Beim MLP Cup in Nußloch: Auf den Spuren von Spielmanipulation im Amateur-Tennis
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Beim MLP Cup in Nußloch: Auf den Spuren von Spielmanipulation im Amateur-Tennis

Profitennis ist nicht so lukrativ, wie du denkst. Das macht Spieler fernab der ATP Tour anfällig für Spielmanipulation. Unsere Reportage zeigt, dass man jetzt schon „mit gutem Gewissen" betrügen kann.

Uladzimir Ignatik, ein 25-jähriger Weißrusse, der während seiner Juniorenkarriere als einer der besten Einzelspieler der Welt galt, hat es in diesem Jahr nicht in die Hauptrunde der Australian Open geschafft. In der ersten Qualifikationsrunde verlor er gegen den Italiener Thomas Fabbiano, der ganze zehn Zentimeter kleiner ist als er. Den ersten Satz holte sich Ignatik noch mit 7:5, aber Fabbiano fand ins Spiel und gewann den zweiten und dritten Satz mit 6:3 und 6:2. Vielleicht hatte er mit der Hitze von Melbourne zu kämpfen—in seiner Heimat Minsk ist es um diese Zeit rund 30 Grad kälter. Oder vielleicht steckte in Fabbiano einfach ein kleiner Michael Chang. Wie dem auch sei. So ist Tennis. Ignatik musste jedenfalls seine Sachen packen.

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Eine Woche später und viele Tausend Kilometer entfernt stand Ignatik schon wieder auf dem Platz. Dieses Mal ging es in der ersten Runde des MLP Cups gegen den 22-jährigen Franzosen Sebastien Boltz. Der MLP Cup ist ein kleines Tennisturnier, das im Südwesten Deutschlands ausgetragen wird. Du hast davon wahrscheinlich noch nie gehört. Der MLP Cup ist nicht Teil der ATP World Tour. Er ist nicht einmal Teil des zweitklassigen Challenger-Zirkus. Nein, der MLP Cup ist eines von Hunderten Turnieren auf der sogenannten Future Tour, die der Tennisweltverband (ITF) auf der ganzen Welt organisiert. In der Regel beträgt das Preisgeld bei Future-Turnieren 10.000 Dollar. Doch auf manchen können insgesamt 25.000 Dollar gewonnen werden—und eines davon ist der MLP Cup. Über Qualifikationsturniere schaffen es auch Top-Amateure ohne größere Schwierigkeiten ins Hauptfeld. Future-Turniere stehen für die Niederungen des Profi-Tennissports.

Das soll die Leistung all derer, die sich ihren Lebensunterhalt über die Future Tour verdienen, nicht schmälern. Schließlich reden wir von der Mehrheit der Tennisprofis. Denn das ist die Realität im Tennis: Spieler, die aus ihren Autos leben, ihren jeweiligen Kontinent abgrasen und von einem Stück am 10.000-Dollar-Preisgeld-Kuchen träumen. Gleichzeitig geht es ihnen darum, möglichst viele Punkte für die Weltrangliste zu sammeln, um sich für besser dotierte Turniere zu qualifizieren. Jeder Profi spielt früher oder später auf der Future-Tour. Auch ein Novak Djokovic musste mal klein anfangen.

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Wie Ignatik bin auch ich zum MLP Cup gefahren. Nur dass es mir nicht darum ging, Weltranglistenpunkte zu sammeln. Eine Woche zuvor hatte ich auf BuzzFeed einen Bericht gelesen, bei dem es um die hohe Verbreitung von Spielmanipulation im Profitennis ging. Obwohl einige Leute (darunter auch meine Wenigkeit) bestimmte Aspekte der Analyse kritisierten, gab der Bericht doch Aufschluss über ein wichtiges Thema, das schon seit einiger Zeit ein offenes Geheimnis ist: Tennis und sein Korruptionsproblem.

Wettbetrüger müssen beim Einzel maximal zwei Spieler kaufen, um ihr Wunschresultat zu bekommen, was Spielmanipulationen im Tennis deutlich „günstiger" als bei Teamsportarten macht. Und weil im Tennis Favoriten eh ständig über vermeintliche Underdogs stolpern, können erfolgreiche Spielmanipulationen leicht untergehen.

