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Fußball

Ismaiks Facebook-Seite ist die letzte Bastion der Meinungsfreiheit bei 1860

Bei 1860 München werden derzeit Journalisten ausgesperrt. Ihre Kritik haben Löwen-Fans ins Internet verlagert – in die Bewertungssektion des Investors Ismaik. Und siehe da – fast die Hälfte der Fans lieben Hasan.
Screenshot: facebook.com/ismaik1860​

Wie oft war in jüngerer Vergangenheit bei 1860 München vom „vorläufigen Tiefpunkt" die Rede? Dass dieser allerdings noch längst nicht erreicht ist, zeigte das vergangene Wochenende, als erneut versucht wurde, Journalisten „mundtot" zu machen und im „Stadion am Müllberg" Delegierte des FC St. Pauli wegen überschwänglichen Jubels ihres Platzes verwiesen wurden. Nicht neu hingegen beim TSV: Platz- und Hausverbote für Journalisten und Fans, ein Medienboykott und der Entzug von Akkreditierungen. Presse- und Meinungsfreiheit wird im Umfeld des „Traditionsklubs" unter der Führung von Hasan Ismaik momentan ähnlich wertgeschätzt wie in der Türkei.

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Passend dazu: Wie kann man immer noch Fan von 1860 München sein?

Aber zum Glück gibt es ja noch das Internet. Diese anonyme Spielwiese auf der man sich so richtig seinen Frust (oder doch seine Liebesbekundungen?) von der Seele schreiben kann. Und zum Glück beauftragte der jordanische Investor eine PR-Agentur, die in seinem Namen eine Facebook-Seite (klangvoller Name: „Ismaik1860") betreibt. Nachdem kritische Fragen der Presse in letzter Zeit ins Leere liefen, ist die Seite eine der wenigen Möglichkeiten, Kritik an dem Alleinherrscher zu äußern. Und das nutzen die Leute in Form der Bewertungen. Und auf die lohnt sich ein genauerer Blick:

Während dem Verein sein indiskutables Verhalten medial gerade ziemlich um die Ohren fliegt, bekommt Ismaik von vielen Löwen-Fans nach wie vor die volle Rückendeckung. Doch der Graben ist tief: Von knapp 495 Bewertungen vergeben 213 die vollen fünf Sterne, 229 nur einen Einzigen. Viele haben sich bei ihrer Bewertung sichtlich Mühe gemacht. Wir haben ihre Rezensionen ausgewertet, um die Seele des Löwen-Fans zu verstehen.

Fünf Sterne:

Auch wenn es momentan schwer fällt, das wirklich zu glauben: Hasan Ismaik und seine handzahmen Löwen liefern anscheinend gleich drei verschiedene Gründe, fünf Sterne zu vergeben:

1. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. Der Jordanier stieg 2011 bei 1860 ein und pumpte seitdem zahlreiche Millionen in den Verein. Auch wenn sich sportlicher Erfolg noch nicht eingestellt hat, haben es ihm viele Fans nicht vergessen, dass er die Löwen vor dem Bankrott und dem Neuanfang in der fünften Liga bewahrt hat.

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2. Die „Geil, endlich gibt jemand mal nicht klein bei"-Sager. Oder anders ausgedrückt: Die Yolo-Fraktion, die die Welt einfach nur brennen sehen will.

3. Die Trolls, die sich von 1860 einfach verdammt gut unterhalten fühlen. Gründe dafür liefern Ismaik und Co. ja genug. Die Witz-Bewertungen kommen dabei nicht nur von Bayern-Fans, sondern von Anhängern fast aller Zweitligakonkurrenten.

Vier bis zwei Sterne:

Hier offenbart sich die Problematik. Denn Ismaik polarisiert zu sehr, als dass man keine eindeutige Meinung zu ihm haben könnte. Die Fans, die eine Bewertung zwischen zwei und vier Sternen abgeben, setzen sich differenziert mit dem Thema auseinander und versuchen dabei, gute und schlechte Ansätze seiner Arbeit zu finden. Exemplarisch dafür stehen folgende Kommentare:

Träumen darf ja wohl noch erlaubt sein, oder? Ismaik verspricht dem TSV 1860 seit geraumer Zeit ein eigenes Stadion und weiß damit vor allem bei den Fans zu punkten.

Der mit Abstand schönste Kommentar zur Lage bei den Löwen. Wenn auch schon etwas älter, so trifft er auch heute noch perfekt zu. Aber 1860 ist ja auch ein (Chaos-)Traditionsverein.

Beispielhaft für die Fans, die sich ernsthafte Sorgen um die Zukunft des TSV machen. Zwar wissen sie genau, dass ohne Ismaiks Unterstützung die Lichter längst erloschen wären, doch ist ihnen schmerzlich bewusst, wie sehr er den Verein dadurch in der Hand hat.

Ein Stern:

Besonders Ismaiks persönliches Verhalten wird ihm hier zum Verhängnis. Nach Niederlagen hatte der Investor stets die Schuld bei Anderen gesucht. Nach der Auswärtspleite bei Union Berlin war der Rasen schuld, gegen St. Pauli die Schiedsrichterin und nachdem die Pokalpartie zwischen 1860-Bezwinger Lotte und dem BVB verschoben wurde, witterte Hasan Ismaik eine Verschwörung. Seine Löwen hätten auf viel schlechterem Rasen spielen müssen.

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Das kommt nicht nur bei den eigenen, sondern auch bei zahlreichen anderen Anhängern schlecht an.

Auch wenn unter „Info" klar und deutlich zu lesen ist, dass Hasan Ismaik die Beiträge nicht selbst verfasst, sondern durch ein von ihm beauftragtes Pressebüro erstellen lässt, macht sich manch ein Betrachter ob der obskuren Kommentare doch Gedanken, ob es sich vielleicht nicht doch nur um einen riesengroßen Scherz handelt …

Leider ist dem nicht so. Kürzlich gab der Verein eine Stellungnahme ab, in der man verkündete, weiterhin an der bereits eingeschlagenen Medienpolitik festhalten zu wollen. Immerhin können wir uns bereits jetzt schon auf den nächsten Löwen-Artikel freuen, in dem von einem „vorläufigen Tiefpunkt" die Rede sein wird.