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Ein Lazio-Talent verlässt italienischen Fußball, weil er „umgeben ist von Ausländern"

Man möchte die Aussagen von Lazio-Spieler Filippo Cardelli umgehend als rassistisch bezeichnen. Doch sein Wut-Post macht auch auf ein strukturelles Problem im italienischen Fußball aufmerksam.
facebook.com/filippocardelli4

Ein Jugendspieler von Lazio Rom, der 18-jährige Filippo Cardelli, hat für einen handfesten Skandal gesorgt. Er teilte über Facebook mit, dass er seinem Verein und dem italienischen Fußball den Rücken kehren und stattdessen zu einem US-College wechseln wird. Der Grund: Ihm spielen sowohl in der Serie A als auch in seiner Juniorenliga, der Primavera, zu viele Ausländer.

Im Wortlaut schrieb Cardelli:

„Nach 10 Jahren voller Entbehrungen lasse ich den Fußball hinter mir. (…) Ich lasse ihn hinter mir, weil das ehrlich gesagt nicht mehr der Sport ist, in den ich mich als Kind verliebt habe. Ich sehe keinen Sinn darin, für Lazio Primavera zu spielen und von Ausländern umgeben zu sein. Und nicht nur das: dazu auch noch wie Scheiße behandelt zu werden, nach all den Opfern, die ich gebracht habe. Solange es nur darum geht, auf ein Studium, auf die Freunde, auf Mädchen zu verzichten, kann ich das akzeptieren, weil ich einen Traum habe und dieser Traum vorgeht. Aber wenn du dir anhören musst, dass dein Verein die Behandlungskosten vielleicht nicht übernimmt, weil du keinen Vertrag hast, (…), wenn du nicht ins Fitnessstudio kannst, weil du keinen Vertrag hast, wenn sie dir deine medizinische Tauglichkeitsprüfung nicht bezahlen, weil du keinen Vertrag hast, hast du die Schnauze voll. Und die Ausländer haben natürlich einen Vertrag und verdienen auch noch viel… Ich habe nie des Geldes wegen Fußball gespielt, sondern wegen der Freude, als Teil einer Gruppe von Freunden für ein gemeinsames Ziel zu kämpfen. (…). Die Serie A ist voll mit Ausländern, der italienische Fußball ist tot. Und ehrlich gesagt, wenn ich schon wie ein Ausländer im eigenen Land behandelt werde, dann ziehe ich es vor, gleich ins Ausland zu gehen".

Man kommt nicht umher, Teile von Cardellis Äußerungen als rassistisch einzustufen. Seine Aussage, dass er nicht „von Ausländern umringt" sein möchte, geht eindeutig zu weit. Trotzdem sollten wir den Menschen Cardelli nicht einfach so als Rassisten abstempeln. In einem Interview hat Cardelli klargestellt, dass es ihm nicht um jene Ausländer gehe, die früh nach Italien kommen und die Fußballausbildung in Italien durchmachen. Vielmehr gehe es ihm um die Ausländer, die einem kurz vor dem Sprung zu den Profis vor die Nase gesetzt werden und die bis dahin nichts für den Verein geleistet haben. Ihm gehe es darum, dass große einheimische Talente keine Chance bzw. nur wenig Einsatzzeiten bekommen, weil Ausländer verpflichtet werden, „aus welchen wirtschaftlichen Interessen auch immer."

Glaubt man dem italienischen Medienriesen Mediaset, hat der italienische Jugendfußball tatsächlich ein Ausländer-Problem. Die Anzahl an Ausländern in der Primavera ist für den Autor ein „Skandal" und „alarmierend" zugleich. Ein Skandal, der auf dem Rücken der Zukunft des italienischen Fußballs ausgetragen werde. Auch was den Zustand der Serie A betrifft, sind Cardellis Äußerungen nicht als komplett falsch von der Hand zu weisen. So liegt die erste italienische Liga laut Informationen der Gazzetta dello Sport in Europa auf Platz drei, was den Anteil ausländischer Spieler betrifft (57,9%). Nur in England (66,4%) und Belgien (59,1%) stehen noch mehr ausländische Profis unter Vertrag.