eine Aufklärung und Bestrafung verlangt Paterson weiterhin. „Es ist widerlich. Das zerstört die Integrität des Spiels. Das kann nicht für immer unter den Teppich gekehrt werden."

***

Bei all den Schlagzeilen, die durch Wettbetrugsvorwürfe in der CSL in den letzten zwei Jahren ausgelöst wurden, ist es nicht nachzuvollziehen, warum die kanadischen Strafverfolgungsbehörden noch immer nicht reagiert haben.

Declan Hill, ein führender Experte zum Thema Wettbetrug, glaubt, den Grund verstanden zu haben:

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„Die kanadischen Strafverfolgungsbehörden sind ein Haufen Weicheier, die nicht den Mumm haben, sich mit dieser Form organisierter Kriminalität anzulegen", so Hill.

Seit 2009 operiert die Wettbetrügerbande nachweislich in Kanada, doch noch immer wurde dort kein einziger Beteiligter festgenommen. Laut der Polizei von Ontario besteht das Hauptproblem aus drei Faktoren: gesetzliche Schlupflöcher, fehlender politischer Druck und Zuständigkeitsfragen.

Letztere haben vor allem mit der Tatsache zu tun, dass der kanadischen Polizeiquelle zufolge die Betrüger in Deutschland sitzen. Von dort aus platzieren sie über chinesische Seiten—manche legal, andere nicht—Wetten auf kanadische Spiele.

Wettbetrug made in Germany in großem Stil? Das hatten wir doch schon mal—Stichwort Ante Sapina. Der im Mai 2011 zu mehr als fünf Jahren verurteilte Kroate sorgte für einen der größten europäischen Manipulationsskandale. Sapina soll seinerzeit auch mindestens ein Spiel in Kanada verschoben haben.

Ante Sapina (r.) auf der Anklagebank; Foto: Imago/Reviersport

Dann wäre da noch die Frage, wie man den Tatbestand verschobener Spiele nach kanadischer Rechtsordnung juristisch zu bewerten hat. Manche Experten sind der Meinung, dass streng genommen kein Betrug vorliegt, wenn manipulierte Spiele keine wirtschaftlich Geschädigten in Kanada nach sich ziehen, wie das bei einigen betroffenen Partien der Fall zu sein scheint.

Dieses Argument will Hill auf keinen Fall gelten lassen. Er glaubt, dass selbst etwaige juristische Hürden leicht zu nehmen wären, wenn es genügend Druck vonseiten der kanadischen Politik gäbe. Doch die scheint die international unbedeutende Fußballliga mitnichten zu interessieren. Was für die Zukunft des kanadischen Fußballs äußerst schlechte Nachrichten sind.