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echte st. paulianer

Die unbeirrbare Agenda des St.-Pauli-Fanklubs aus Yorkshire

Beim Besuch im St. Pauli-Fanklub in Leeds erklärte man uns, dass schlechter Zweitliga-Fußball nicht alles sei. Es gehe vor allem darum, die Stadt besser zu machen.
All photos provided by Chris Webster unless stated otherwise

Wie wir alle wissen—oder wissen sollten—ist der FC St. Pauli mehr als nur ein normaler Fußballverein. Nicht nur, dass St. Pauli wohl für immer in unserem kollektiven Gedächtnis als „Weltpokalsiegerbesieger" abgespeichert sein wird: Der Verein und seine Fans engagieren sich gegen jede Form von Diskriminierung und sind bekannt für ihre politische Stellungnahme. Rechte Fans haben am Millerntor keine Chance. Das weiß man nicht nur in Hamburg und im Rest von Deutschland, sondern auch im Ausland. Der Verein hat Fanklubs in ganz Europa. Sei es in Katalonien (StPauliCatalunya), Athen (FC St. Pauli Athens Club), London (St Pauli-London) oder Glasgow (Glasgow St. Pauli), die Piratenflagge wird international gehisst. Besonders engagiert ist aber eine Fangruppe aus der englischen Grafschaft Yorkshire mit Sitz in Leeds. Die Rede ist von „Yorkshire St. Pauli". Und wie es sich für echte St. Paulianer gehört, geht es bei diesem Fanklub um weitaus mehr als nur Fußballschauen und Biersaufen. Denn Yorkshire St. Pauli steht auch und vor allem für soziales Engagement und Flüchtlingshilfe.

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Das Millerntor. Foto: Wikimedia

Gegründet wurde der Fanklub im Mai 2011 mit dem Ziel, dass sich ein paar Gleichgesinnte in Leeds regelmäßig treffen und Spiele des FC St. Pauli anschauen. Auch wenn das immer noch einen wichtigen Teil der Gruppenidentität ausmacht, ist Yorkshire St. Pauli zu etwas Größerem und Bedeutenderem gewachsen. Nicht nur dass die Mitgliederzahlen in den letzten Jahren rapide angestiegen sind, der Fanklub hat inzwischen auch einen deutlich organisierteren Charakter. Mittlerweile kostet die Mitgliedschaft Geld und kommt mit einer Satzung, die alle Mitglieder dazu verpflichtet, „den Werten und Prinzipien des FC St. Pauli in seiner Stellungnahme gegen jede Form von Diskriminierung zu folgen." Zudem wurde mit dem örtlichen Flüchtlingsverein PAFRAS eine Partnerschaft ins Leben gerufen, die aus den Fundraising-Initiativen des Yorkshire St. Pauli entstanden ist.

Als offizieller Fanklub versucht Yorkshire St. Pauli, mehrere Hamburg-Fahrten pro Saison zu unternehmen. Wenn sie dann nicht gerade am Millerntor ihrer Mannschaft die Daumen drücken, versuchen sie, mit den Fans vor Ort und dem Verein den Kontakt zu vertiefen. Dank ihres sozialen Engagements werden die Mitglieder von Yorkshire St. Pauli in der Hansestadt mit offenen Armen empfangen. Es hilft eben, wenn man sich für typische St.-Pauli-Prinzipien auch in Leeds starkmacht.

Mitglieder des Yorkshire St. Pauli bei einem Live-Streaming ihrer Mannschaft

Als ich von Chris wissen will, wie er mit Yorkshire St. Pauli in Berührung kam, erzählt er mir: „Ich war schon immer an Politik und linksorientierter Fußballkultur interessiert. So stieß ich erst auf St. Pauli und dann auf Yorkshire St. Pauli." Neben dem Ziel, die St.-Pauli-Community durch Zusammenarbeit mit anderen Fanklubs im Ausland zu stärken, macht Chris klar, dass Yorkshire St. Pauli auch in ihrer Heimatstadt Leeds für Denkanstöße sorgen wollen. Die Mitgliedschaft kostet fünf Pfund für Personen mit einem Job und drei Pfund für Leute ohne. Und das Geld wird vor allem dafür verwendet, um die Kosten für St. Paulis offiziellen Streamingdienst zu decken. Daneben geht nach jedem Spiel auch noch die Spendendose für PAFRAS rum.

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Noch mehr zum Kiezklub: FC St. Pauli—Im Spagat zwischen Mythos und Realität

Um die Flüchtlingscommunity von Yorkshire besser kennenzulernen, hat die Fangruppe Asylbewerber in ihren Verein eingeladen, um mit ihnen gemeinsam St.-Pauli-Spiele anzuschauen. Schnell wurde klar, dass die Jungs nicht nur Fußball schauen, sondern auch spielen wollten. So wurde das „Football For All"-Projekt geboren. Hier spielen Mitglieder von Yorkshire St. Pauli zusammen mit Flüchtlingen aus Leeds und Umgebung. Der Fanklub nahm durch Spenden auch genug Geld ein, um davon Schuhe, Trikots, Hosen, Socken und Schienbeinschoner zur gemeinschaftlichen Nutzung zu kaufen. Auch der FC St. Pauli hat einige Trikotsätze beigesteuert.

Die Mannschaft von Yorkshire St. Pauli, die gegen den FC Lampedusa gespielt hat

Chris ergänzt, dass Fußball zwar die treibende Kraft hinter der Gründung ihrer Fangruppe war, dass die Mitgliedschaft bei Yorkshire St. Pauli mittlerweile aber über den Sport hinausgeht. „Das Gemeinschaftsgefühl, die Freundschaften und all die Verbindungen, die entstanden sind, all das hätte ich mir vor fünf Jahren nicht erträumen lassen", sagt er. Als sie für das letzte Heimspiel der abgelaufenen Saison nach Hamburg reisten, wurden rund 20 Mitglieder zu einer Party des berühmten Jolly-Roger-Fanclubs eingeladen. Außerdem wurde noch ein Freundschaftsspiel gegen den Flüchtlingsverein FC Lampedusa auf die Beine gestellt, das aber laut Chris „mit ungefähr 1:10" verloren wurde. Am Ende ging es beim Ausflug in die Hansestadt aber eh nur um die Gemeinschaft. Chris erzählt mir voller Stolz, dass fast alle Mitarbeiter des Fanzines des FC St.Pauli schon von Yorkshire St. Pauli gehört hatten.

Und nicht nur in Hamburg kennt man Yorkshire St. Pauli, sondern vor allem auch in Leeds, wo sich der Fanclub mit seinen Aktionen für den guten Zweck einen Namen gemacht hat. Das hat vor allem mit der Identität seines Fanclubs zu tun. Chris weiter: „Wir sind Menschen, die innerhalb der Gemeinschaft etwas bewirken wollen. Wir wollen keine Clique sein, wir wollen kein Haufen von Typen sein, die sich einfach nur in einer Kneipe deutschen Zweitligafußball anschauen. Wir haben eine Agenda, wir haben einen Zweck. Wir können unsere Gemeinschaft ein bisschen besser machen."

Mehr St. Pauli geht wohl nicht.