Nach herrschender Auffassung gilt: Je geringer der Einsatz für die Spieler, desto einfach lässt sich ein Spiel schieben. Das gilt für jeden Sport. Wenn die Spieler schlecht verdienen, kann man sie leichter kaufen—vor allem wenn fast keiner zuschaut. Und in vielen Rechtsprechungen auf der Welt sind Spielabsprachen nicht einmal illegal.

Schauen wir uns jetzt mal ein Turnier wie den MLP Cup an. Viele Spieler haben Hunderte Kilometer Anfahrt auf sich genommen, in der Hoffnung, von den 25.000 Dollar etwas mit nach Hause zu nehmen. Die Rechnung ist ernüchternd. Wenn man den Doppelwettbewerb abzieht, geht es für die Einzelspieler nur noch um 75 Prozent des Gewinntopfs. Davon bekommt der Turniersieger 14,4 Prozent, was 3.600 Dollar entspricht. Bei einem typischen Future-Turnier mit einem Preisgeld von 10.000 Dollar sichert sich der Champion gerade mal 1.400 Dollar. Die meisten der Teilnehmer spielen also gerade mal für etwas mehr als das Benzingeld.

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Es würden also ein paar Hundert Euro ausreichen, um den zu erwartenden Gewinn der meisten Teilnehmer zu überbieten. Wenn du im Vorhinein den Ausgang des Spiels kennen würdest, könntest du auf dem Glücksspielmarkt eine Menge Schotter machen. Denn ob du es wahrhaben willst oder nicht, Spielabsprachen sind leicht verdientes Geld.


Der MLP Cup findet einmal im Jahr im Racket Center Nußloch statt. Der Tennisclub liegt in dem 10.000-Seelen-Städtchen**** Nußloch, rund fünf Kilometer südlich von Heidelberg. Was der Stadt an Größe und Einwohnern fehlt, macht sie mit ihrer Tennisbegeisterung wieder wett. Und das ist kein Zufall, denn die zwei besten Tennisspieler, die Deutschland je hatte, kommen genau aus dieser Gegend. Steffi Graf wurde in Mannheim geboren, der nächstgelegenen Großstadt, und hat viele Jahre in Heidelberg trainiert. Boris Becker kommt aus Leimen, der Nachbarstadt von Nußloch.

Der gesamte MLP Cup fand auf zwei der drei Hallen-Courts im Racket Center statt. Die Anlage ist zwar topmodern, doch nicht besonders zuschauerfreundlich. Das war aber nicht wirklich ein Problem, denn die Besucherzahlen hielten sich eh in Grenzen. Eine Stuhlreihe hinter der Grundlinie reichte aus. Es gab zwar auch eine kleine Tribüne, die war aber beim Match von Ignatik gegen Boltz abgesperrt.

Will man undercover Profitennis spielen, ist das Racket Center Nußloch die richtige Adresse.

Der Blick von der Mini-Tribüne beim MLP Cup. Foto: Brian Blickenstaff

Ignatik konnte das Spiel mit 4:6, 6:4 und 6:4 für sich entscheiden. Nach dem Spiel konnte ich Boltz nirgendwo finden. Er musste direkt Richtung Auto abgedampft sein. Ich stellte mir vor, wie er auf der Autobahn Richtung Großraum Paris auf Französisch schimpfte: Zehn Stunden Autofahrt für nichts!

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Ignatik hingegen stand mit aufgesetzten Kopfhörern vor dem Haupteingang. Er hatte nicht viel Zeit zum Verschnaufen. Schon in einer Stunde stand ein Doppelmatch an.

Ich ging eigentlich davon aus, dass er mich wegschicken würde, als ich Ignatik fragte, ob er schon mal persönliche Erfahrungen mit Spielmanipulation gemacht habe. Doch stattdessen nahm er sofort seine Kopfhörer ab.

„Auf mich kamen schon ein paar Mal Leute zu", meinte er trocken. „Ich habe es immer gleich der ITF gemeldet. Seitdem war Ruhe, wahrscheinlich weil die mittlerweile wissen, dass ich kein Interesse habe."

Ich war nervös, dass andere Leute unser Gespräch über das Tabuthema Spielmanipulation aufschnappen könnten. Nicht aber Ignatik.

Er erklärte mir weiter, dass es schon zweimal passiert ist. Oder dreimal? Und immer über Facebook. „Ich habe schon ein paar Freundschaftsanfragen erhalten und nach kurzer Zeit haben sie gefragt, ob ich ihnen aushelfen könnte."

