Am 10. Oktober ging in der nordschwedischen Provinz Västerbotten für Spieler und Anhänger von Dalkurd FF ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Nach dem 2:0-Auswärtssieg gegen Umeå FC stand fest, dass die Jungs aus Borlänge ab kommender Saison in der 2. schwedischen Liga (der „Superettan") spielen werden.„Das hier bedeutet so viel für unglaublich viele Menschen", meinte Mannschaftskapitän Peshraw Azizi direkt nach dem Schlusspfiff. Mit den vielen Menschen meinte Azizi nicht nur die Fans in und um Borlänge, sondern Millionen von Kurden auf der ganzen Welt. Allein auf Facebook hat die Unterstützer-Seite „Dalkurd Supporter" über 1,1 Millionen Follower, Tendenz steigend. Darum gilt Dalkurd auch als inoffizielle Nationalmannschaft der Kurden. Doch um ein Haar hätte das Fußballmärchen ein jähes und furchtbares Ende genommen. Denn die gesamte Mannschaft hätte eigentlich in dem abgestürzten Germanwings-Flieger 4U9525 sitzen sollen.
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Vom sozialen Projekt zum modernen Fußballmärchen
Hier bekommt man wirklich die Chance, den Jugendlichen ein Vorbild zu sein und etwas für die Gemeinschaft zu tun—Torwart Frank Pettersson
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Doch anfangs war es gar nicht so einfach, genügend Spieler zusammenzukriegen. Bis sich Ramazan Kizil an seinen Sohn Adil wandte. Adil war zu dem Zeitpunkt gerade mit seiner Mannschaft IK Brage in die zweite Liga aufgestiegen, eine Profikarriere winkte. „Als er mich fragte, wie er Spieler zu seinem Verein locken soll, wenn er nicht mal seinen eigenen Sohn überzeugen konnte, stand meine Entscheidung fest."
Was dann folgte, war ein modernes Fußballmärchen. Mit „Mitspielermagnet" Adil im Tor und fast ausschließlich kurdischen Spielern im Team (die meisten aus der Ortschaft Girmeli in der osttürkischen Provinz Mardin) gelang innerhalb von fünf Jahren der Durchmarsch von der achten in die dritte Liga, jedes Mal als Tabellenerster. Im ersten Jahr ging man mit einem Altersdurchschnitt von 16,4 Jahren in die Saison—und blieb ohne Niederlage. In den beiden darauffolgenden Spielzeiten setzte es jeweils nur eine Niederlage. In ihrer vierten Saison gelangen Dalkurd gar 126 Tore in 22 Spielen—bis heute ein Liga-Bestwert. Auf die Frage, wie eine solche Erfolgsgeschichte zustande kommen konnte, gab es von allen Beteiligten stets dieselbe Antwort: durch gute und extrem motivierte Jugendspieler, eine familiäre Atmosphäre und eine 35 Mann große, engagierte Vereinsführung.Erst 2010—als man in der Division 1, der dritthöchsten Spielklasse, angekommen war—kam ihr Serienaufstieg ins Stocken, auch wenn man weiterhin für gute bis sehr gute Platzierungen (6., 4., 8., 2. und 3. Platz) sorgte. Bis dann dieses Jahr der große Wurf mit Platz 1 und dem Ticket für die zweite Liga gelang. Wie weit kann es für Dalkurd noch gehen? Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sollte man wohl nicht glauben, dass ihre Erfolgsgeschichte schon in der Superettan enden muss. Allein wenn man sich anschaut, wie sie ihre Konkurrenz im letzten Jahr pulverisiert haben. Außerdem haben sie nicht nur große Teile einer Stadt im Rücken, sondern auch die Sympathien von Millionen von Kurden auf ihrer Seite. Das kann ordentlich pushen. Bisher waren es übrigens noch vornehmlich kleinere Sponsoren aus Borlänge, die den Verein finanziell unterstützt haben. Doch wer weiß, vielleicht weckt ihr märchenhafter Aufstieg auch Begehrlichkeiten bei einem finanzstärkeren Partner, der das Image-Potential hinter Dalkurd FF erkannt hat. Zudem steht Dalkurd auch für eine typisch schwedische Erfolgsgeschichte. Eine Geschichte, die in der Form wohl nur im weltoffenen und sozial-fortschrittlichen Schweden Wirklichkeit werden konnte.
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Ihr großes Herz nie verloren
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Nur schweren Herzens und viel später als geplant kehrte er nach Schweden zurück. Da steckte seine Mannschaft schon mitten in der Saisonvorbereitung. Von Borlänge aus trommelte er ein paar Monate später fast 20.000 Euro an Spenden zusammen—Geld, das nach Kobanê gehen sollte. Er selbst reiste auch in die Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, die im Zuge mehrerer IS-Offensiven schwer verwüstet worden war. Und wurde auf der türkischen Seite fast Opfer eines Bombenanschlags, als er das Kulturzentrum von Suruç besuchen sollte, dieses aber kurz vor seinem Eintreffen von einem Selbstmordattentäter heimgesucht wurde. Auch nach dem schweren Erdbeben 2011 im osttürkischen Van wurde Dalkurd aktiv und veranstaltete gegen eine Auswahl von schwedischen Erstligaspielern und TV-Stars ein Benefizspiel.Es sind genau solche Aktionen, die in den letzten Jahren immer wieder Spieler, die auch in höherklassigen Ligen hätten spielen können, zu Dalkurd FF gelockt haben. Ein gutes Beispiel dafür ist Torwart Frank Pettersson. „Als ich 2010 herkam, hatten sich vorher auch diverse Zweitligateams bei mir gemeldet. Doch nach dem ersten Probetraining habe ich mich sofort für Dalkurd entschieden. Hier bekommt man wirklich die Chance, den Jugendlichen ein Vorbild zu sein und etwas für die Gemeinschaft zu tun."Mittlerweile spielt mit Peshraw Azizi nur noch ein gebürtiger Kurde in der Mannschaft. Dass der Verein dennoch seine Rolle als Botschafter Kurdistans nicht verloren hat, hat Azizi beim letzten Trainingslager in der Türkei erneut erfahren dürfen. „Als wir vor der letzten Saison im kurdischen Teil der Türkei im Trainingslager waren, kannten alle unsere Namen. Das motiviert einen natürlich auch noch während der Saison in Schweden."
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Derby-Fieber in Borlänge
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Am 24. Juni 2014 kam es zwischen IK Brage und Dalkurd FF zum lang ersehnten Borlänge-Derby. Und die vermeintlichen Underdogs sollten es den Zweitligaabsteigern so richtig zeigen, indem sie am Ende einen viel umjubelten 4:2-Auswärtssieg feiern konnten. Am Ende der Saison landete Dalkurd mit seinem dritten Platz einen Platz vor Brage. Mission Platzhirschablösung erfüllt. Und dieses Jahr nun die Krönung mit dem Aufstieg in die zweite Liga. Zum ersten Mal in der Geschichte heißt der höchstklassige Verein Borlänges nicht IK Brage. Vielleicht bekommt Dalkurd jetzt endlich auch ein Vereinshaus, bei dessen Bau sich die Stadt wiederholt quer gestellt hat.