Die Formel 1 braucht Frauen, die nicht nur gut aussehen
Lotus F1 Team

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Sexismus

Die Formel 1 braucht Frauen, die nicht nur gut aussehen

Carmen Jordá sieht blendend aus, doch leider ist sie keine wirklich gute Fahrerin. Trotzdem setzt das Lotus-Team auf sie. Die Formel 1 sendet wieder mal ein falsches Signal bezüglich der Rolle von Frauen in der Formel 1.

In der Rennsportszene gab es vor Kurzem einen Aufschrei, als Carmen Jordá als Testfahrerin für das Lotus-Team vorgestellt wurde. Mit ihrem bloßen Geschlecht hatte das aber nichts zu tun, denn Frauen haben schon lange vor der hübschen Spanierin die Männer-Phalanx im Motorsport durchbrechen können. Vielmehr ging es darum, dass mit Jordá eine Fahrerin verpflichtet wurde, die in der drittklassigen GP3 gerade einmal auf dem 29. Platz gelandet war. Und dass dadurch ein falsches Signal ausgesendet wird hinsichtlich dessen, was eine Frau mitbringen muss, um im Motorsport Erfolg zu haben.

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Letzte Saison war schon Jordás dritte in der GP3, doch für einen WM-Punkt hat es leider nie für sie gereicht. Neben ihr hat übrigens nur der überlegene Gesamtsieger Alex Lynn den Sprung von der GP3 in die Formel 1 geschafft. Der Brite, der früher schon einmal den prestigeträchtigen Macau Grand Prix für sich entscheiden konnte, fährt mittlerweile als Testfahrer für das Williams-Team.

Der Gesamtzweite (und ehemalige Formel-2-Champion) Dean Stoneman konnte auf Anhieb zwei Rennen gewinnen, nachdem er Jordá im Korainen-Motorsportteam abgelöst hatte. Doch für ihn geht es jetzt erstmal in die Formel Renault 3.5. Bei diesen Vergleichen—und aufgrund der Tatsache, dass allein in der GP3 neben Stoneman und Lynn noch 26 weitere Fahrer vor ihr gelandet sind—wird deutlich, dass Jordá, die in ihrer Profikarriere nie ein Rennen gewinnen konnte und deren bestes Ergebnis ein 13. Platz war, wohl kaum aus rein sportlichen Beweggründen vom Lotus-Team geholt wurde.

„Carmen wird unserem Team eine frische Perspektive bringen", so Lotus-CEO Matthew Carter in einer Pressemitteilung. „Sie ist eine echte Verstärkung für unser Team und wir freuen uns darüber, dass sie bei uns ihre eigenen Ziele verfolgen kann und dabei gleichzeitig aufgrund ihrer Erkenntnisse bei der Weiterentwicklung unseres E23 Hybrid helfen wird."

Doch von diesen wohlklingenden Worten lassen sich natürlich nur die wenigsten um den Finger wickeln. Oder wie es ein Kommentator ausgedrückt hat: „Was Lotus uns da vorgaukelt, ist eine Beleidigung an unsere Intelligenz."

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Das Phänomen von Bezahlfahrern in der angeblichen Königsklasse des Motorsports ist schon lange kein Geheimnis mehr. Doch manchmal reichen selbst 14 Mio. Dollar an Sponsorengeldern im Rücken nicht aus, um sich einen Platz im Cockpit zu sichern. So geschehen im Fall vom ehemaligen GP2-Champion Fabio Leimer, der diese Saison gerne fürs Sauber-Team gefahren wäre. Doch die hatten schon genug zahlende Angestellte (vor dem Grand Prix von Australien standen nicht weniger als drei Pay-Driver auf ihrer Gehaltsliste). Auch Lotus ist diese Praxis nicht fremd. Das wurde spätestens klar, als sie sich anstelle des talentierteren Nico Hulkenberg für den mit besseren Sponsoren ausgestatteten Pastor Maldonado entschieden. Außerdem holte man sich jüngst noch den gut vernetzten Chinesen Adderly Fong in das eh schon übervolle Boot an Testfahrern.

Foto: Lotus F1 Team

Vieles deutet darauf hin, dass bei der Entscheidung pro Jordá ihr Geschlecht eine nicht ganz so unwichtige Rolle gespielt hat. Gleichzeitig ist es fast ausgeschlossen, dass sie jemals an einem Rennwochenende im Lotus Platz nehmen darf—nicht zuletzt deswegen, weil der amtierende GP2-Champion Jolyon Palmer der offizielle Ersatzfahrer ist. Ihre Aufgabe wird sich deswegen vor allem darauf beschränken, im Rennsimulator zu sitzen, den Rennfunk mitzuhören und ordentlich Sponsorengelder reinzubringen. Schade nur, dass dabei das Frauenbild im Motorsport auf der Strecke bleibt.

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Denn nein, nicht jede Form von Publicity ist automatisch gute Publicity.

Ob nun zu Recht oder zu Unrecht, Frauen stehen im Motorsport deutlich stärker im Fokus der ?–ffentlichkeit als Männer und müssen dabei, so zumindest die Meinung vieler, deutlich mehr bringen, um wirklich ernst genommen zu werden. Darum ist es auch ein ziemliches Eigentor, auf Jordá zu setzen, wenn man zeigen möchte, zu welchen Leistungen Frauen im Motorsport fähig sein können. Stattdessen entsteht wieder nur der Eindruck, dass bei der Entscheidung für Frauen auch deren Aussehen eine wichtige Rolle spielt.

Doch das kann wohl kaum die Botschaft sein, die Ecclestone und Co. aussenden möchte, um mehr Frauen für den Rennsport zu begeistern?