Haben sie dir Geld angeboten?

„Nein", sagte er lachend. „Aber das hätten sie bestimmt gemacht, wenn ich ja gesagt hätte."

Später wollte ich nochmal nachhaken. Er meinte nur: „Du kannst hier jeden fragen. Ich bin sicher, dass jeder hier schon ähnliche Erfahrungen gemacht hat."


Stell dir vor, du bist 21 Jahre alt und ein außergewöhnlicher Tennisspieler. Du spürst, dass nach oben alles möglich ist, wenn du nur den nötigen Anschub bekommst, indem du ein paar Weltranglistenpunkte machst und bei höheren Turnieren antreten darfst. Wenn du deinen Rhythmus findest, steht einer anständigen ATP-Karriere nichts mehr im Wege. Doch bis dahin ist das Geld knapp—und der Druck enorm.

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In der ersten Runde eines Future-Turniers hast du einen Qualifikanten geschlagen. Während du dich auf dein zweites Match vorbereitest, fängt dich ein Mann vor der Halle ab. Er sagt, dass dir 1.000 Euro winken und bittet dich, ihn ausreden zu lassen, während er betont, dass du kein Spiel verschieben sollst. Wenn du zustimmst, einen der ersten beiden Sätze gegen deinen Gegner zu verlieren, kriegst du das Geld. Die Details sehen so aus: Du verlierst den ersten Satz mit 3:6, nachdem du schon mit 3:0 geführt hast. Im zweiten gewinnst du genau mit 6:4, nachdem du bei seinem ersten Aufschlagspiel das Break geschafft hast. Für den dritten Satz gibt es dann keine Regeln. Möge der Beste gewinnen. Siehst du? Das ist doch keine Spielmanipulation. Der Sieger und das Endergebnis stehen nicht fest.

Würdest du das Geld nehmen?

Das Tolle am Tennis aus der Sicht eines Wettbetrügers ist nicht nur die Tatsache, dass ihn das Geschäft relativ wenig Geld kostet. Er kann außerdem ein Spiel verschieben lassen, ohne dass er wirklich auf das Endergebnis Einfluss nimmt, was zu einer gewissen moralischen Ambiguität führt. Ist es reine Spielmanipulation, wenn der letzte und entscheidende Satz unter fairen Umständen ausgespielt wird? Schließlich gewinnt am Ende ja weiterhin der bessere Spieler—und wenn du ein 21-jähriger ATP-Wannabe bist, der große Ambitionen, aber wenig Cash hat, dann ist für dich Gewinnen immer noch das höchste Gut.

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„Natürlich ist jede Form von Spielmanipulation falsch, ich glaube aber nicht, dass unbedingt immer gleich das gesamte Spiel verschoben wird", sagte Ian Doward, ein Kenner der Wettszene und regelmäßiger Wetter bei Future-Turnieren. Doward betreibt einen beliebten Tennis-Blog, auf dem er gelegentlich Matches auflistet, die seiner Meinung nach manipuliert wurden.

„Bei den untersten Turnieren gibt es nur wenig Preisgeld zu holen. Trotzdem wollen die Spieler nicht ihre Chance auf ein Weiterkommen im Turnier aufs Spiel setzen, denn am Ende ist ihr wichtigstes Ziel, in der Rangliste zu klettern. Ich glaube, man müsste schon sehr viel mehr Geld aufwenden, damit sie ein ganzes Spiel und nicht nur einen Satz oder zwei verschieben. Da man aber aus Wettersicht keine Unsummen von Geld bei diesen Turnieren gewinnen kann, lohnt es sich nicht."


Du bist pleite. Keiner will, dass du ein ganzes Spiel verlierst. Nur einen Satz. Überschreitest du die Grenze? Foto: EPA

Spielmanipulationen für die Wettindustrie sind nur eine Form von Korruption im Tennissport. Und vielleicht nicht einmal das größte Problem, wie mir Marvin Netuschil—ein 25-jähriger deutscher Doppelspieler—erklärt hat.

„Ich war mal bei einem Turnier in der Schweiz", erzählte mir Netuschil. „Vor einem Spiel kam mein Gegner zu mir und meinte, dass er angeschlagen sei. Er meinte, er würde nicht antreten, wenn ich ihm einen Teil des Preisgeldes abgeben würde. Ich habe abgelehnt, er hat dann doch volle Pulle gespielt, aber ich konnte ihn schlagen."

