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​Wie ein tiefblaues Dorf in Oberösterreich zu einem Positivbeispiel für Asylunterbringung wurde

Trotz der extrem rechten Färbung seiner Wählerschaft wurden in Aurolzmünster 49 Flüchtlinge vorbildlich im Wasserschloss der Gemeinde untergebracht. Was ist da richtig gelaufen?
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Als ich vergangenes Wochenende auf einem Fest in der Mehrzweckshalle von Aurolzmünster war, bin ich ziemlich schnell auf das obligatorische Bild rechter Landjugendlicher getroffen, das ich noch aus meiner Jugend kenne: Kurzhaarträger mit „Kreuz und Eisen"-Schriftzug samt passendem Bild der Nazi-Insignie auf dem T-Shirt und zig, fast plakativ „uniformierte" Frei.Wild-Fans, die sich wankend mit Weißbier ins Koma trinken.

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Das ist an sich wie gesagt nichts Besonderes—schon gar nicht im Innviertel. Aber die Szenerie war trotzdem verstörender als sonst, weil ich diesmal nach Oberösterreich gefahren war, um mir das provisorische und mitten in der Ortschaft ansässige Asylheim näher anzusehen und mit ein paar Leuten aus der Region über Flüchtlingspolitik zu sprechen.

Viele meiner liebsten Menschen sind von dort und ich will niemanden angreifen—aber die Zahlen, meine Erfahrung und die Wahrnehmung sind schon eindeutig. Rechts sein ist in Aurolzmünster fast normal. Das sind auch die, die mich schon in meiner Jugend verprügelt haben oder die, die damals regelmäßig zu Haiders Aschermittwochsrede in Ried gepilgert sind. Gerade deshalb stellt sich für mich die Frage, warum die Unterbringung von Asylwerbern—in Österreich bekanntlich ein potentielles Pulverfass für fast jede Region—so dermaßen glatt und ohne Probleme abgelaufen ist.

Im Schloss Aurolzmünster leben seit Juni 49 Flüchtlinge und das sicher noch bis Dezember. Gleichzeitig haben bei der Europawahl in 2009 über 27 Prozent der „Münst'rer" die FPÖ gewählt und sie zur stärksten Partei des Orts gemacht. Bei der Nationalratswahl 2013 konnten sie dann sogar 31,71 Prozent Mehrheit erreichen.

Trotz der blauen Übermacht in Aurolzmünster hat die Gemeinde mit knapp 2.900 Einwohnern einen Bürgermeister der oberösterreichischen SPÖ, Walter Schneiderbauer, der dieses Jahr bereits einiges an Kritik von links und rechts kassieren durfte.

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Im Februar war im Nachbarort Forchtenau ein privat aufwendig adaptiertes Flüchtlingsquartier geplant, das dann nicht umgesetzt wurde und viele im Zuge dem ganzen Gemeinderat und dem Bürgermeister Schneiderbauer „unsoziales Querstellen" vorgeworfen haben. Tatsächlich hielt der Bürgermeister den Standort und das „unentspannte" Umfeld nicht für adäquat.

Im Mai organisierte Schneiderbauer zusammen mit der oberösterreichischen Landesrätin, dem Roten Kreuz und dem Besitzer des Aurolzmünsterer Wasserschlosses—das ich sicherlich NICHT wie alle anderen Wikipedia zitierend als das „Innviertler Versailles" bezeichnen werde—die Noteinquartierung für die 49 Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Afghanistan und Pakistan.

In Folge wetterten dann rechtspopulistische Online-Seiten wie unzensuriert und Aurolzmünster FPÖ gegen die humanitäre Nothilfe: Die Bewohner seien viel zu spät informiert und dadurch „hintergangen" worden. Kurz, es wurde versucht, wie zur Zeit überall im Land, aus der Asylfrage politischen oder anderen Profit zu schlagen. Von dem Ausmaß der geschmacklosen Kommentare auf Facebook und anderen Foren haben wir bereits berichtet. Gerade dieses Themenfeld scheint immer wieder die Menschenfeinde an die Tastaturen zu locken.

Trotz aller Kritik und Wutbürgertum auch an den lokalen Stammtischen Aurolzmünsters ist die Übergangseinquartierung der Flüchtlinge erfolgreich und bis dato ohne Vorfälle—sogar mit ortsansässiger Unterstützung—umgesetzt worden. In vielen Gemeinden Oberösterreichs fällt hier eine positive Tendenz auf—bis auf Reichersberg vielleicht.