„Die Nachricht, dass Jordá zu Lotus gehen wird, hat für eine Menge Aufmerksamkeit gesorgt, aber leider aus den komplett falschen Gründen. Für uns Frauen im Rennsport hat das leider nur negative Folgen", schrieb Christina Nielsen, die bei der Pirelli World Challenge mitfährt, auf ihrer Facebook-Seite. „Wir wollen, dass man uns eine Chance gibt, weil man an unser Potential als Rennfahrer glaubt, und nicht etwa nur deswegen, weil wir Frauen sind oder gut aussehen."

Der Motorsport ist eine echte Rarität im professionellen Sportbereich, weil hier Frauen und Männer in einem Wettkampf gegeneinander antreten können. Doch dieselbe Gleichheit bedeutet nur äußerst wenig, wenn es auf Frauenseite an glaubhaften Vorbildern fehlt, die Mädchen zum Motorsport bewegen könnten. Mit Monisha Kaltenborn, Besitzerin des Sauber-Rennstalls, Claire Williams, stellvertretende Teamchefin bei Williams, sowie der Audi-Renningenieurin Leena Gade fehlt es glücklicherweise nicht an erfolgreichen Frauen in angesehenen Stellungen im Motorsport. Nur auf der Fahrerposition gab es seit den Tagen der erfolgreichen Rallye-Fahrerin Michèle Mouton leider kaum echte Lichtblicke.

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Die IndyCar-Fahrerin Simona de Silvestro ist in dieser Hinsicht eine angenehme Ausnahme. Seit Jahren sorgt sie immer wieder für Überraschungen in der amerikanischen Rennserie. Dank Podiumsplatzierungen und schnellster Rennrunden hätte es wohl keinerlei Aufschrei gegeben, wäre die Wahl des Lotus-Rennstall auf sie und nicht auf Carmen Jordá gefallen.

Ein Gefühl, das Carmen Jordá nie kennenlernen durfte: mit Schampus umherspritzend auf dem Podium stehen (hier mit Simona de Silvestro). Foto: Indy Racing League

Das Hauptproblem ist übrigens nicht, dass Frauen nicht gut genug sind (wie uns schon Mouton und de Silvestro gelehrt haben), sondern dass schlicht und einfach zu wenig Frauen im Motorsport an den Start gehen. Und das hat nicht nur mit den hohen Kosten zu tun.

Man muss kein Mathegenie sein, um Folgendes zu verstehen: Solange sich nur wenige Frauen für den Rennsport entscheiden, sind die Chancen, dass eine oder mehrere von ihnen ganz groß rauskommt, äußerst gering. Schließlich gibt es noch gleichzeitig einen riesigen Pool an talentierten Männern im Motorsport, aber eben auch nur 20 freie Cockpits in der Formel 1.

Will man für mehr Parität sorgen, ist es natürlich wenig hilfreich, Entscheidungen zu treffen, die den Eindruck vermitteln, Frauen seien nur aus „Showgründen" mit dabei. Oder als Staffage, um dem Sport einen Extraschuss an Glamour und Sex Appeal zu verpassen. Um genau dieser Vorstellung entgegenzuwirken, hat die World Endurance Championship beschlossen, dass Grid-Girls der Vergangenheit anzugehören haben. Jordás Verpflichtung zeigt hingegen, wie sehr die Formel 1 bei diesen Fragen noch hinterherhinkt.

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Auch wenn es zumindest an der Bereitschaft für Selbstkritik nicht fehlt. So meinte Formel-1-Boss Bernie Ecclestone kürzlich in einem Forbes-Interview, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis wir mehr Frauen in der Formel 1 haben werden. Gleichzeitig betonte er, dass Frauen „nicht wirklich eine faire Chance haben, weil man sie aus anderen Beweggründen holt—etwa weil sie gut aussehen und für Sponsoren interessant sind."

In vielerlei Hinsicht ist Ecclestone das perfekte Aushängeschild für einen äußerst realitätsfremden Sport. Das zeigt sich auch an seiner Idee, eine Art Formel 1 für Frauen ins Leben zu rufen. Was im Prinzip vielleicht noch gut gedacht war, verbreitet doch in der Praxis die Vorstellung, dass Frauen einfach nicht das Zeug haben, sich mit Männern in einer Rennserie zu messen. Gleichzeitig wird ihre Rolle als lukratives PR-Tool bestätigt. Darum wurde Ecclestones Vorschlag innerhalb der Motorsportszene auch umgehend zerrissen.

„Ich hielt es für eine gute Idee, Frauen eine Platform zu geben", erzählte er dem Guardian. „Aus irgendwelchen Gründen schaffen Frauen nicht den Durchbruch, was aber nicht daran liegt, dass wir sie nicht haben wollen. Klar wollen wir das, allein schon deswegen, weil sie eine Menge Aufmerksamkeit erzeugen und reichlich Sponsoren anlocken würden.

„Irgendwo müssen wir ja beginnen, weswegen ich den Teams die Idee einer separaten Frauen-WM vorgestellt hatte—in der Hoffnung, dass es so endlich auch Frauen in die Formel 1 schaffen. Um mehr Interesse für sich und ihren Sport zu wecken, könnten sie im Rahmen des Männer-Grand-Prix an den Start gehen oder auch am Samstag, wenn das Qualifying stattfindet."

Halb ausgegorene Vorschläge dieser Art werden nicht die Lösung für ein sehr reelles Problem sein. In der Zwischenzeit fordert die FIA-Kommission „Women in Motorsport", dass eine Sportkultur geschaffen wird, die eine „stärkere Beteiligung von Frauen in allen Bereichen des Motorsports schätzt und fördert". Ein erster Schritt in die richtige Richtung, mehr aber auch nicht.

So bleibt uns nur zu hoffen, dass uns Jordá Lügen straft. Also: Mucha suerte, Carmen!