Netuschil und sein Doppelpartner, der 21-Jährige Philipp Scholz, hatten grad ihr Match gewonnen und waren auf dem Weg Richtung Abendessen. Ich wollte von Scholz wissen, ob er schon ähnliche Erfahrungen gemacht habe.

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„Bei jedem vierten Turnier hörst du irgendeine Geschichte", war seine Antwort.

„Meistens geht es dabei nicht um Wetteinsätze", ergänzte Netuschil. „Die Spieler kommen zu dir und meinen: ‚Lass mich gewinnen, ich brauche die Punkte.'"

„Ja, genau. Irgendwelche Typen, die Weltranglistenpunkte brauchen", bestätigte Scholz.

„Vielleicht haben die ja reiche Eltern oder so", mutmaßte Netuschil.

„Ich habe noch nie eine Mail erhalten oder Ähnliches, in der mir für eine Niederlage Geld geboten wurde", meinte Scholz, „aber man hört eine Menge Gerüchte."

„Es ist einfach", sagte Netuschil, „weil das Geld, das sie anbieten, mehr ist als das Preisgeld, das du gewinnen kannst."


Das Turnier im Racket Center hatte etwas von einem Bibliotheksbesuch. Die Zuschauer sprachen kaum untereinander. Wenn einmal ein Flüstergespräch zu laut wurde, baten die Spieler sofort um Ruhe. Handys wurden schnell auf lautlos geschaltet. Minuten vergingen, in denen man nichts hörte außer das Zischen des Balles und die Zwischenstände vom Schiedsrichterstuhl. Manchmal murmelte ein Spieler etwas in seiner Muttersprache.

Am zweiten Turniertag sah ich einem Spieler namens Jan Mertl zu. Der 34-jährige Tscheche stand in der Weltrangliste schon mal auf Platz 163—und wurde hier dennoch fertig gemacht. Das war vor allem deswegen bemerkenswert, weil Mertl als 224. der Welt beim MLP Cup an Nummer zwei gesetzt war. Mertl war einer, der im Gegensatz zu den anderen Spieler für ordentlich Radau sorgte—auch gegenüber dem Schiedsrichter.

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Mertl spielte gegen einen riesigen Deutschen namens Mats Moraing, zum Zeitpunkt des Turniers die Nummer 482 der Welt. Das letzte Mal, dass ich jemanden live mit so einem harten Aufschlag gesehen hatte, war Goran Ivanišević bei einem Turnier in Los Angeles. Auch wenn Moraing bei Weitem nicht die Zielgenauigkeit eines Ivanišević hatte. Gerade im ersten Satz folgte Doppelfehler auf Doppelfehler. Trotzdem hatte der favorisierte Mertl alle Mühe, seinen Kontrahenten zu schlagen. Am Ende ging der erste Satz mit 7:5 an den Tschechen.

Der zweite Satz ging dann ins Tiebreak, den Mertl verlor. Im dritten schien Mertl mehr daran interessiert, die Schiedsrichterentscheidungen anzuzweifeln, als Tennis zu spielen. Moraing gewann locker mit 6:3.

Profitennis ist nicht so lukrativ, wie du denkst. Foto: EPA

Während ich das Spiel anschaute, musste ich nochmal an die Gewinnmöglichkeiten auf der Future-Tour denken. Der Gewinner beim MLP Cup bekam 3.600 Dollar. Mertl hingegen musste sich mit 1,04 Prozent vom Preisgeld begnügen: Das macht 260 Dollar.

Mertl wurde 2002 Profi. Laut seinem ATP-Profil hat er in seiner Karriere rund 549.889 Dollar verdient, was erstmal nach einer Menge klingt, bis man die Zahl durch 14 teilt. Dann nämlich kommt man auf einen Jahresverdienst von 39.277 Dollar.

Die finanzielle Seite von Mertls Karriere ist nicht ungewöhnlich. Stell dir einfach vor: Du hast einen Fulltime-Job, der dir—wenn du überdurchschnittlich gut bist—(vor Steuer!) 40.000 Dollar einbringt. Dafür musst du dann aber in einer Tour von A nach B reisen und stehst spätestens mit Ende 30 vor deinem Karriereende. Übrigens immer vorausgesetzt, dass du von schweren Verletzungen verschont bleibst. Es braucht also nicht viel Vorstellungskraft, um zu verstehen, wie sehr einige Tausender unter der Hand deine Lebensqualität aufbessern können.

