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vom butler zum boss

Jimmy Butler braucht keine Spezialeigenschaft

Jimmy Butler ist zum Most Improved Player gewählt worden. Völlig zu Recht—weil er sich selbst treu geblieben ist.
Photo by Benny Sieu-USA TODAY Sports

Jimmy Butler wurde zum Most Improved Player der NBA gewählt—ein relativ nebulöser Preis, selbst für NBA-Verhältnisse. Denn was sich genau hinter „am meisten verbessert" verbirgt, weiß keiner. Goran Dragic hat ihn letztes Jahr gewonnen, obwohl weniger sein Spiel als die Aufmerksamkeit dafür stärker wurde. Und davor ging der Preis an Ryan Anderson, was eigentlich nur damit erklärt werden kann, dass er mehr Einsatzzeit bekam. Im Gegensatz zu diesen Spielern hat sich Butler tatsächlich verbessert, und zwar in der Form, dass er einfach noch besser darin geworden ist, er selbst zu sein.

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Die zweite Hälfte der ersten Draft-Runde wird in der Regel von Spielern bestimmt, denen irgendwie das letzte Fünkchen an Klasse fehlt oder über die man denkt, dass sie aufgrund eines gewissen Makels (sei es, dass sie noch zu jung sind, nicht die nötige Größe mitbringen oder Zweifel an ihrer Athletik bestehen) nicht den entscheidenen Unterschied in der NBA machen werden. Klar, wir sprechen weiterhin von sehr guten Basketballspielern, aber eben auch von Spielern, die zwar insgesamt überdurchschnittlich gut, aber in keiner Kategorie wirklich herausragend sind. Und in der NBA, where amazing happens, reicht das eben oft nicht aus.

Genau das war auch das Problem für Butler, der sich während seiner Zeit an der Marquette University von einem 0815-Scorer zu einem vielseitigen Schlüsselspieler entwickelte, mit durchschnittlich 15,7 Punkten, 6 Rebounds, 2 Assists und einem Steal pro Spiel. Doch die Vielseitigkeit, die am College noch eine Stärke war, wurde plötzlich zur Hypothek, als der Draft Day anstand. Es hieß, er sei ein Spieler, der vieles gut, aber keine Sache hervorragend könne. Die „Experten" warnten weiter, dass er keine Spezialeigenschaft besäße, die ihn wirklich von anderen Spielern abheben würde. Die Chicago Bulls haben ihn dann als 31. Pick dennoch gedraftet und darauf gewettet, dass sie diese eine Seite an ihm schon finden würden, die aus ihm einen wertvollen NBA-Spieler machen könnte.

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Schnell stellte sich heraus, dass Butler eben doch eine Sache besonders gut konnte: konsequent verteidigen. Und da die damalige Verteidigung der Bulls alles andere als sattelfest war, kam er schnell zu reichlich Einsatzzeit unter Coach Tom Thibodeau—was umso beachtlicher ist, weil ihm eigentlich der Ruf nacheilt, eher wenig auf Rookies zu setzen. Doch Butler gewann das Vertrauen von Thibodeau, indem er sich—dank seiner Power, Geschwindigkeit und guten Beinarbeit—schnell als vielseitiges Defense-Bollwerk erwies. Und solange er hinten zuverlässig alles abräumte, wurde ihm auch verziehen, dass er vorne ab und an einen Bock schoss. Und als dann Derrick Rose mehr ausfiel als auflief und dementsprechend im Angriff Not am Mann war, machte Butler den nächsten Schritt, sprang in die Bresche und entdeckte seine alten Scorer-Fähigkeiten.

Dieser Mann verleiht den Bulls immer häufiger Flügel. Foto: Jerry Lai—USA TODAY Sports

Doch damit nicht genug: Ohne Rose auf dem Parkett fehlte den Bulls nicht nur ein wichtiger Punktegarant, sondern auch ein genialer Passgeber. Butler ist zwar keine Assist-Maschine wie Rose, aber dennoch überdurchschnittlich gut darin, andere Spieler in Szene zu setzen. Wie gleich in den ersten Wochen der aktuellen Saison, als ihm—neben mindestens 20 Punkten in 13 von 18 Spielen—jeweils mehr als 5 Assists in 7 Spielen gelangen. Im Laufe dieser Saison stieg Butlers „Assist percentage", der aussagt, wie viel Prozent der Field Goals auf sein Assist-Konto gingen, wenn er auf dem Spielfeld stand, auf 14,4—ein Karrierebestwert für Butler, der wunderbar zum Ausdruck bringt, wie sehr er sich in den letzten Monaten weiterentwickelt hat und wie wichtig er dabei für sein Team wurde.

Wenn man im Basketball von Potential redet, ist damit in der Regel gemeint, dass ein Spieler im Laufe der Zeit nicht nur besser wird, sondern auch neue Skills entwickelt, die ihn zu einem „kompletteren" Spieler machen. Also geht es für die Teams darum, frühzeitig zu erkennen, ob ein gegebener Spieler ein Rohdiamant ist, aus dem mal ein geschliffenes Juwel werden kann. So geschehen im Fall von Serge Ibaka, den Scott Brooks bei den Oklahoma City Thunder zu einem echten Multitalent geformt hat. Dasselbe hat Brett Brown, der Coach der Philadelphia 76ers, mit Joel Embiid vor, auch wenn man da noch abwarten muss.

Bei Jimmy Butler hatten wir es hingegen mit einer anderen Art von Entwicklung zu tun. Denn Butler musste nicht erst neue Fähigkeiten dazulernen, er war ja schon seit College-Zeiten ein äußerst vielseitiger Spieler. Vielmehr ging es bei ihm darum, die bestmögliche Version von sich selbst zu werden, seine bereits bestehenden Talente sowohl in der Offense als auch in der Defense zu optimieren und auf eine neue Ebene zu heben. Das Beachtliche an seiner Entwicklung ist dabei, dass er—um besser zu werden—keines seiner vielen Talente vernachlässigen musste. Klar, seitdem er mehr für die Offense tut, haben seine Defense-Werte etwas gelitten, was aber durchaus typisch ist für einen angehenden Star und mitnichten bedeuten soll, dass er kein großartiger Verteidiger mehr wäre.

Als ihn die Bulls holten, hatten sie die Hoffnung, dass Butler zu einem klasse 3-and-D-Spieler reifen könnte, also ein Spieler, dessen Hauptaufgabe darin besteht, für Distanzwürfe und eine gute Verteidigung zu sorgen. Diese Hoffnung hat Butler nicht erfüllt. Glücklicherweise, Denn statt zu einem Spezialspieler zu werden, wurde aus Jimmy Butler einfach nur Jimmy Butler. Er ist einfach er selbst geblieben und dabei noch viel besser geworden.