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robbery

Danke für alles, Robbery, aber die Flügelzange muss gehen!

Teamarzt Müller-Wohlfahrt wurde für die Niederlage in Porto verantwortlich gemacht und ging. Dabei sollten sich die Bayern-Verantwortlichen eingestehen, dass sie zu sehr von Ribery und Robben abhängig sind.
Alle Fotos: Imago

München, 22. März, es ist saukalt in der Allianz-Arena. Der FC Bayern spielt gegen einen seiner unbequemsten Gegner der letzten Jahre – Borussia Mönchengladbach. In der 24. Minute wuchtet Toni Jantschke den gerade zu einem letalen Dribbling ansetzenden Arjen Robben aus den Schuhen, die Landung des Holländers sieht mal wieder aus wie auf Beton und er muss sofort vom Platz. Diagnose für Robben: Bauchmuskelriss. Diagnose für den FC Bayern: schwere Zeiten. Diagnose für Pep Guardiola: vielleicht die letzte Chance, sich aus der zuckersüßen Abhängigkeit von zwei der genialsten Spieler der Vereinsgeschichte zu befreien. Das Zeitalter von Robbery muss enden.

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Robbens Verletzung wiegt auch deshalb so schwer, weil der zweite Außenbahn-Anarchist Franck Ribery gerade nicht fit ist. Bayern-Mouthpieces wie Philipp Lahm betonen natürlich immer wieder, es gäbe „genügend gute Spieler, die das auffangen können", aber letztlich drückt man sich auch im Jahr sieben der Flügel-Filettierer Robben und Ribery um die unbequeme Wahrheit, dass beinahe das gesamte Wohlergehen von den beiden und vor allem der Kombination aus beiden abhängt. Das lässt sich durch Zahlen belegen: Stehen beide auf dem Platz, beträgt die Siegesquote der Bayern unbarmherzige 88,9 Prozent. Oder man schaut sich einfach das Spiel in Porto an, in dem Götze, Müller und Lewandowski ohne Unterstützung von der Seite kläglich wirkten.

Doch wie war es im dunklen Zeitalter vor Robbery, kann sich daran überhaupt noch jemand erinnern—ein Leben ohne „„Frolland" auf den Flügeln? 2007 sieht es zunächst tatsächlich finster aus für den FC Bayern. Vierter Platz in der Liga und damit erstmals seit Gründung der Champions League nicht für die Folgesaison qualifiziert, zudem hat man sich im Viertelfinale ziemlich klanglos vom AC Mailand aus dem Turnier schubsen lassen und dann kommt das grausige Aus im DFB-Pokal gegen Alemannia Aachen dazu. Felix Magath wird gegen Ende der Saison wegen „Erfolglosigkeit" und quasi nicht vorhandenem Standing bei Fans, Spielern und Vereinsführung auf die Straße gesetzt und es ist nach ein paar Jahren selbst verordnetem Schmalhans wieder Zeit, in die Weltmarke FCB zu investieren. Für rund 70 Millionen gönnt man sich Spieler wie Luca Toni, Miro Klose und Franck Ribery (man verliert u.a. Scholl, Pizarro und Salihamidzic), aber deshalb wird das Spiel der Bayern noch lange nicht spritziger. Die Ära Ribatony bringt immerhin das Double, wenn auch ein deutliches Ausscheiden im Halbfinale des Europokals gegen St. Petersburg, das unter UFO-Gläubigen heute noch Manipulationsgerüchte nährt. Noch einmal kurz durchatmen und Schwamm über die Klinsmann-Saison, dann wird endlich Licht.

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Am 28. August 2009 übernimmt Arjen Robben, der bei Real Madrid auch einem gewissen Cristiano Ronaldo weichen muss, in München die Rückennummer 10. Die holländische Ausgabe des FC Bayern unter Van Gaal, mit Robben und Van Bommel, holt souverän das Double und scheitert erst im Champions-League-Finale an Mourinhos Inter Mailand, in dem Franck Ribery rotgesperrt ist. Aber da ist die Robbery-Manie längst in vollem Gang.

Einer ihrer Schlüsselmomente ist das Champions League-Halbfinale am 7. April 2010 im Old Trafford. Die Bayern haben das Hinspiel knapp mit 2:1 gewonnen, doch im Rückspiel kassieren sie in der ersten Halbzeit drei schnelle und giftige Tore. Nur Olic schafft noch vor der Pause den Anschluss und verhinderte so den mentalen Kollaps. Kurz nach zehn Uhr mitteleuropäische Ortszeit tritt Ribery zur Ecke an und Robben wartet außerhalb des Sechzehners, als ginge ihn das Spiel nichts an. Dann schüttelt er kurz den Zeigefinger und keiner kann genau sagen, ob er damit meint „„Ich will ihn" oder „„Bloß nicht zu mir". Keiner außer Ribery, der den Ball auf Robben serviert, als wäre er eine präzise gelenkte Drohne. Robben nimmt ihn volley und Bayern ist im Finale. Es ist der emotionale Höhepunkt einer Saison, nach der Robben zu Deutschlands Fußballer des Jahres gewählt werden wird.