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Ich will an dieser Stelle betonen, dass ich Mertl nur als Beispiel herangezogen habe. Es gibt keinerlei Anlass zu glauben, dass er Spiele verschiebt. Ganz im Gegenteil, er war sogar so nett, nach seiner Niederlage gegen Moraing offen über das Thema zu reden. Er sagt, dass er noch nie von Betrügern kontaktiert wurde, obwohl er schon von ein paar Wettern böse Anrufe erhielt, die ihn dafür fertiggemacht haben, dass er gegen niedriger gesetzte Gegner verloren hatte.


Was ist also die Lösung?

Eine Möglichkeit, die Käuflichkeit zu reduzieren, könnte darin bestehen, Tennisprofis besser zu bezahlen. Tennisexperten diskutieren eine solche Reform immer wieder mal. Was wäre, wenn man Novak Djokovic für seinen Sieg bei den Australian Open statt 3,85 Millionen Dollar nur 2,85 Millionen gibt und die eingesparte Million weiter unten im ATP- und Challenger-Zirkus durch bessere Gewinnmöglichkeiten aufteilt?

Profiwetter Dan Weston ist skeptisch. „Es gibt einen Grund für die große Verdienstschere zwischen Top- und Mittelklassespielern im Tennis", erzählte er mir am Telefon. „Punkt eins: Die Djokovics und Federers dieser Welt bringen dem Tenniszirkus viel mehr Geld ein, darum verdienen sie auch ihre Preisgelder. Punkt zwei: Man kann Tennis nicht mit anderen Sportarten vergleichen."

„Die Leute reden oft über Golf und sagen, dass dort auch die Nummer 200 der Welt Millionär ist. Das kann ja sein. Aber wenn der Typ eine Runde gegen Rory McIlroy spielen würde, hätte er immer noch eine Chance von 15-20 Prozent, ihn über 18 Löcher zu schlagen. Wenn aber die Nummer 200 der Welt im Tennis gegen Djokovic einen Satz spielen würde, wäre seine Chance auf einen Satzgewinn bei unter einem Prozent. Es gibt also im Tennis zwischen der Nummer eins und der Nummer 200 eine viel größere Diskrepanz als im Golf. Djokovic' Quote in den ersten drei Runden bei den Australian Open war unter 1,01, was bedeutet, dass die Buchmacher glaubten, dass seine Chance, das Spiel zu gewinnen, bei 99 Prozent liegt. In jedem der drei Spiele."

Stars wie Novak Djokovic haben weniger Grund, sich auf Spielabsprachen einzulassen. Aber was ist mit den weniger Erfolgreichen? Foto: EPA

Stattdessen schlug Weston ein System vor, bei dem Spieler fürs bloße Antreten noch kein Geld bekommen. Aktuell sieht es nämlich so aus, dass Spieler selbst bei den untersten Turnieren auch dann noch Geld verdienen, wenn sie in der ersten Runde rausfliegen. Weston meinte, dass Spieler in den Auftaktrunden weniger und dafür in höheren Runden mehr verdienen sollten. Dafür sollten die, die sich über ein Qualifikationsturnier einen Platz im Hauptfeld erkämpft haben, finanziell belohnt werden.

Eine solche Reform hätte vielleicht einen positiven Effekt auf Korruption bei Challenger- und ATP-Turnieren. Doch was Future-Turniere betrifft, muss man sich folgende Frage stellen: Würde kein Geld in der ersten Runde, aber—sagen wir—400 statt 200 Dollar im Achtelfinale die Teilnehmer beim MLP Cup und anderen Turnieren weniger anfällig für Spielmanipulation machen? Würde es die reichen Kids davon abhalten, sich Punkte erkaufen zu wollen?

Nach seiner enttäuschenden Niederlage gegen Moraing sprang Mertl schnell unter die Dusche und unterhielt sich dann für eine Weile mit dem Barkeeper vom Clubhouse des Racket Club. Er und Mertl, ein Stammgast beim MLP Cup, kannten sich ganz offensichtlich.

„Und?", meinte der Barkeeper. „Kommst du nächstes Jahr wieder?"

Mertl sagte, dass er nicht sicher sei. Wer weiß?

Und was steht jetzt an, frage ich ihn.

„Eine fünfstündige Fahrt zurück nach Prag."