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KZ-Gedenkstätte Dachau

Rechtsextremer "Volkslehrer" pöbelt in KZ-Gedenkstätte und fliegt raus

Der ehemalige Berliner Grundschullehrer soll Jugendlichen gesagt haben, dass ihnen dort nur "Lügen erzählt werden".
Nikolai Nerling "Volkslehrer"
Nikolai Nerling bei einer rechten Kundgebung | Foto: imago | snapshot

Es gibt Pädagogen und Pädagoginnen, die sich eher vor einen Haufen schmutziger Wäsche stellen sollten als vor eine Schulklasse. Nikolai Nerling zum Beispiel. Der ehemalige Grundschullehrer flog im vergangenen Jahr aus seiner Schule in Berlin-Wedding, nachdem er mehrfach rechte Inhalte auf seinem YouTube-Kanal verbreitet hatte. Die Bildungsverwaltung warf dem 38-Jährigen Nähe zur Reichsbürgerbewegung vor und zeigte ihn wegen Volksverhetzung an. Nerling klagte gegen die Kündigung. Seinen Job bekam er trotzdem nicht zurück. Doch der selbsternannte "Volkslehrer" pöbelt weiter. Auch im ehemaligen KZ Dachau. Am Montag flog er deswegen aus der Gedenkstätte. Er bekam Hausverbot und eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.

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Das bestätigten ein Förderverein der Gedenkstätte und ein Sprecher der Polizei Ingolstadt gegenüber VICE. Eine Mitarbeiterin der Gedenkstätte habe ihn zuvor "als rechtsextrem" (das Jüdische Forum gegen Antisemitismus stuft Nerling als "rechtsextremen Aktivisten" ein) erkannt und dazu aufgefordert, das Gelände verlassen, so der Polizeisprecher. Nerling hatte das ehemalige KZ gemeinsam mit einer anderen Person betreten und eine Kamera dabei.


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Ein Video über die Auseinandersetzung veröffentlichte Nerling bislang nicht auf seinem Kanal. Doch ein Facebook-Post des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit lässt erahnen, wie Nerling sich auf dem Gelände des ehemaligen KZ Dachau verhalten hat: "Als die Kollegin ihn empört aufforderte, diesen Ort zu verlassen, begann er sie zu verhöhnen und zu pöbeln", heißt es in dem Post vom Mittwoch. Während der Begleiter des ehemaligen Grundschullehrers das Namensschild der Frau gefilmt habe, habe Nerling sie anhand ihres Nachnamens als Jüdin identifiziert. Dann habe er sich der Frau gegenüber als Rechtsextremist bezeichnet.

Auch als die Frau sagte, ihr Großvater sei selbst im KZ gewesen, hörte Nerling offenbar nicht auf. "Da habe es der Opa ja nicht so schlecht gehabt, dass er überlebt habe", zitiert ihn der Förderverein. "[Der Großvater] habe wohl schöne Geschichten erzählen können." Dann habe Nerling den ebenfalls anwesenden Jugendliche gesagt, an der Gedenkstätte würden "nur Lügen erzählt". Besucherinnen, die ihm widersprachen, habe er beleidigt: "Als eine Schülerin lautstark protestierte, antwortete er, sie solle sich nicht so aufregen", heißt es bei Facebook, "sie habe wohl ihren Tampon vergessen."

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Nerling hat nach dem Rauswurf eine Gedenkstätten-Mitarbeiterin wegen Beleidigung angezeigt

Die Gedenkstätte hatte Nerling und seinen Begleiter bereits vom Gelände verwiesen, als die Dachauer Polizei eintraf. "Die Polizisten haben die Männer in einem Bus angetroffen", erklärt ein Polizeisprecher am Donnerstag gegenüber VICE. Sie nahmen seine Personalien auf. Nerling soll sich über den Rauswurf beschwert haben. "Der Mann fühlte sich von den Mitarbeitern der Gedenkstätte beleidigt", so der Polizeisprecher. Nerling hat Anzeige wegen Beleidigung und Nötigung gegen eine Mitarbeiterin erstattet.

Gabriele Hammermann, die Leiterin der KZ-Gedenkstätte, teilte am Mittwoch mit: "Gerade in Zeiten des zunehmenden Nationalismus und des Erstarkens rechtsradikaler Gruppierungen und Parteien muss die Würde dieses historischen Ortes geschützt werden."

Die Gedenkstätte sei grundsätzlich eine offene Einrichtung, Besuchende müssten aber historische Fakten anerkennen und die Opfer des Nationalsozialismus respektieren. Wer die Verbrechen leugne und ein Menschenbild vertrete, das nicht mit den Werten des Grundgesetzes unvereinbar sei, erhalte keinen Zutritt.

Wahrscheinlich wollte Nerling mit seinem Besuch vor allem Aufmerksamkeit provozieren: In seinem neuesten Video steht er vor der Gedenkstätte in Dachau und sagt: "Geht zu Gedenksteinen und Lagern und sagt, dass ihr euch nicht schuldig fühlt". Doch Nerling scheint zu vergessen: Orte wie die Gedenkstätte in Dachau sind auch dafür da, nachfolgende Generationen an die Verbrechen des Holocaust erinnern. Und daran wird auch ein kruder "Volkslehrer" mit zweifelhaften Videos nichts ändern.

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