Die wegen etlicher exzentrischer Entscheidungen Van Gaals durchwachsene Folgesaison 2010/2011, in die sicher nicht ganz zufällig die Genesis des BVB-Powerplays Marke Klopp fällt, gerät auch für das Tandem zum Ärgernis. Robben verletzt sich bei einem Testspiel der Niederlande so schwer, dass er die gesamte Hinrunde ausfällt, was einen Riesenkrach zwischen dem holländischen Fußballverband und den Bayern nach sich zieht. Ribery, bei der WM von seinen Landsleuten noch als Staatsproll Nummer eins geächtet und von da an endgültig in der öffentlichen französischen Meinung zum verhöhnten Sportexilanten mit Grammatikproblemen degradiert, spielt zunächst eine glänzende Saison und wird Topscorer der Liga, allerdings reicht seine Beseeltheit nicht gegen die lähmenden Ballbesitz-Orgien seiner seltsam halbmotivierten Kollegen aus.Erst als Robben in der Rückrunde zurück in den Kader kommt, dominiert Bayern seit vielen Jahren auch wieder die europäische Konkurrenz, selbst wenn es für die Liga zu spät ist. Ausgerechnet beim überzeugenden 2:1 gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions League kommt es zum legendären „Kabinenzoff, als Ribery in der Halbzeit—aus Wut darüber, dass ihm Robben zum Verzicht auf einen Freistoß geraten hat—seinem Alter Ego vom anderen Flügelufer die Faust ins Gesicht parkt. Robben spielt mit sichtbaren Blessuren im Gesicht zu Ende. Angeblich muss Ribery danach 50.000 Euro bezahlen und Robben wird sagen, er könne sich nicht vorstellen, jemals wieder mit dem rüpelhaften Kollegen aus Boulogne-sur-Mer zusammenzuspielen.

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Unter der großväterlichen Gesamtaufsicht von Jupp Heynckes im Vize-Bayern-Jahr stabilisiert sich das Verhältnis. Heynckes begreift, dass man einem Free-Jazzer keine Notenblätter hinlegen darf, und er ist uneitel und alt genug, um sich Machtspielchen mit seinen wichtigsten Spielern zu sparen. Hieß es bei Van Gaal noch über Ribery „„Wenn er alleine spielen will, dann muss er Tennis spielen gehen", klingt das unter Heynckes schon deutlich humanistischer („„Ich weiß, was Franck alles durchgemacht hat."). Ribery preist Heynckes für „sein „Vertrauen und die menschliche Art", ist plötzlich voll des Lobs für Robben und auch Robben sagt über Ribery, dieser „verstehe Fußball „wie kaum ein anderer" und in dieser Saison hätten sie „alles repariert. Und das obwohl gerade in dieser Saison am Ende alles schief geht, was schief gehen kann: von Dortmund in der Liga und im Pokal deklassiert und von Chelsea im Finale dahoam verarscht.

Das leitet nach der ewigen Verletzungsmisere die nächste große Downtime von Arjen Robben ein. Es ist eine unwürdige Diskussion über den angeblichen Egomanen, der mit seinen verschossenen Elfmetern, u.a. gegen Dortmund im DFB-Pokalfinale, das versöhnliche Ende einer schwierigen Saison auf dem Gewissen hat. Es geht soweit, dass die eigenen Fans ihren einst bewunderten Artisten bei einem Testspiel gegen Holland so brutal auspfeifen, dass der Kollege Van Bommel von einem „„Skandal" spricht und manch ein Kollege aus der Elftal ihm gar zum Wechsel rät. Der Verein und Heynckes begreifen jedoch, was sie an Robben haben, sie wissen, dass jedes Spiel, in dem er antreten kann, zwei wert ist, in denen er verletzt pausiert. Sie kennen die Statistiken, vor allem die mit Ribery.

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Jetzt kommt die zweite Heynckes-Saison, das Triple, der Stoff, aus dem Robbery-Legenden sind. Die beide in letzter Zeit eher fragilen, vom Gegenspieler geschundenen Akteure bleiben so gut wie verletzungsfrei und spielen fast die gesamte Saison in allen drei Wettbewerben durch. Der Münchner Zauberkasten ist erstmals eine ganze Saison lang komplett und Bayern gewinnt alle drei Trophäen—das ist kein Zufall, zumal sich beide auch noch in nie dagewesenem Maße in die Abwehrarbeit einschalten.

Dann kommt Pep und man ist gespannt, wie er als anthroposophischer Kleingärtner mit seinen Superindividualisten umgehen wird. Pep mag weder Proleten noch Egomanen, aber er ist nicht dumm. Er sieht, wie unberechenbar das Flügelspiel durch die beiden wird, er ist sogar bereit, von seiner traditionellen Vorstellung abzuweichen, in der die Flügel nur einen akzeptablen Unruheherd bilden, um die Mitte für Weltwunder wie Messi freizumachen. Aber er hat hier auch kein Weltwunder. Er merkt, wie wichtig es ist, einen wie Ribery, der nach seiner Nichtwahl beim Ballon d'Or ein mentales und gesundheitliches Tief erlebt, immer wieder zu reintegrieren. Aber so hat er genau wie Heynckes und Van Gaal den Salat: Der FC Bayern hängt noch immer an der Nadel der zwei besten Flügelstürmer der Welt—allerdings müsste sich doch zumindest am Horizont eine Alternative zeigen. Wofür hat man nochmal Götze geholt?

Den beiden Protagonisten könnte das egal sein, sie haben ihre Legenden längst in den Säbener Walk Of Fame zementiert. Beide können sich vorstellen, ihre Karriere in München zu beenden, Franck Ribery denkt sogar laut über eine deutsche Staatsbürgerschaft nach und Robben steht kurz vor einer Vertragsverlängerung. Und natürlich wollen sie ihr Königreich da draußen an der Linie nicht einfach aufgeben. Ribery will in der „entscheidenden Phase „topfit" sein und auch Robben hofft noch auf einen Einsatz im Halbfinale der Champions League. Hilft wohl nur noch ein Umsturz im Sommer, oder wie Bayern-Finanzvorstand Dreesen neulich sagte: „„Ja, wir könnten 100 Millionen Euro für einen Spieler zahlen."

Folgt Berni auf Twitter: @stburnster