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Es geht hier keinesfalls darum, zu mutmaßen, ob gerade in rechten Regionen Österreichs bessere Asylpolitik betrieben werde. Das wird sie mit ziemlicher Sicherheit nicht und jetzt so zu tun, als wäre die FPÖ (aus welchen Gründen auch immer) der wahre Beschützer von Schutzbedürftigen in unserem Land, wäre heuchlerische Parteiwerbung. Vielmehr geht es mir darum, aufzuzeigen, wie im Fall von Aurolzmünster intelligent, vorbildlich und fair an die Asylhilfe herangegangen wurde—und sich zu fragen, warum das „Projekt" in diesem Ort im Gegensatz zu so vielen anderen funktioniert.

Ein langjähriger Bewohner der Gemeinde, den ich zu einem ausführlichen Gespräch getroffen habe, erklärt mir, was seiner Meinung nach der Grund ist: „Ich glaube wirklich, es war eine sehr gute Entscheidung, die Bewohner erst relativ kurz vor der Einquartierung der Flüchtlinge darüber zu informieren." So blieb weder für Links noch für Rechts die Zeit opportunistische Politik zu betreiben—wie im erwähnten „rotfeindlichen" Streit um die Forchtenauer Asyl-Unterbringung, der teilweise immer noch andauert.

„Ich finde es ehrlich gesagt sowieso eigenartig, dass Bürgermeister und Gemeinden bei Entscheidungen auf Regierungsebene so dermaßen viel Einfluss nehmen können", ergänzt ein anderer Bewohner der Region.

Ende Juni gab es einen „Tag der Begegnung" im Aurolzmünsterer Schloss, organisiert vom Roten Kreuz, der wohl ebenfalls essentiell für die Akzeptanz unter den Bewohnern sein dürfte. Man konnte einander kennenlernen, die Betreuung und Beratung der Asylwerber besprechen—sowie bei Betrachtung der provisorischen Unterkünfte im Schloss sicher gehen, dass die Flüchtlinge auch nicht „zu luxuriös" untergebracht worden seien. Sorgen wie das zuletzt erwähnte, unterstreichen die Abstiegsangst und das Neid-Fundament von österreichischer Fremdenfeindlichkeit.

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Von Seiten einer ehemaligen Bewohnerin Aurolzmünsters wurde dieses Begegnungstreffen als besonders wertvoll für das soziale Klima eingestuft. Das von rechten Parteien gerne sogar propagierte, gesichtslose Feinbild des „bösen Fremden" mit seinen unterstellten kriminellen Elementen, bekam so gar nicht erst die Chance, zu entstehen. Eine sehr geschickte Vorgehensweise, den Flüchtlingen sowie den Einheimischen die Angst vor einander zu nehmen.

Die Geschichte in Aurolzmünster zeigt, wie Probleme, Missstände und auflodernde Debatten wie jene rund um das überfüllte Asyllager in Traiskirchen gar nicht erst entstehen könnten, wenn jede Gemeinde und Ortschaft—auch solche, deren Bevölkerung ideologisch vielleicht eher rechts als links steht—ihren fairen Beitrag in Zeiten der Flüchtlingsflut übernimmt.

Die Erkenntnis, dass sich Vorurteile und unbegründete Paranoia über angeblich unsoziale Tendenzen unter Zuwanderern oft sehr schnell verflüchtigen, sobald die Grundlagenversorgung sichergestellt ist und man die Menschen in Not persönlich kennenlernt, müssen wir wohl nicht noch mal durchkauen. Die Flüchtlinge, die in den Auffanglagern darauf warten, in einem der reichsten Länder Europas gnädigerweise nicht auf Parkbänken oder in Zelten schlafen zu müssen, sind eben auch die, die am meisten verloren und zu verlieren haben.

Im Gespräch mit zwei direkten Nachbarn des Schlosses wurde mir auch erklärt, dass der Vorwurf der Blauen, bezüglich der „schlechten und sporadischen Informierung der Bevölkerung über die Asylwerber im Schloss" nicht der Wahrheit entspreche. „Wir wurden zeitnahe und vollkommen ausreichend informiert", meinen beide. „Die neuen Schlossbewohner sind außerdem sehr lieb. Wir treffen sie manchmal beim Einkaufen. Sie sind auch sehr nachtaktiv, in der Nacht brennt meistens das Licht", heißt es weiter. Zusammen spekulierten wir noch ein bisschen über eventuelle Traumata oder Ängste, weswegen die Asylwerber das Licht anlassen. Aber egal—es gibt ohnehin genügend andere Themen, die Aurolzmünster beschäftigen sollte.

Folgt Josef auf Twitter: @theZeffo