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„Sport in Deutschland ist tot"—so frustriert sind die Sportler über das „Olympia-Nein"

Wie enttäuscht die deutschen Sportler über das Nein zu Olympia waren, zeigt sich auf ihren Social-Media-Kanälen. Wut, Unverständnis und die Angst vor weiterhin ausbleibender Unterstützung. Dabei sind sie auch für ihr Schicksal mitverantwortlich.
Foto: Imago

Die Sportwelt steht seit der Entscheidung gegen Olympia Kopf. Fast alle deutschen Spitzensportler und (künftigen) Olympioniken meldeten sich nach dem Ergebnis des Referendums zu Wort. Die Trauer von ihnen ist groß und schlägt mitunter in Wut über.

Wie auch bei Funktionären und Politikern der Olympia-Befürwortern herrscht bei den Sportlern Fassungslosigkeit. Vielleicht sind Entsetzen und Trauer bei ihnen aber noch etwas größer, kämpfen sie doch Tag für Tag an vorderster Front für Respekt und Anerkennung ihrer meist nur bei Olympia im Scheinwerferlicht stehenden Randsportart. Blut, Schweiß und Tränen werden vier Jahre lange täglich vergossen und das ohnehin wenige Geld verprasst, nur für einen Moment der Huldigung. Ein hochbezahlter Profifußballer kann sich das kaum ausmalen.

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Die demokratische Entscheidung der Hamburger Bürger wird zwar von den meisten Athleten akzeptiert, aber die Wähler werden trotzdem hart angegangen. Der Hamburger Hockeyspieler und zweifache Olympiasieger Moritz Fürste etwa trägt den deutschen Sport schon zu Grabe.

Sport in Deutschland ist tot. Jetzt auch offiziell !
— Mo Fürste (@MoritzFuerste) 30. November 2015

Auch Diskus-Olympiasieger Robert Harting reagierte verärgert auf das Olympia-Aus in Hamburg. „Ein Hamburger Desaster—welche Vision von sportlicher Zukunft verfolgen die Menschen in dem Land für das ich kämpfe überhaupt noch?", schimpfte der Berliner auf seiner Facebook-Seite. Die Frage beantwortete er sich spöttisch selbst: „Der Vision von McDonalds und unbeweglichen Kindern, von dicken Kindern? Wahrscheinlich."

Auf der Facebookseite der Damen-Hockey-Nationalmannschaft gab man sich ebenfalls fassungslos—auch wenn man die demokratische Entscheidung akzeptiert. „Die Kraft des Sports wird in Deutschland nicht erkannt und wertgeschätzt. Sport kann Integration und Inklusion vorantreiben wie kein anderes Medium, überwindet Grenzen und verbindet—und das mit spielerischer Leichtigkeit.", schrieben sie.

Badminton-Spielerin Fabienne Deprez konnte sich wie viele andere Sportler einen kleinen Seitenhieb gegen die überproportional beliebte und repräsentierte Sportart Fußball nicht verkneifen:

Philipp Buhl, Vize-Weltmeister im Lasersegeln, verfasste sogar einen ganzen Kommentar mit dem Titel: „Deutschland was ist los mit dir?" Gegen die Milliardenausgaben argumentiert er: „Na und? Kann man denn nicht einfach mal ein bisschen naiv sein und einfach ein weiteres Mal sagen: Wir schaffen das!" Er fordert wieder mehr Bedeutung und Liebe zum Sport. Seine Forderung nach mehr Patriotismus ist derweil vielleicht ein wenig unglücklich gewählt: „Wann fangen wir Deutschen endlich wieder an, eine ordentliche Portion Nationalstolz zu entwickeln und diesen auch in die ganze Welt zu posaunen. Mit Fahnen, Stolz und Erfolgen – so eben, wie wir es beim Fußball tun."

Die Enttäuschung der Sportler ist zu verstehen und die überproportionale Zurschaustellung und (oft auch blinde) Liebe der Fans zum Premiumprodukt Fußball ist sicherlich für fast alle Sportarten ein großes Problem und so nicht wünschenswert. Dennoch haben die Bürger nicht den Spaß am Breiten- und Spitzensport verloren, sondern vielmehr an den Funktionären, den Verbänden und den Ausrichtern von Megaevents.

Noch immer fiebern die deutschen Fans mit den Sportlern bei der Olympia und saugen diese Spiele auf. Doch die deutschen Spitzensportler scheinen in diesem System so tief drin zu stecken, so dass sie nicht merken wie auch sie sich scheinbar von den Zuschauern und der Bevölkerung entfernen. Statt über die Menschen und ihre scheinbar so sportferne Einstellung zu meckern, sollten sich die Sportler zusammen tun und Reformen fordern. Sie sollten das IOC und den Deutsche Olympische Sportbund unter Druck setzen und auf transparentere und nachhaltigere Spiele und offenere Verbandsformen pochen. Sie sollten mit Kreativität in die Zukunft blicken und zeigen, dass der Sport nicht tot ist und wirklich Grenzen überwinden kann. Denn sie sind die Hauptakteure, denen wir zu jubeln. Und sie sind die, die auch nach Niederlagen wieder aufstehen und an sich arbeiten, statt zu meckern.