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Restaurant Confessionals

Wie ich Teil eines Drogenrings wurde, weil ich über einem Pub wohnte

Für ein paar Gefälligkeitsdienste konnte ich kostenlos über einem Londoner Pub wohnen. Dumm nur, wenn man nicht mitbekommt, dass das ein Umschlagplatz für Drogen ist.
Photo via Flickr user Kurt

Willkommen zurück zu den_ Restaurant Confessionals_, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Heute erfahren wir, wie es ist, über einem Pub in London zu wohnen, in dem sich ziemlich zwielichtige Dinge abspielen.

Als ich von Australien nach London gezogen bin, arbeitete ich als Tätowierer, also habe es zumindest versucht. Ich kam gerade von der High School, hatte keine Kohle und war so verrückt und mietetemir nach meiner Ankunft ein Einzelzimmer mit Gemeinschaftsdusche und -küche für 450 Pfund im Monat in der City Road.Einen Job hatte ich nicht so richtig, ich habe hier und da mal Teller gewaschen, auch als Küchenhilfe gearbeitet, war Teilzeit-Tätowierer und habe das gesamte Spektrum der typisch Londoner Sachen, die man als junger Mensch für cool hält, mitgemacht: billiger Fusel, Drogen, Post Punk, schwarze Outfits und so weiter.

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Nach ein paar Monaten habe ich dann eingesehen, dass es nicht so optimal läuft, wenn man nicht arbeitet und nur Geld ausgibt: Ich wurde aus meiner Bude rausgeworfen. Im Pub nebenan habe ich gefragt, ob sie zufällig jemanden suchen. Nicht der Fall.

Aber sie machten mir ein anderes Angebot. Ich sollte den Pub bewachen und könnte dafür hier wohnen: Keine Miete zahlen, dafür steht man ab und zu am Zapfhahn, lässt die Putzkolonne rein und hält sich von den Personalbereichen fern. Einfach abgefahren. Das war die beste Wohnsituation, die ich mir nur vorstellen konnte. Ich war der einzig Glückliche—mit Ausnahme der Studenten aus der Mittelschicht—, der keine Miete zahlen musste. Ein Kindheitstraum: vier Zimmer, zwei Badezimmer, keine Kaution, keine Miete.

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Der Pub wurde schnell zu einer Art Hostel für meine Landsleute, oder für die, die kein Taxi mehr bekommen haben oder einfach zu faul waren. Eigentlich für jeden, den ein bisschen Dreck nicht störte.

Als ich dort wohnte, wurde ich manchmal nach Leuten gefragt, die ich überhaupt nicht kannte—den Vermieter und die Freunde seiner Freunde und andere, die anscheinend den Pub am Laufen halten. Außerdem musste ich die Reinigungskraft um drei Uhr morgens reinlassen. Ich habe ziemlich spät herausgefunden, dass der überhaupt nicht putzte, sondern zu den Leuten gehörte, über die alle tuschelten.

Ein Kindheitstraum: vier Zimmer, zwei Badezimmer, keine Kaution, keine Miete.

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Als die Vermieterin aber einen neuen Freund hatte, wurde das Ganze noch schärfer. Der Typ war großartig: Er bekam für alle Fußballspiele Freikarten, hat immer eine Runde Freibier spendiert und konnte sich im Pub frei bewegen—auch dort, wo ich nicht hindurfte.

Außerdem wurde mit ihm alles ein bisschen lockerer. Ich habe irgendwann angefangen, nachts die Küche des Pubs zu plündern. Wenn es für das Personal—oder eben ihre Freunde— keine Regeln mehr gab, warum sollte also nicht auch ich tun, was ich will?

Einmal kam ich morgens um sieben nach Hause, ich weiß gar nicht mehr warum. Als ich um die Ecke zum Hintereingang ging, sah ich auf einmal eine Brigade von Polizeiautos, ein paar Krankenwagen und meine Vermieterin lag ausgestreckt auf einer Bahre. Ihr verfickter Freund hat sie so heftig Treppe heruntergeprügelt, dass das ganze Geländer kaputt war. Ziemlich abgefuckt.

Den Morgen habe ich dann im Euston Hospital verbracht, wo mich alle Ärzte und andere seriöse Leute nur verachtend angeguckt haben.

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Später habe ich herausgefunden, dass niemand in den Keller durfte, weil die „Putzkraft" in Wirklichkeit ein Drogenlieferant war, der dort kiloweise Koks, teilweise in Müllsäcken, abstellte. Der Freund der Vermieterin hatte das herausgefunden und wahr wohl etwas angepisst, dass er kein Stückchen vom Kuchen abhaben durfte. Da ist er durchgedreht und hat sie zu Brei geschlagen. Weil sie partout keine Anzeige erstatten wollte, obwohl sie grün und blau war, war das den Bullen dann auch klar.

Ich weiß nicht warum, aber danach habe ich noch zwei Monate dort gelebt. Doch, ich weiß warum: Ich hatte immer noch keine Kohle und konnte es mir nicht leisten, auszuziehen. Als ich dann irgendwann ging, war die Vermieterin voll locker, wir quatschen ab und zu noch mal und hin und wieder sehe ich auch ihren Freund. Der Pub existiert mittlerweile nicht mehr, jetzt ist da ein Spätkauf.

Meine Eltern haben keinen blassen Schimmer, was damals passiert ist, und das obwohl ich mir von ihnen Geld für den Auszug leihen musste.