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Luxusprobleme

Manchester City und der Fluch der Millionen

Für City geht es dieses Jahr nur noch um die direkte Qualifikation für die Champions League. Ob das den erfolgsverwöhnten Fans ausreichen wird, ist anzuzweifeln.
Image via Don Wright-USA TODAY Sports

Die Saison von Manchester City ist längst gelaufen. Aus der Champions League ausgeschieden und—spätestens seit Oscars feinem Hackentrick gegen United—chancenlos im Kampf um die Premier-League-Krone, gibt es für die Citizens nichts mehr zu holen. Einzig das Duell mit dem Stadtrivalen um die direkte Qualifikation zur Königsklasse sorgt für ein Mini-Minimum an Restspannung.

Die einzige Frage, die da noch offen bleibt, ist: Hat man als City-Fan das Recht, sich über die aktuelle Saison seines Teams zu beschweren? Schließlich hat man bei Weitem keine so dramatische Bauchlandung hingelegt wie etwa der BVB, der allenfalls noch in die Europa League reinrutschen kann. Und fragt man Fans von Newcastle oder Stoke City, werden die eh nicht verstehen, wie man überhaupt jammern kann, wenn das Worst-Case-Szenario Platz 4 lautet. Doch aus einem Grund kann man als Citizens-Anhänger doch ziemlich pissed sein. Nämlich dann, wenn man sich in Erinnerung ruft, wie viel Kohle der Verein in seinen aktuellen Kader gepumpt hat. Darum fällt es auch ausgesprochen schwer, als neutraler Beobachter so etwas wie Mitleid für die Citizens aufzubringen, stehen sie doch für all das, was Bewegungen à la Against Modern Football auf die Palme bringt. Citys Probleme kann man also getrost als „Luxusprobleme" bezeichnen, was eigentlich super zu ihrem stinkreichen Vereinsboss passt.

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Vor allem das katastrophale Auftreten in der Champions League, wo um ein Haar schon nach der Gruppenphase Schluss war, lässt durchaus den Schlusssatz zu, als dass Manchester City eine Scheiß-Saison gespielt hat. Weswegen Trainer Manuel Pellegrini in den letzten Monaten gefühlt schon 20 Mal entlassen worden wäre, wenn die englischen Gazetten das Sagen hätten (auch wenn der Chilene am Ende der Saison tatsächlich die Koffer packen muss). Das Starensemble kommt langsam, aber sich in die Jahre, weswegen man angesichts der Tatsache, dass bei den Citizens die Taschen ganz besonders tief sitzen, davon ausgehen kann, dass diesen Sommer mal wieder eine Großoffensive auf dem Transfermarkt gestartet wird. Samir Nasri, der Berichten zufolge bei den Citizens nicht mehr glücklich ist, wird wohl als erster adieu sagen. Ebenfalls Abschied nehmen könnten Aleksandar Kolarov, James Milner und Yaya Touré. Auf der Viererposition ist eine Generalüberholung nötig. Und auch wenn auf dem Papier mehr als genug Stürmer zur Verfügung stehen, ist auch der Angriff eine große Baustelle. Denn bisher ist kein klares Konzept zu erkennen, wer vor Agüero spielen soll. Darum wäre wohl niemand wirklich überrascht, wenn Scheich Mansour das Problem mit Unmengen von Geld und einem neuen Superstar für die neue Spielzeit lösen würde.

Pyrotechnik gegen die Katerstimmung im Etihad-Stadion. Foto: John Rieger—USA TODAY Sports.

Das alles sind bisher nur Gerüchte und Spekulationen (bis auf Pellegrinis Abgang, der ist fix), zeigt aber gleichzeitig, welchem Gegenwind europäische Supervereine ausgesetzt sind, sobald es mal nicht wie am Schnürchen läuft. Denn die Erwartungshaltung an Klubs wie Man City ist riesig—wenn auch nicht komplett aus der Luft gegriffen. Schließlich träumen die Madridistas angesichts von 32 (!) Meistertiteln für Real nicht gerade grundlos davon, dass ihr Verein jedes Jahr in der Primera División triumphiert. Ähnliches gilt für die Bayern und Manchester United. Der europäische Fußball ist nun mal eine moderne Form der Plutokratie. Entweder gehört man zum exklusiven Klub der wohlhabenden Vereine oder man hat gehörig Pech. Und wenn einer dieser gut betuchten Vereine mal Pech hat, gibt's sofort Ärger und Köpfe müssen rollen.

Der Unterschied zwischen City und den anderen Großen in Europa (mit Ausnahme von PSG und—mit Abstrichen—auch Chelsea) besteht darin, dass sich gerade die langjährigen Fans erst noch daran gewöhnen müssen, dass ihr Verein über einen so großen finanziellen Spielraum verfügt und so erfolgreich ist. City war für lange Zeit nicht mehr als ein Mittelklasseverein (der 1998 sogar in die 3. Liga abstieg). Erst als die Abu Dhabi United Group (ABUG) 2008 den Verein kaufte, ging es für die Citizens aufwärts. Doch sie gehören noch lange nicht zu den etablierten Großen. Besonders deutlich wird das auf der europäischen Bühne. Denn während sich Madrid letztes Jahr die Décima sichern konnte, hat es City in der Königsklasse noch nie in die Runde der besten 16 geschafft.

Was uns die lautstarken und bisweilen vorschnellen Rufe nach einem Trainerwechsel und neuen Starspielern in der jüngsten Vergangenheit vor allem gezeigt haben, ist die Erkenntnis, dass City endgültig in der Riege der Spitzenvereine angekommen ist. Auch wenn man international bisher enttäuschte, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier erste Trophäen sammeln werden—vorausgesetzt, der Scheich verliert nicht das Interesse an seinem aktuellen Spielzeug. Zumindest in der heimischen Premier League hat man mit zwei Meistertiteln und einem FA-Cup-Gewinn schon einiges erreicht, seitdem die ABUG bei den Citizens das Ruder übernommen hat. Auch wenn die City-Verantwortlichen angesichts des ab 2015 geltenden Financial-Fairplay-Gebots durchaus einen Grund hätten, die Stirn etwas besorgt in Falten zu legen.

Doch für den Moment sieht es so aus, als würde man erstmal so weitermachen, wie es Real Madrid und auch die Bayern schon seit Ewigkeiten praktizieren. Lief eine Saison nicht nach den eigenen Vorstellungen, wird die Geldschatulle aufgemacht und eine Reihe von teuren Spielern unter Vertrag genommen. Dieses Spiel hat fast schon etwas von einem Suchtverhalten: wollen, bekommen, wollen, bekommen, wollen, nicht bekommen … Entzugserscheinungen und Drama pur! Wenn man City-Fans fragt, ob sie mit der Entwicklung ihres Teams in der jüngeren Vergangenheit glücklich sind, wird die Antwort natürlich „ja" heißen. Schließlich ist es den Verantwortlichen gelungen, aus einem Mittelklasseverein einen Klub zu formen, den man Jahr für Jahr zum engen Favoritenkreis um den Gewinn der englischen Meisterschaft zu zählen hat. Bleibt also nur die Frage, ob die Fans sich aufgrund der Erfolge in den letzten Jahren über vierte Plätze überhaupt noch freuen können. Dieses Jahr werden wir es vielleicht erfahren. Wird also doch noch spannend in England.